Hollywoods Liebling Jennifer Lawrence war eine Weile weg. Nach mäßigen Einspielergebnissen pausierte die Schauspielerin einige Zeit, heiratete, wurde Mutter eines Sohnes. Nun ist sie wieder da – und das ausgerechnet in einem Genre, dass der 32-jährigen bislang eher unwichtig zu sein schien – einer Komödie. Was genau sie dazu bewog, in der neuen schlüpfrigen Sex-Comedy von Gene Stupnitsky („Good Boys“) mitzuwirken, ist unklar. Allerdings scheint ihr „No Hard Feelings“ auf den Leib geschneidert zu sein, ist Lawrence doch dafür bekannt, zumindest in früheren Jahren gern mal Spaß mit Alkohol und Freundinnen gehabt zu haben. Ob sie daher in ihrem neuen Film überzeugt, verrät die Kritik.
Die Handlung
Maddie (Jennifer Lawrence“ ist schon über 30 und hält sich noch immer mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Männer wechselt sie oft schneller als Unterwäsche und wenn es doch mal einer länger mit ihr aushält, bereut er das schnell. Auch Gary (Ebon Moss-Bachrach) geht es so, als er Maddies Auto beschlagnahmen muss, weil sie die Grundteuer auf ihr Haus nicht bezahlt hat. Denn der gut gebaute Adonis, den Maddie als ihren Cousin ausgibt, entpuppt sich schnell als neuer Lover, so dass Gary keine Gnade zeigt. Weil Maddie eigentlich als Uber-Fahrerin das meiste Geld verdient, muss dringend ein neues Auto her. Da kommt eine sehr schräge Kleinanzeige gerade recht.
Ein reiches Paar sucht eine Frau, die ihren Sohn Percy (Andrew Barth Feldman) aus seinem Schneckenhaus herausholt und ihm erste sexuelle Erfahrungen ermöglicht. Als Preis loben die Eltern ein gebrauchtes Auto aus. Maddie fackelt nicht lange und bewirbt sich auf den Job. Erst sind Percys Eltern von ihrem Alter abgeschreckt, doch Maddie hat überzeugende Argumente. Und so wirft sich Maddie bald mit Feuereifer in die neue Aufgabe, Percy von seiner Jungfräulichkeit zu befreien. Allerdings muss sie bald feststellen, dass der sensible und leicht schräge Junge ihren Reizen auf die Holzhammermethode nicht so leicht verfällt. Tatsächlich möchte er Maddie besser kennenlernen, bevor er mit ihr Sex will. Doch Maddie rennt die Zeit weg, denn die Steuern werden fällig …
Trailer zeigt nur die halbe Wahrheit
No Hard Feelings ist einer dieser Filme, bei dem man nach Ansicht des Trailers nur die halbe Wahrheit kennt. Denn die Szenen dort stammen alle aus der ersten Hälfte des Films. Der erfüllt den Anspruch zotigen, schlüpfrigen Humors durchaus und sorgt auch für einige Lacher, selbst wenn nicht jeder Gag sitzt. Die erste Stunde erinnert dennoch sehr stark an dir frühen Filme der Farrelly-Brüder wie etwa „Verrückt nach Mary“. Mit übertriebenem Drang, dahin zu gehen, wo es so richtig peinlich wird, arbeitet auch Stupnitzky in den frühen Szenen, schließlich gilt es zunächst, Jennifer Lawrences Charakter Maddie als wenig liebenswerte und durchtriebene Egoistin darzustellen.
Das fällt dem Publikum aber bereits zu Anfang recht schwer. Denn Lawrence ist einfach liebenswert, selbst wenn sie einige fiese Dinge tut. Und das Drehbuch lässt auch bald durchblicken, dass Maddie für ihr Verhalten wohl ihre Gründe hat. Natürlich wird das nicht tiefgehend thematisiert, schließlich ist Nor Hard Feelings eine Komödie und kein Psychogramm. Aber es wird doch deutlich, dass die junge Frau ihre Gründe hat, warum sie ist, wie sie ist und tut, was sie tut. Und dafür nimmt Lawrcence so einiges auf sich. Ob eine skurrile Nacktszene oder anzügliche Bewegungen und Witze, man glaubt der Schauspielerin alles. Was daran liegen mag, dass sie sich seit Beginn ihrer Karriere in Interviews und Talkshows als unfassbar lustige Frau präsentiert hat. Dass sie viel für eine gute Pointe tut, ist also keine Überraschung.
Von Sex-Zoten zu Gefühl
Überraschender dürfte für manche hingegen sein, dass trotz der Farrelly-Attitüde, die Protagonisten möglichst häufig bis ins Schmerzhafte lächerlich zu machen, Stupnitzkys Film nach einer Stunde langsam in einer andere Richtung abbiegt. Und sich von der derben Zotenkomödie in eine deutlich warmherzigere Dramedy verwandelt. Das kommt nicht gänzlich unerwartet, denn dass Maddie keine so schlechte Person ist wie zu Beginn suggeriert, deutet sich an und ihre Entwicklung ist daher auch nachvollziehbar. Jenifer Lawrence bleibt trotz starker Konkurrenz das Rückgrat des Films, hält No Hard Feelings mit ihrem untrüglichen Gespür für das richtige Gesicht, den richtigen Blick und der richtigen Geste im perfekten Moment am Laufen.
Aber auch Andrew Barth Feldman gebührt Respekt dafür, dass er den durchaus spannenden Charakter des Percy mit so viel Leben erfüllt, dass sein Schicksal den meisten Zuschauern nicht egal bleibt. Und die Figur trotz einiger Peinlichkeiten nie die Würde verliert. Als eigentlicher moralischer Kompass der Story fungiert Feldman souverän und lässt das Publikum durchaus die eine oder andere Szene hinterfragen, statt nur für Lacher zu sorgen. Matthew Broderick und Laura Benanti als Helikopter-Eltern haben zwar nur wenige Szenen, die nutzen sie allerdings ebenfalls, um überzeugende Momente zu schaffen. Und so wird No Hard Feelings nach krudem STart doc h noch so etwas wie eine Rom-Com, die allerdings den Mut hat, manche Dinge nicht geschehen zu lassen.
Fazit:
Ein Meilenstein ist No Hard Feelings sicher nicht geworden. Aber Jennifer Lawrence darf hier eindrucksvoll ihr komödiantisches Talent zeigen. Und auch mal dahingehen, wo es wehtut. Regisseur und Mit-Autor Gene Stupnitzky wandelt sichtbar in den Spuren alter Farrelly-Filme, findet zum Ende hin aber immer mehr eine eigene Stimme. Und die erzählt offenkundig lieber anrührende, schöne Geschichten als derbe Zoten. So zerfällt der Film etwas in zwei Hälften. Die erste ist die lustigere, die zweite ist die bessere. Denn auch, wenn die Pointendichte in der zweiten Hälfte sinkt, steigt dafür der emotionale Impact der Figuren. Und damit auch die Qualität und Hintersinnigkeit des Humors.
No Hard Feelings startet am 22. Juni 2023 in den deutschen Kinos.