High Society

Filmkritik: High Society

Reiches Mädchen, armes Mädchen: In Anika Deckers zweitem Film nach „Traumfrauen“ werden Babys nach der Geburt versehentlich vertauscht. Zu welchen gesellschaftlichen und amorösen Verwicklungen das führt, zeigt „High Society“ mit deutscher Starbesetzung.

Haben die im Paket unterschrieben? Mit Jannis Niewöhner und Emilia Schüle ist nicht nur das Traumpaar aus „Jugend ohne Gott“ in High Society dabei, auch Jannik Schümann und Iris Berben waren dort zu sehen. Hat sich dieses Quartett ein ebenso gutes Nachfolgeprojekt ausgesucht? Kann die deutsche Komödie gegen den gleichnamigen Klassiker (dt. „Die oberen Zehntausend„, im Original „High Society“ bestehen?

High Society
Familie von Schlacht samt PR-Berater ist von der Nachricht über vertauschte Babys nicht begeistert.

High Society: Die Handlung

Anabel von Schlacht (Emilia Schüle) ist die Tochter einer megareichen Familie, deren Oberhaupt im Koma liegt. Daher bleibt es an der Mutter (Iris Berben) hängen, fürs standesgemäße Auftreten der Sippe auf dem gesellschaftlichen Parkett zu sorgen. Anabel ist das typische reiche, verwöhnte Gör, das mehr über Kreditkarten und Modeschöpfer weiß als über das normale Leben. Doch das soll sich ändern: Als nach vielen Jahren herauskommt, dass Anabel als Baby vertauscht wurde und die leibliche Tochter der Supermarkt-Kassiererin Carmen Schlonz (Katja Riemann) ist, ändert sich das Leben der beiden jungen Frauen. Während Aura Schlonz (Caro Cult) sehr bald die Vorzüge des Jet-Set-Lebens genießen lernt, muss sich Anabel mit den Niederungen des Lebens vertraut machen. Gut, dass Auras abgelegter Ex-Freund, der Polizist Yann (Jannis Niewöhner), ein mächtig netter Kerl ist und ihr bei den ersten Schritten in ihr neues Dasein zur Seite steht …

High Society: Klischees statt Figuren

 Wer jetzt noch nicht ahnt, wie dieser Film endet, hat wohl noch nicht viele Komödien gesehen. Überraschend ist hier nämlich gar nichts. Regisseurin und Drehbuchautorin Anika Decker lässt kein doofes Klischee aus, das man bei dem Thema erwarten muss. Die überkandidelte Mutter, eine sehr undankbare Rolle für Iris Berben, das neureiche Mädchen, der schwule PR-Berater (Rick Kavanian) – das hat man schon oft gesehen – meist besser. Während Niewöhner und Schüle wenigstens ein klein wenig Charakter bekamen, laufen ansonsten nur Abziehbilder durch den Film. Rühmliche Ausnahme: Katja Riemann. Nachdem sie in den „Fack ju Göthe“-Filmen als praktisch veranlagte Schul-Rektorin schon zu überzeugen wusste, spielt sie in High Society als friedensbewegte, sozialistische Kassiererin, die ihren Kunden schon Mal klar macht, dass dieses Shampoo durch Tierversuche entstand, zwar auch eine Ansammlung von Klischees – aber wie! Die einzigen Momente, die in dieser Komödie wirklich witzig sind, sind alle mit ihr. Riemann reißt mühelos jede Szene an sich und bleibt der Lichtblick in einem sonst sehr mäßigen Film.

Denn Anika Decker schien sich nicht entscheiden zu können, was sie mit ihrem Drehbuch nun tun wollte. Die High Society auf die Schippe nehmen? Oder doch Missstände im Land kritisieren? Eine Liebesgeschichte erzählen? Oder sich doch lieber über alle Figuren lustig machen? Auch die im letzten Drittel plötzlich auftauchende „50 Shades“-Karikatur bringt keine Erleuchtung bezüglich des eigentlichen Film-Themas.

High Society
Anabels leibliche Mutter und ihr Lebensgefährte kämpfen an allen Fronten für eine bessere Welt.

Keine Rolle, keine Chance

Die beiden Jungstars Niewöhner und Schüle geben sich hier zwar alle Mühe, ihre gleichzeitig verschrobenen und doch flachen Figuren zum Leben zu erwecken, aber gegen so manche Szene im Drehbuch kommen auch sie einfach nicht an. Und so bietet High Society etwas, dass noch schlimmer ist als ein vorhersehbares Filmende – eines, das dem Zuschauer völlig egal ist, weil er für keine der Figuren Gefühle entwickelt hat.

Das liegt auch daran, dass der Story oft der rote Faden fehlt und sie für einen vermeintlich guten Gag ganze Szenen einbaut, die eigentlich niemand braucht. Hier hat es sich Decker definitiv etwas zu einfach gemacht und zu wenig Sorgfalt in die Charakterzeichnung gelegt. Das holt auch der durchaus vorhandene Charme der guten Schauspieler nicht wieder auf. High Society schaut sich so weg, hat ein paar Lacher und die eine oder andere niedliche Szene. Ein durchgehend unterhaltsamer Film mit gutem Plot, glaubhaften Figuren und einer gewissen Raffinesse ist er aber nicht geworden. Daher hat er mit dem Klassiker von 1956, in dem Gracy Kelly, Frank Sinatra, Bing Crosby und Louis Armstrong gezeigt haben, wie es geht, leider so gar nichts zu tun.

Fazit:

Leider nicht viel, was Regisseurin und Autorin Anika Decker ihrem Publikum da präsentiert. Maue Figuren, schwacher Plot, wenig zündende Gags – da fehlt mehr als nur Feinschliff. Glühende Fans von Jannis Niewöhner oder Emilia Schüle kommen aber wenigstens optisch auf ihre Kosten. Und Katja Riemann allein ist fast das Kinoticket wert. Aber eben nur fast. Kein Highlight des deutschen Films in diesem Jahr.

High Society läuft ab dem 14. September in den deutschen Kinos. 

High Society
Bei Anabels Freundinnen kommt die neue von Schlacht glänzend an – Anabels plötzliche Armut hingegen nicht.