Will Smith

Filmkritik: Emancipation

Die Ohrfeige für Chris Rock war eine Tat, die Will Smith nicht nur in aller Munde brachte, denn so etwas war in der ehrwürdigen Geschichte der Academy Awards noch nicht vorgekommen. Viele munkelten auch, die Attacke auf den Comedian könnte ihn den nächsten Oscar kosten, den er für seinen neuesten Film „Emancipation“ anpeilen würde. Der exklusiv für AppleTV+ gedrehte Film nach einer wahren Geschichte kam deshalb sogar kurz in die US-Kinos. Apple würde mit der Auszeichnung zum Besten Film das Kunststück vom vergangenen Jahr wiederholen, als „CODA“ gewann. Aber ist Antoine Fuquas Sklavendrama nach wahren Ereignissen überhaupt so gut, dass er ins Oscar-Rennen eingreifen kann? Das klärt die Kritik.

Will Smith
Mit einer zarten Geste nimmt Peter Abschied von seiner Familie. Er muss für die Armee jetzt Eisenbahnlinien bauen.

Die Handlung

Es ist das Jahr 1863, wenige Wochen, nachdem US-Präsident Abraham Lincoln die Sklaverei offizielle aufgehoben hat und der Bürgerkrieg bereits im dritten Jahr im Lande tobt. Der Sklave Peter (Will Smith) wird von seinem Herrn für den Bau der Eisenbahn-Linie abgegeben und muss seine Frau Dodienne (Charmaine Bingwa) und seine Kinder verlassen. Im Lager der Eisenbahnbauer gibt es viele Südstaaten-Soldaten und die tuscheln, ohne die lauschenden Sklaven zu bemerken, von den Entscheidungen Lincolns und der Nähe der Nordstaaten-Armee. Und so reift in Peter der Entschluss, durch die Sümpfe Louisanas nach Norden zu fliehen, um die Armee des Nordens zu finden und frei zu werden.

Im richtigen Moment zettelt Peter einen Tumult an, in dessen Verwirrung es ihm und drei weiteren Sklaven gelingt, aus dem Lager in die naheliegenden Sümpfe zu fliehen. Allerdings ist ihnen der ebenso erfahrene wie sadistische Sklavenjäger Fassel (Ben Foster) auf den Fersen. Und treibt die Entflohenen mit zwei weiteren Männern sowie einigen Bluthunden vor sich her. Bald trennt sich das Quartett und Peter versucht alleine, durch die gefährlichen Sümpfe zu kommen, sich gegen hungrige Krokodile und Schlangen zu verteidigen. Doch Fassel sieht es als eine Art heilige Pflicht an, den Sklaven nicht entwischen zu lassen. Und so kommt es tief in den Sümpfen zum tödlichen Duell …

Farblose Gemälde

Die erste Frage, die dem Publikum nach wenigen Augenblicken durch den Kopf schießen dürfte, lautet: Ist das ein Schwarz-Weiß-Film? Denn Regisseur Antoine Fuqua entsättigt seine Bilder derart stark, dass manche Aufnahmen tatsächlich so aussehen. Und der Fokus umso stärker auf wichtigen Farben liegt, wie dem blutigen Rot, das in Emancipation eine große Rolle spielt. Allerdings nutzt Fuqua hier nicht die grellen Kontraste wie das in „Sin City“ getan wurde, sondern setzt auf zarte Pastellfarben, die aus der grauen Masse dennoch stark genug hervorstechen. Die Optik, die Kameramann Robert Richardson (mehrfacher Oscar-Gewinner) hier einfängt, ist in der Tat spektakulär und wirkt in den besten Momenten wie die umwerfenden Aufnahmen in „Roma“.

Es sind Bilder wie Gemälde, in denen an verschiedenen Orten gerade Dinge passieren, nicht nur in der Mitte. Zusammen mit einer wechselnden Tiefenschärfe schafft Richardson Momente, die sich ins Gedächtnis brennen. Und die zwischen der urwüchsigen Schönheit der Sumpflandschaften samt wolkigem Himmel und den Grausamkeiten, zu denen Menschen fähig sind, immer wieder hin- und herschalten. Schönheit und Hässlichkeit geben sich in Emancipation die Klinke in die Hand. Dazu passen die Leistungen der beiden Hauptdarsteller Will Smith und Ben Foster. Wenn die beiden aufeinandertreffen, versteht man, warum der Film früh für Oscar-Würden gehandelt wurde.

Emancipation
Mit einigen Leidensgenossen kann Peter den Soldaten entkommen – vorerst.

Wenig originelle Story

Das Drehbuch hingegen kann mit diesem Spiel nicht mithalten. Denn die Botschaften und Erklärungen, die William N. Collage hier aussendet, sind deutlich flacher als das, was die Schauspieler zu bieten haben. So erzählt Fosters Figur Fassel, wie er vom Freund der Sklaven zu deren Jäger wurde. Und sein Blick sagt dabei viel mehr als der Text, den er spricht. Denn der ist leider alles andere als tiefsinnig oder originell. Ähnlich ergeht es dem Publikum mit der Rolle von Will Smith, die einen tatsächlich existierenden Mann namens Gordon nachempfunden wurde. Smith spielt die Rolle mit allem, was er hat, dennoch erfährt man so gut wie Nichts über den Charakter, wie er wurde, wie er ist, und was in seinem Inneren wirklich vorgeht. Abgesehen von seinem Wunsch, seine Familie wiederzusehen.

Ein Vergleich mit Steve McQueens „12 Years a Slave“ drängt sich auf, ebenso zu Barry Jenkins‘ Serie „The Railroad Underground“. Beide verhandeln wichtige Aspekte des Themas besser als Actionspezialist Fuqua. Der sorgt zwar für furiose Verfolgungsjagden und spannende Momente in seinem historischen Survival-Thriller, über die Menschen hinter dem unmenschlichen System aber erfährt der Zuschauer nichts. Alle Südstaatler waren rassistische Sadisten. Mehr hat Fuquas Film letztlich nicht zu sagen. Das mag man so sehen oder nicht, zu glaubwürdigen Figuren macht das kaum jemanden im Film. Selbst Fassel bleibt ein eiskalter Killer, der sich im Recht fühlt und darüber hinaus offenbar nichts. Für einen interessanten Bösewicht ist das etwas wenig.

Ben Foster
Denn der grausame Sklavenjäger Fassel heftet sich an ihre Fersen.

Erst spät im Film erfährt das Publikum, warum die Figur des Peter überhaupt Bekanntheit erlangte. Denn erst dann entsteht das Foto von seinem unfassbar vernarbten Rücken, der von etlichem Misshandlungen zeugt. Dieses Foto zeigte damals klar auf, dass die Behauptungen der Südstaaten, den Sklaven würde eine ordentliche Behandlung zuteil, ein Ammenmärchen war. Und ging um die Welt. Noch heute ist es eines der bekanntesten Zeugnisse der damaligen Zeit. Dass Fuqua und Smith diesem Mann nun ein filmisches Denkmal setzen, ist ehrenhaft. Aber diese Verehrung geht mit einem Pathos einher, der in einigen Szenen deutlich zu dick aufgetragen ist. Kamera und Schauspieler, diese Oscar-Nominierungen sind denkbar, das Drehbuch hingegen hat leider keine Auszeichnung verdient.

Fazit:

Obwohl Will Smith in Emancipation eine überzeugende Vorstellung gibt und er mit Ben Foster einen kongenialen Partner gefunden hat, bleibt der Film im Vergleich zu anderen thematischen Beiträgen von schwarzen Filmemachern ein wenig hinter den Erwartungen zurück. Kameramann Robert Richardson kleidet die Story zwar in brillante Bilder, die ein wenig an Alfonso Cuarons Meisterstück Roma erinnern, aber der Inhalt fällt gegenüber der Optik deutlich ab. Regisseur Antoine Fuqua inszeniert hier einen Survival-Thriller, der zwar während der Zeit der Sklaverei spielt, zu dem Thema aber letztlich nichts wirklich Neues zu sagen hat. Aufgrund der Schauspieler und der Optik gibt es aber dennoch eine Empfehlung.

Emancipation startet am 9. Dezember 2022 bei AppleTV+.

Emancipation
Der Kampf für die Freiheit ist möglich! Peter will nun seine Familie befreien.