Filmkritik: Morbius

Mit der Story um den Wissenschaftler Michael „Morbius“ setzt Sony seine Filme aus dem Spider-Man-Universum von Marvel fort, ohne den Wandkrabbler selbst einzusetzen. Stattdessen ist nach „Venom“ in zwei Filmen nun der lebende Vampir aus den Comics an der Reihe, wie Eddie Brock mehr ein Anti-Held als ein waschechter Schurke. Die ersten Kritiken aus den USA waren vernichtend, allerdings lässt sich dort auch zunehmend eine Art binärische Wahrnehmung attestieren, entweder ist ein Film grandios oder totaler Mist, dazwischen gibt es oft nicht mehr viel. Ob das Werk von Daniel Espinoza („Life„) wirklich ein Rohrkrepierer ist oder nicht doch auch gute Seiten hat, klärt die Kritik.

Jared Leto als Morbius
Michael Morbius ist ein brillanter Kopf. Und forscht an einer Heilung für eine seltene Blutkrankheit, die ihn selbst schon als Kind befiel.

Die Handlung

Der begnadete Wissenschaftler Dr. Michael Morbius (Jared Leto) leidet seit seiner Kindheit bereits an einer seltenen Krankheit. Für sich und seinen besten Freund aus eben diesen Kindertagen, dem vermögenden Milo (Matt Smith, „Last Night in Soho„) forscht er fieberhaft nach einen Gegenmittel. Er ist überzeugt davon, dass die Vampirfledermaus die Lösung für eine Heilung in ihren Genen trägt und experimentiert mit Gen-Verschmelzung. Er schafft so genannte Chimären-Zellen, die aus mehr als einer Art bestehen und injiziert sie Testobjekten wie Mäusen. Als eine der Testreihen endlich Erfolg zeigt, kann er es nicht abwarten, den nächsten Schritt zu gehen und verlegt sein Labor auf ein Frachtschiff vor der Küste New Yorks, um mögliche Risiken zu minimieren.

Bei ihm ist seine Kollegin Martine Bancroft (Adria Arjona), ebenfalls eine brillante Ärztin. Die ihm assistiert, als er sich sein Serum selbst verabreicht, um sich zu heilen und den Beweis für die Wirksamkeit seines Mittels zu erbringen. Doch das geht schief. Morbius verwandelt sich in eine Art Vampir, der die gesamte Sicherheitscrew auf dem Schiff tötet. Und Martine nur deshalb nicht anrührt, weil sie bewusstlos auf dem Boden liegt. Als er wieder erwacht, rückverwandelt in einen Menschen, wird ihm sein schreckliches Scheitern klar. Wenn er nicht alle paar Stunden Blut zu sich nimmt, verliert er die Kontrolle über sich und verwandelt sich in das Monster. leider will sein Freund und Geldgeber Milo sich aber mit diesem Scheitern nicht abfinden …

Generisch und mäßig geschrieben

Morbius ist weder der schlechteste Film überhaupt, noch ist er sonderlich gut. Dass der Film auch in einer ganz anderen Frage nicht weiterhilft, wird später noch Thema sein, zuerst einmal zum Film selbst. Jared Leto, oft umstrittener Schauspieler, ist hier nicht das Problem. Seine Darstellung des eigenbrötlerischen, mitunter arroganten, aber dennoch menschenfreundlichen Michael Morbius ist absolut solide und in ein paar Momenten sogar emotional ansprechend. Schwieriger ist da schon Matt Smith, dessen Talente durch eine äußerst mäßig geschriebene Figur weitgehend verschwendet sind. Denn Milo ist absolut unglaubwürdig und in seinem Verhalten in keiner Weise nachvollziehbar. Eine derart langweiligen Schurken gab es lange nicht zu sehen.

Auch Adria Arjona schafft es nicht, aus ihrem Charakter mehr als schmückendes Beiwerk zu machen. Das Drehbuch lässt ihr dazu aber auch nur wenig Gelegenheit. Und Jared Harris ist als reifer Mentor Michaels zwar wie fast immer sehenswert, seine Figur aber nicht mehr als ein Stichwortgeber. Schlimmer als alles, was die Schauspieler verbocken könnten, ist allerdings die Leistung der Special-Effects-Teams. Daniel Espinozas Idee, die schnellen Kämpfe der Vampire durch gelegentlich Ultra-Slow-Motion sichtbarer zu machen ist sicher diskussionswürdig. Was die Bilder dann an computergenerierten Gesichtern zeigen, hingegen nicht, das ist objektiv zu wenig für einen Blockbuster. Es gibt TV-Serien, die das besser hinbekommen.

Adria Arjona
Michaels Kollegin Martine Bancroft unterstützt den jungen Forscher in seinen Bemühungen.

Quo Vadis, Sony?

Zu den oftmals wenig überzeugenden Computertricks kommt dann noch eine generische Handlung. Deren Ausgang ein halbwegs erfahrener Kinogänger nach 20 Minuten kennt. Und der wird auch zwischendurch nicht ein einziges Mal überrascht – der langweilige Plot lässt sich minutiös vorhersagen. Im Gegensatz zu Venom, der durch die ständigen Streitereien zwischen Wirt und Parasit zumindest noch Humor hat, verkauft Espinoza die banale Story auch noch todernst. Und dass viele der besseren Optiken, die Kameramann Oliver Wood einfängt, auch noch an Nolans Batman-Trilogie erinnern, hilft beim Punktesammeln in der Superheldenfan-Zielgruppe auch nicht unbedingt.

Was beim Ansehen des Films aber weitaus mehr beschäftigt, ist die Frage, was Sony mit diesen Filmen bezweckt. Obwohl die Macher noch eine bekannte Figur aus dem MCU in ihr eigenes Film-Universum verpflanzen und nun bereits drei Spider-Universe-Filme gedreht haben (den tollen Animationsfilm nicht mitgezählt), ist nicht erkennbar, wohin das alles führen soll. Morbius hat eine andere Tonalität als Venom und eine Verbindung zwischen beiden ist nicht zu sehen. Als Einzelfilme setzen sie den Sony-Trend fort, alleine aus der Spider-Man-Franchise keinen guten Realfilm machen zu können. Und falls das Ganze jemals in eine Art Sinister Six gegen Spider-Man münden soll, ist die Auswahl der Schurken, die eher tragische Figuren als echte Bösewichter sind, auch nicht nachvollziehbar.

Matt Smith als Milo
Michaels bester Freund Milo, ebenfalls Opfer der Krankheit und großzügiger Spender von Geldern, verliert langsam die Geduld.

Für sich genommen ist Morbius jedenfalls am unteren Ende der durchschnittlichen Superhelden-Filme zu finden. Und eine spätere Verbindung zu anderen Filmen, die diesen Vampir-Horror-Fantasy-Murks vielleicht noch in ein besseres Licht taucht, ist momentan schwer vorstellbar. So kann man sich als Marvelfan kaum wünschen, dass Sony ihren Helden aus dem MCU abzieht, um eigene Projekte zu verwirklichen.

Fazit:

Obwohl Jared Leto in der Titelrolle eine ordentliche Vorstellung abgibt, ist Morbius ein bestenfalls durchschnittlicher Film geworden. Ein schwaches Drehbuch und viele mäßig geschriebene Charaktere lassen nicht mehr als das zu. Dass dann auch noch die Effekte trotz fast zwei Jahre C0rona-Verzögerungszeit, in der man vieles noch hätte besser machen können, so schwach aussehen, ist ein zusätzliches Ärgernis. Und wohin Sony mit diesen Spiderverse-Filmen überhaupt hinwill, ist auch nach dem dritten Eintrag in der Reihe unklar. Schade um die schöne Grundidee und den eigentlich tragischen Charakter, der hier weitgehend auf der Strecke bleibt.

Morbius startet am 31. März 2022 in den deutschen Kinos.

Jared Leto als Vampir
Als Michaels Experimente schiefgehen und er als eine Art Vampir erwacht, will er den Prozess rückgängig machen. Aber geht das überhaupt?