Jojo Rabbit

Filmkritik: Jojo Rabbit

Er ließ eine schräge Vampir-WG auf die Menschheit los, verpasste dem Untergang von Asgard in „Thor: Tag der Entscheidung“ einen humorigen Touch und drehte jetzt sogar eine Tragikomödie über die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs in einer deutschen Kleinstadt – mit sich selbst als Adolf Hitler. Die Rede ist vom neuseeländischen Regisseur Taika Waititi. Gelingt dem notorischen Spaßvogel, der auch das Drehbuch schrieb, tatsächlich ein herausragendes Werk oder geht er mit „Jojo Rabbit“ zu weit? Das klärt die Kritik.

Es gibt nicht viele Filmemacher, die es gewagt haben, den Terror der Nazis zum Thema eines humorvollen Films zu machen. Da gibt es „Sein oder Nichtsein“ von Ernst Lubitsch, „Das Leben ist schön“ von Roberto Benigni – aber dann? Dann wird es schon knapp mit weiteren Beispielen. Nun hat Taka Waititi sich an die Verfilmung des Romans „Caging Skies“ von Christine Leunens gemacht, der sich um einen Jungen in den Fängen der Nazi-Ideologie dreht. Ist das wirklich sehenswert oder hat Waititi mit seiner Adaption dem Buch keinen Gefallen getan?

Jojo Rabbit
Nach seinem Unfall mit einer Granate kehrt Jojo wieder zu seiner Mutter Rosie zurück, doch Fräulein Rahm ist misstrauisch.

Jojo Rabbit: Die Handlung

Der 10-jährige Jojo (Roman Griffin Davis) ist eine fanatischer Hitlerjunge. Und führt regelmäßig Gespräche mit seinem imaginären Freund Adolf Hitler (Taiki Waititi). Als er sich bei einer Waffenübung mit Granaten besonders hervortun will, wird er schwer verletzt und liegt lange im Krankenhaus. Narben im Gesicht bleiben ihm für immer. Als er wieder nach Hause kommt, in dem nach der Abkommandierung seines Vaters an die Front und dem Tod seiner Schwester nur noch Mutter Rosie (Scarlett Johansson) lebt, erlebt er eine Überraschung.

Rosie, die heimlich gegen die Nazis arbeitet, hat im oberen Stockwerk hinter einer Holzvertäfelung die 15-jährige Elsa versteckt hält – eine Jüdin. Weil Jojo durch seine Nazi-Kontakt weiß, dass alle Juden Dämonen sind, hat er zunächst Angst und überlegt dann, wie er den unerwünschten Gast loswerden kann. Doch obwohl Adolf immer wieder gute Ideen dafür hat, klappt es nie. Und schließlich beginnt Jojo, sich mit Elsa anzufreunden. Und versteht langsam, dass möglicherweise nicht alles stimmt, was er in der Schule über Juden gelernt hat …

Jojo Rabbit: Kriegshorror aus Kindersicht

Eigentlich kann man mit einer Komödie über Nazideutschland nur falsch liegen. Das Thema ist derart schwierig und heikel umzusetzen, dass wohl nie ein Deutscher und auch kaum ein Europäer auf die Idee kommen würde, darüber eine Tragikomödie zu machen. Und so brauchte es einen Neuseeländer, der sich traute, das Projekt zu stemmen. Und auch gleich noch Drehbuch und Nebenrolle zu übernehmen. Offenbar ist der Abstand zwischen Neuseeland und Deutschland groß genug, um einen Film zu machen, der ohne den typischen Ballast daherkommt.

Aus den Augen eines Kindes erzählt Waititi von den großen Lügen, die zum Ende des Krieges hin nur noch die allertreuesten Hitler-Verehrer für bare Münze nehmen, wie Fräulein Rahm (Rebel Wilson). Aber Hauptmann Klenzendorf (Sam Rockwell) glaubt die Propaganda-Sprüche ebensowenig wie Jojos Mutter und andere Einwohner des Dorfes. In der Spiegelung der Erwachsenen in Jojos Sicht zeigt Waititi die kleinen und großen Helden eines Krieges, der weder zu gewinnen noch für viele zu überleben war. Waititi wird dabei aber nie gallig, sondern arbeitet mit anderen Mitteln.

Jojo Rabbit
Als Jojo eines Tages die junge Jüdin Elsa in einem Versteck in seinem Elternhaus entdeckt, ändert das sein Leben.

Jojo Rabbit: Lacher und Tränen

Schon die Entwicklung von Jojo, großartig gespielt von Roman Griffin Davis, zeugt davon. Zu Beginn noch fanatisch hitlertreu, wird der Junge zwar durch tragische Schicksalsschläge gehärtet. Er behält trotz allem seine kindliche Fähigkeit, instinktiv richtig von falsch zu unterscheiden. Und so wandeln sich auch Jojos Gespräche mit dem imaginären Adolf. Der Junge emanzipiert sich Stück für Stück von den Ideen des Führers und fällt schließlich seine eigenen Entscheidungen aufgrund von Fakten. Hitlers Reaktionen drauf sind meist brüllend komisch.

Dennoch lauert bei Waititi die Tragödie hinter jeder Ecke. So lässt er den Zuschauer nie vergessen, in welchem tödlichen Umfeld sich hier alle Protagonisten bewegen, wie schnell es mit der scheinbaren Idylle vorbei sein kann. Und das macht Jojo Rabbit auch zu einem sehr spannenden Film. Und für das Publikum ist das doppelt schwer zu ertragen, weil sich Jojo der Gefahr gar nicht bewusst ist, in der über lange Zeit des Films schwebt, der Zuschauer aber sehr wohl. Das sorgt für Szenen, in denen man den Atem anhält, weil man so sehr um diesen 10-jährigen fürchtet.

Die Virtuosität, mit der Waititi in seiner satirischen Abrechnung mit den Nazis dabei alle Emotionen erzeugt, ist eine neue Qualität des Regisseurs, Autors und Schauspielers, die er in seinen vorherigen Werken so noch nicht zeigte. Humor traute ihm das Publikum jederzeit zu, ergreifende und traurige Momente hingegen nicht. Dass Jojo Rabbit als bester Film und für das beste adaptierte Drehbuch Oscar-nominiert wurde, ist daher nur zu verständlich und verdient. So mutig hat lange kein Film den Nazis ihre Lächerlichkeit vor Augen gehalten.

Fazit:

„Dieser Film wird eine Menge Rassisten anpissen und das macht mich sehr glücklich“, sagte Regisseur Taika Waititi in einem Interview über  Jojo Rabbit. Schon dafür dürfte man den Film mögen. Aber Waititi liefert sehr viel mehr Argumente dafür, sich seine satirische Tragikomödie anzusehen. Neben den Schauspielern, die allesamt großartig agieren, ist das vor allem der Tonfall, der keinen Deut anders sein dürfte, als er ist, um das ganze Ausmaß des Irsinns zu zeigen. Dabei ist Jojo Rabbit blendend unterhaltsam, statt bleischwer.

Jojo Rabbit startet am 23. Januar 2020 in den deutschen Kinos.

Jojo Rabbit
Als die Gestapo seiner Mutter und ihm einen Besuch abstattet, versteht Jojo nicht, welche Bedrohung das darstellt.