Der Goldene Handschuh

Filmkritik: Der Goldene Handschuh

Als neuen Skandalfilm wiesen manche Feuilletons Fatih Akins Verfilmung von Heinz Strunks Roman „Der Goldene Handschuh“ aus. Die wahre Geschichte des Hamburger Frauenmörders Fritz Honka, der zwischen 1970 und 1975 vier Frauen ermordete, zerstückelte und sie in seiner Wohnung versteckte, soll explizite Bilder zeigen. Aber stimmt das? Ist der Film tatsächlich der ultra-brutale Slasher-Film, den einige darin sehen. Und: Ist die Adaption eine gute Umsetzung des Buches?

Der Hamburger Filmemacher Fatih Akin gehört sicher zu den besten Regisseuren Deutschlands. Zuletzt machte er mit dem Neonazi-Thriller „Aus dem Nichts“ Furore, mit dem er Diane Kruger auch in Deutschland endgültig zum Star machte. Aber schon 2004 gelang ihm mit „Gegen die Wand“ ein preisgekröntes Drama. Was fängt ein Regisseur wie Akin mit der wahren Geschichte eines Serienkillers an, der innerlich und äußerlich gleichermaßen entstellt war?

Der Goldene Handschuh
1970: Fritz Honka lädt Teile seines ersten Opfers auf einem verlassenen Grundstück ab – und kommt davon.

Der Goldene Handschuh: Die Handlung

1970 in Hamburg. Fritz Honka (Jonas Dassler) vergewissert sich, dass der leblose Körper einer Frau in seinem Bett tatsächlich tot ist. Denn versucht er, die Leiche in einen Müllbeutel zu bugsieren, was aber scheitert. Bevor er zur Säge greift, schaltet Honka seinen Plattenspieler ein und lässt Adamos „Es geht eine Träne auf Reisen“ in voller Lautstärke durch die kleine Dachwohnung schallen. Wenig später schleppt der kleine, entstellte Mann einen Koffer mit Leichenteilen auf ein verlassenes Grundstück in der Nähe und lädt seine grausige Fracht dort ab.

Vier Jahre später sitzt Fritz „Fiete“ Honka in seiner Stammkneipe, dem „Goldenen Handschuh“, und trinkt mit anderen Stammgästen, die außer Alkohol und einer Mischung aus Sympathie und Abscheu von- und zueinander nichts mehr haben, was das Leben lebenswert macht. Und doch träumt Honka immer noch von einer Frau, die ihm hörig ist und seinen Sexualtrieb stillen kann. Ein neuer Job als Nachtwächter in einer Firma scheint ihn tatsächlich von seiner Mordlust abzubringen. Doch auch das ist nur eine Unterbrechung der Gewaltspirale …

Der Goldene Handschuh: Zu hart fürs Publikum?

Eine Freigabe „ab 18 Jahren“ kassierte Fatih Akin für Der Goldene Handschuh – und das verwundert nicht. Denn es gibt zwar keine explizite Darstellung der Verstümmelung von Leichen, wie manch eine Kritik den Lesern weismachen will. Aber es ist harte, tödliche Gewalt gegen Menschen zu sehen – und das bedeutet bei der FSK in aller Regel die höchste Einstufung. Dennoch sind diese Szenen für Horror- und Thriller-Fans – oder echte Gorehounds – optisch keineswegs eine ultrabrutale Zumutung. Da gibt es deutlich Schlimmeres.

Akin entscheidet sich dafür, diese Gewalt fast dokumentarisch einzufangen, verändert selten die Perspektive und überlässt den sexuellen Bereich von Honkas Tun weitgehend der Phantasie des Publikums. Wenn Honka mehrfach den Kopf einer Frau hart auf den Wohnzimmertisch schlägt und der Blutfleck mit jedem Mal ein Stückchen größer wird, sind das Bilder, die den Zuschauer eigentlich bis ins Mark treffen sollten. Dass sie es oft nicht tun, liegt nicht an Jonas Dasslers herausragendem Schauspiel – sondern an einer Entscheidung des Regisseurs.

Der Goldene Handschuh
Schlüsselmoment: Kollegin Helga und deren Mann bieten dem gerade trocken gewordenen Fritz Alkohol an.

Der Goldene Handschuh: Nur Bestie, nie Mensch

Denn Akin verweigert seinem Mörder konsequent jede mögliche Entschuldigung für seine Handlungen. Lediglich eine kurze Erklärung von Honkas Bruder Siggi (Marc Hosemann) zu einer gemeinsamen schlimmen Kindheit gibt der Regisseur und Drehbuch-Autor seinem Protagonisten als Erklärung, ansonsten bleibt Honka als Mensch mit einer Vorgeschichte nicht greifbar. Akins Entscheidung mag ehrenhaft und eine große Geste gegenüber den Opfern sein, seinem Film tut es aber nicht gut, dass Fritz Honka meist nur Bestie und selten auch Mensch ist.

Denn die Opfer Honkas tauchen so kurz in der Handlung auf, dass eine emotionale Bindung mit ihnen kaum möglich ist. Akin hält den Fokus stets auf Honka, gibt dem Charakter trotz seines blutigen Treibens aber charakterlich kaum Fleisch auf die Knochen. Und so bleibt Fritz Honka oft nur eine Karikatur eines Mörders, der fast wie Victor Hugos „Glöckner von Notre Dame“ über die nächtliche Reeperbahn schlurft und dabei leider manchmal unfreiwillig komisch wirkt. Nicht der einzige Moment für unpassenden Humor im Film.

Der Goldene Handschuh
Handschuh-Wirt Herbert animiert seine Stammgäste wie Nasen-Ernie zum Trinken.

Der Goldene Handschuh: Kein Mitleid für ganz unten

Denn auch die Szenen in der titelgebenden Kneipe sind oftmals richtig witzig – auf Kosten der Verlierer-Figuren, die dort ein- und ausgehen. So macht Akin aus Charakteren wie „Soldaten-Norbert“, „Nasen-Ernie“ oder „Cola-Rum-Waltraud“ nur Klischees der armseligen Trinker, die sich bis in die Besinnungslosigkeit saufen und zu kitschigen Heintje-Schlagern aus der Juke-Box Tränen der Rührung vergießen. Akin hat für diese Figuren leider nur Spott übrig, Mitleid oder Verständnis gibt es für sie auch im Kino nicht.

Was deshalb besonders schade ist, weil Akin in seinen stärksten Momenten Szenen hervorbringt, die an Intensität und Bitterkeit an die Werke eines Rainer Werner Fassbinder erinnern. Wenn Honka seiner Kollegin Helga (Katja Studt) seine Liebe gesteht und doch nichts anders zu tun weiß, als einen Vergewaltigungs-Versuch zu starten, dann ist das großes Kino. Hier schimmert ganz kurz einmal der kranke, aber auch reale Mensch Fritz Honka durch. Mehr davon und der Zuschauer hätte mit einer Mischung aus Mitleid und Abscheu Honkas Treiben verfolgt. So entsteht weder das eine noch das andere.

Was nicht Jonas Dassler anzulasten ist. Denn der 22-jährige spielt die Rolle des doppelt so alten Honka mit einer Intensität, Energie und Mut zur Hässlichkeit, dass er trotz des abartigen Treibens seiner Figur neugierig macht auf das Schicksal, das Honka zu dem machte, was er war. Diese Neugier befriedigt Akin mit seinem Drehbuch nicht. Und dieses Manko kann er auch mit einem wundervoll detaillierten Set-Design und viel Hamburger Lokalkolorit der 70er Jahre nicht wettmachen. 

Fazit:

Regisseur und Drehbuch-Autor Fatih Akin zeigt in Der Goldene Handschuh das Monster Fritz Honka, verweigert seiner Figur aber das Mensch-Sein. Und hält deshalb das Publikum auf so große Distanz zum einzigen Protagonisten des Films, dass die grausamen Bilder und Handlungen weitgehend kalt lassen. Nur in wenigen Szenen kommt der Mensch hinter dem Mörder zum Vorschein. Und die zeigen, was aus dem Film hätte werden können. Akin gelingt zwar eine ordentliche Umsetzung des Romans, die Tiefe der Vorlage erreicht er nicht.

Der Goldene Handschuh startet am 21, Februar 2019 in den deutschen Kinos.

Der Goldene Handschuh
Die Schülerin Petra wird zum Objekt der Begierde für Honka – und sie gerät damit in Lebensgefahr.