Midsommar

Filmkritik: Midsommar

Mit „Hereditary“ schuf Regisseur und Drehbuchautor Ari Aster im vergangenen Jahr einen viel diskutierten und von etlichen Kritikern hoch gelobten Horrorfilm – und das als Debütant. Nun legt Aster mit „Midsommar“ den schwierigen, zweiten Film vor und bleibt im gleichen Genre. Allerdings entfernt sich der Regisseur mit diesem Film optisch so weit wie nur möglich vom düsteren und dunklen Erstling. Ist sein neues Werk trotz sonnendurchfluteten Bildern genauso gruselig geworden?

Drehbuch und Regie in Personal-Union – das ist im Horrorsektor nicht unbedingt selten. Großmeister wie John Carpenter oder Wes Craven haben regelmäßig so gearbeitet. Auch George A. Romero verfilmte meist seine eigenen Scripts. Ari Aster wandelt da also in großen Fußspuren. Hereditary gilt für viele Horrorfans als bester Genre-Film 2018, die Latte für Midsommar liegt entsprechend hoch. Kann Aster nur gut 18 Monate nach seinem letzten Film auch mit seinem neuen Werk die Fans abholen?

Midsommar
Zuerst werden die Neuankömmlinge von den Dorfbewohnern herzlich begrüßt.

Midsommar: Die Handlung

Eigentlich will sich Christian (Jack Reynor) schon lange von Dani (Florence Pugh) trennen. Aber weil die junge Frau in den vergangenen Monaten einige herbe Schicksalsschläge ertragen musste, bringt er es nicht übers Herz. Dennoch ist all seinen Freunden klar – die Beziehung ist längst am Ende. Daher reagieren sie auch verwundert auf seine Ankündigung, Dani mit auf einen gemeinsamen Trip nach Schweden nehmen zu wollen, der eigentlich ohne sie geplant war. Ihr Kumpel Pelle (Vilhelm Blomgren) hatte sie zu einem Fest in seinem Dorf eingeladen.

Als die Gruppe im Dorf ankommt, werden sie freundlich begrüßt, allerdings kreisen auch jede Menge Drogen, was für die Bewohner ganz alltäglich zu sein scheint. Und bald fallen Dani und Christians Kumpel Mark (Will Poulter) weitere seltsame Dinge auf, die hier vor sich gehen. Die jungen Leute müssen feststellen, dass das gesamte Dorf sich regelmäßig archaisch anmutenden Ritualen unterwirft, um die Gemeinschaft zu stärken. Doch da ist es für ein Entkommen bereits zu spät. Dani, Christian und die anderen werden zum Teil des Fests …

Midsommar: Optisch wieder sehenswert

Ari Aster beweist mit seinem zweiten Film, dass die optische Brillanz seines ersten Films kein Zufall war. Wieder gelingen ihm Bilder, die verstören, obwohl er bei Midsommar auf jegliche Schattenspiele und dunkle Ecken verzichtete, die die Atmosphäre von Hereditary so maßgeblich prägten. Und zeigt, dass auch am hellen Tag unheimliche und atmosphärisch dichte Bilder entstehen können. Kälter war die gleißende und in diesem Fall kaum je verschwindende Sonne selten. Asters Kameramann Pavel Pogorzelski leistet erneut beeindruckende Arbeit.

Inhaltlich hat sich der Regisseur beim ersten Film an Klassikern wie „Rosemary’s Baby“ orientiert, den er auch als prägendes Erlebnis nennt. Diesmal scheint er hingegen mehr vom britischen Kult-Klassiker „The Wicker Man“ aus den 70er Jahren inspiriert worden zu sein – die Parallelen zum sehr sehenswerten Horrorfilm mit Christopher Lee sind mehr als deutlich. Qualitativ kann Aster allerdings mit dem großen Vorbild erneut nicht ganz mithalten. Denn er ist als Regisseur klar stärker denn als Autor – das zeigt auch Midsommar wieder klar.

Midsommar
Doch schon bald erleben Christian und Dani das absolute Grauen.

Viel andeuten, wenig erklären

Denn Aster macht früh klar, dass die Dorfbewohner keine guten Absichten mit den Neuankömmlingen verfolgen – und lässt sein Publikum dennoch insgesamt zum Teil quälend langatmige 147 Minuten warten, bis er seine Geschichte endlich zu Ende erzählt hat (um noch einen Director’s Cut mit 171 Minuten nachzulegen). Wo Wicker Man mit subtilen Hinweisen und cleveren Details das Gefühl der Beklemmung und Gefahr stetig nach oben schraubt, wiederholt Aster wieder und wieder, was er seinen Zuschauern bereits nach 30 Minuten andeutete. Davon wird es aber nicht gruseliger.

Zudem braucht er lange, um seine Protagonisten einzuführen, obwohl vieles von dem, was er dabei zeigt, für die weitere Handlung kaum oder gar nicht von Bedeutung ist. Aster errichtet hier potemkinsche Dörfer, denn hinter seiner aufgebauten Fassade steht letztlich nichts. Schon Hereditary bestach eher durch Form als durch Inhalt, bei Midsommar ist dieses Missverhältnis noch deutlicher ausgeprägt. Denn wie in seinem Debüt sind seine Figuren auch diesmal seltsam passiv, wollen Offensichtliches nicht wahrhaben und wehren sich kaum gegen ihr Schicksal.

Midsommar: Überzeugend gespielt

Das heißt nicht, dass Aster nicht einige wirklich unheimliche Momente gelingen. Denn die gibt es in Midsommar durchaus. Aber vieles bleibt komplett unerklärt und so wird der geheimnisvolle Kult eben nicht stetig bedrohlicher, sondern irgendwann einfach nur noch langweilig, da der Zuschauer über die Motive so gut wie nichts erfährt. Eine diffuse Bedrohung kann spannend sein, wenn sich die Helden des Films entsprechend verhalten. Aber eine diffuse Bedrohung mit passiven Figuren – das ist leider bald langweilig und auch ein wenig hohl.

Seher ansehnlich sind hingegen – wie meistens – die Leistungen von Florence Pugh und Jack Reynor. Beide haben ihre durchaus ambivalenten Charaktere, die sicher nicht jeder mögen wird, jederzeit im Griff. Auch die anderen Darsteller sind überzeugend, fallen aufgrund ihrer recht eindimensional geschriebenen Rollen aber nicht sehr auf. Ob die Story, die natürlich aufgrund ihrer Rätselhaftigkeit und fehlender Informationen suggeriert, sie habe eine Art sphärischer Substanz, tatsächlich ein großer Wurf ist, kann wohl nur jeder für sich selbst beurteilen.

Wer Hereditary für die Horror-Offenbarung 2018 gehalten hat, kann sicherlich auch ohne Bedenken in Midsommar gehen. Denn zwischen beiden Filmen gibt es trotz völlig unterschiedlicher Optik auch viele Gemeinsamkeiten. Wer mit Horror aber eher Terror und Adrenalin verbindet und mit „Halloween“ oder „Nightmare on Elm Street“ mehr anfangen kann als mit Filmen wie „The Others“, der wird bei Midsommar vermutlich nicht oder kaum auf seine Kosten kommen.

Fazit:

Zu lang, zu geschwätzig, zu wenig echter Horror – so lässt sich Midsommar zusammenfassen. Manch einem wird der ruhige, atmosphärische Aufbau der Geschichte sicher zusagen, aber vor allem Fans der härteren Gangart werden hier nicht viel finden, das ihnen gefällt. Tolle Schauspieler und ein paar wirklich hundsgemeine Szenen hat Midsommar aber ebenso zu bieten wie durchgehend wunderschön, aber auch oft verstörende Bilder. Viel gekonnter Style, aber wenig Substanz dahinter.

Midsommar startet am 26. September 2019 in den deutschen Kinos.

Midsommar
Als die Gäste verstehen, was die Bevölkerung des Dorfes ihnen zugedacht hat, ist es längst zu spät.