Als Disney 1964 „Mary Poppins“ in die Kinos brachte, hatte der Mäusekonzern ohne es zu wissen, einen unsterblichen Klassiker des Kinderfilms und des Musicals geschaffen. Der Film räumte fünf Oscars ab, eine Fortsetzung blieb aber aus. Denn P.L. Travers, die Autorin der Bücher um das magische Kindermädchen, mochte den fertigen Film nicht und untersagte alle weiteren Versuche, aus ihren Büchern noch Fortsetzungen zu machen. Nun kommt doch eine – ist sie gut?
Der Streit zwischen P.L. Travers und Walt Disney war legendär und der Briefwechsel dazu ist bis heute erhalten geblieben. Sogar ein Film – „Saving Mr. Banks“ – über die Dreharbeiten von Mary Poppins mit Emma Thompson und Tom Hanks entstand dazu. Nun sind die Rechte an der Figur offenbar erloschen, denn Disney kündigte schon 2015 an, eine Fortsetzung zu einem ihrer erfolgreichsten Filme überhaut drehen zu wollen. Jetzt kommt er in die Kinos. Kann er der enormen Erwartungshaltung von Fans aus aller Welt standhalten?
Mary Poppins‘ Rückkehr: Die Handlung
London der frühen 1930er. Michael (Ben Wishaw) und Jane Banks (Emily Mortimer) sind längst erwachsen. Michael hat selbst drei Kinder, aber seine Frau verstarb kürzlich. Zu dieser ohnehin trüben Stimmung kommt, dass die Bank seinen Kredit kündigt und er in kurzer Zeit eine Menge Geld auftreiben muss, um das elterliche Haus nicht zu verlieren. Eine fast hoffnungslose Situation also – und damit Zeit für einen Auftritt der magischem Mary Poppins (Emily Blunt), die Michael und Jane bereist einmal betreute, als die beiden Kinder waren.
Obwohl Michaels Kinder Annabel, John und Georgie zuerst alles andere als begeistert von der neuen Nanny sind, die seit ihrem Verschwinden vor 20 Jahren um keinen Tag gealtert ist. Aber bald merken auch die jungen Banks-Sprösslinge, um was für eine außergewöhnliche Person es sich bei Mary Poppins handelt. Denn ein Ausflug in die Tiefen der Badewanne oder in den aufgemalten Park auf einer Porzellan-Schale belehren die Kinder schnell eines Besseren. Und auch Lampen-Anzünder Jack (Lin-Manuel Miranda) ist schnell Feuer und Flamme …
Mary Poppins‘ Rückkehr: Alles beim Alten
Wenn man Disney bei der Fortsetzung ihres Klassikers einen Vorwurf machen kann, dann ist es der, überhaupt nichts riskiert zu haben. Mary Poppins‘ Rückkehr ist eine derart sichere Bank, weil der Konzern zwar offiziell eine Fortsetzung ankündigte, insgeheim aber ein Remake drehen ließ. So gut wie alle Szenen, die im neuen Film zu sehen sind, haben ihre Entsprechung im Original. Aus der Kreidezeichnung wird hier die Bemalung einer Schale, aus den singenden und tanzenden Schornsteinfegern werden hier Lampenanzünder. Aber: neu ist da nichts.
Und auch die Songs von Marc Shaiman klingen zwar erstaunlich zeitlos und gar nicht nach 2018, können aber den Evergreens wie „mit ’nem Löffelchen Zucker“ oder „Chim Chim Cher-ree“ nicht das Wasser reichen. Wer also das Original liebt und sich mit einer Fortsetzung des Stoffes ohnehin nicht wirklich anfreunden konnte, der findet hier reichlich Munition, um ihn nicht zu mögen. Allerdings bietet er auch vieles, was Fans des Originals durchaus gut gefallen könnte. Angefangen bei seiner Hauptdarstellerin.
Mary Poppins‘ Rückkehr: Emily Blunt überstrahlt alles
Die gebürtige Londonerin verkörpert die Mary Poppins so selbstverständlich, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Dabei bleibt sie genau in der Vorgabe des Originals, in dem Julie Andrews oscarprämiert die Rolle spielte. Die hatte im Vorfeld eine Mitwirkung am Film auch kategorisch abgelehnt, um Emily Blunt nicht die Schau zu stehlen. Und Lin-Manuel Miranda, momentan angesagter Sänger und Komponist in den USA, kann in seiner Rolle als Jack in den Fußstapfen von Dick van Dyke als Bert wandeln. Der sich trotz seiner 93 Jahre den Cameo aber nicht nehmen ließ.
Die Frage, die sich Disney eher stellen sollte als den Erfolg bei den Fans des Originals ist, ob Mary Poppins‘ Rückkehr bei der Kernzielgruppe der Kinder sonderlich gut ankommt. Denn der Film wirkt bedingt durch seine Kopien der guten Szenen aus dem ersten Film wie aus der Zeit gefallen und kann mit den heutigen Sehgewohnheiten der Sechs- bis Zehnjährigen nicht unbedingt dienen. So kann es durchaus sein, dass der Mutter der Kinobesuch diesmal besser gefällt als der Tochter. Denn was für eine Generation der heute 40-jährigen zeitlos scheint, könnte auf ein junges Publikum angestaubt wirken.
Daher ist der Film letztlich ein zweischneidiges Schwert. Die Muscialnummern sind toll gesungen und getanzt, der Charme von Emily Blunt unbestreitbar. Außerdem ist die Ausstattung einfach ein Gedicht und verströmt mit dem künstlich-warmen Look eine ganz eigene Magie. Dennoch wirken viele Momente im Film wie schon einmal erlebt – und das kann sowohl neue wie auch alte Fans der Bücher und des Vorgängers möglicherweise abschrecken. Vielleicht wäre ein wenig mehr Risiko bei Erzählweise und Story doch eine gute Idee gewesen.
Fazit:
Emily Blunt ist als neue Mary Poppins zum Niederknien gut und über jeden Zweifel erhaben. Das kann man aber nicht von allen Aspekten des Films sagen. Mit sehr wenig Mut zum Risiko schickt Disney nach 54 Jahren mit Mary Poppins‘ Rückkehr eine Fortsetzung in die Kinos, die sich so wenig vom Original unterscheidet, dass die Frage nach der Daseinsberechtigung des Films – abgesehen vom Geld verdienen – durchaus nachvollziehbar ist. Wer aber einfach nur mehr Poppins-Magie möchte, der macht mit dem Kinobesuch nichts falsch.
Mary Poppins‘ Rückkehr startet am 20. Dezember 2018 in den deutschen Kinos.