Asa Butterfield und Iola Evans

Filmkritik: Choose or Die

Der Fluch der Technik ist in Horrorfilmen ein immer wieder auftauchendes Thema. Die unterschwellige Furcht der Menschen vor der seelenlosen Maschine, die außer Kontrolle geraten könnte, zieht sich wie ein roter Faden durch die Horror- und Sci-Fi-Historie. Waren es in den 70ern oft die damals noch neuen Computer („Colossus“, „Des Teufels Saat“), aus denen Böses erwuchs, ging das Genre mit der Zeit. So ließen die Niederländer 2013 eine „App“ auf ahnungslose Studenten los und 2019 verbreitete das Smartphone in „Countdown“ Angst und Schrecken. Nun schickt Netflix mit „Choose or Die“ ein altes Computerspiel ins Rennen – und wirbt mit einem Horror-Urgestein, das gar nicht zu sehen ist. Ob der Film dennoch das Einschalten lohnt, klärt die Kritik.

Iola Evans
Die junge Kayla hat ständig Geldsorgen. Die Idee, durch Spielen eine große Summe zu kassieren, ist da verlockend.

Die Handlung

Kayla (Iola Evans) ist eigentlich eine kluge junge Frau, hat aber mit so vielen privaten Problemen zu tun, dass sie lediglich einen nächtlichen Putzjob bekommen hat. Und deshalb ständig mit Geldsorgen kämpft. Als sie bei ihrem Programmierer-Freund Isaac (Asa Butterfield, „Sex Education„) ein altes Computerspiel findet, dessen erfolgreiches Durchspielen angeblich 100000 Dollar Belohnung einbringen soll, ruft sie die beigelegte Nummer an. Und tatsächlich meldet sich eine Stimme (Robert Englund) und bestätigt die Echtheit. Also beschließt Kayla, das Spiel namens „Cursor“ einmal auszuprobieren. Doch bereits der erste Level hat es in sich. Denn der sorgt dafür, dass sich eine Kellnerin in dem Diner, in dem Kayla sitzt, selbst verstümmelt.

Weil nicht einmal Isaac ihr glaubt, spricht sie sonst mit niemandem darüber. Doch schon in der nächsten Nacht fordert das Spiel sie auf, mit Level 2 zu beginnen. Nicht mitspielen, das ist keine Option, wie Cursor ihr mit den Worten Choose or Die eindeutig mitteilt. Und diesmal muss Kayla ohnmächtig miterleben, wie das Spiel ihre eigene Mutter in Lebensgefahr bringt. Als sie Isaac endlich von der Gefahr überzeugt hat, machen sich die beiden auf die Suche nach dem Urheber des Spiels, der wissen sollte, wie sich der tödliche Wahnsinn stoppen lässt. Doch das Spiel ist mehr als 30 Jahre alt und die Spuren längst kalt. Doch die Uhr tickt, Kayla läuft die Zeit weg …

Zu wenig eigene Ideen

„Are friends electric?“ fragt Gary Numan von der Vinyl-LP, die Eddie Marsan in der ersten Szene des Films hört, während er Cursor spielt. Damit setzt der Film nicht nur musikalische Ausrufezeichen, die Filmkomponist Liam Howlett, Mitglied der britischen Band „The Prodigy“, in seinen wummernden, oftmals an 80er-Sound erinnernden Industrial-Sound mischt. Der Song macht auch neugierig darauf, ob Regie-Debütant Toby Meakins mit dem Drehbuch des erfahrenen TV-Producers und Autors Simon Allen einen interessanten, neuen Aspekt des Bösen in der Technik offenbart, der über einen effektiven, aber letztlich aussagelosen Jump-Scare-Horror wie Countdown hinausgeht.

Tatsächlich hat Allen starke Ideen aus Filmen wie „The Box“ in den dritten Akt seines insgesamt durchschnittlichen Scripts gepackt, die eine interessante Variante des Stoffes gewesen wären – hätte Meakins Choose or Die bis dahin nicht bereits in einen generischen und flachen Horror-Schinken verwandelt. Denn er orientiert sich weniger an den philosophischen Aspekten der Story. Sondern eifert Filmen wie „Wahrheit oder Pflicht“ oder „Wish Upon“ nach, die ihrerseits bereits die typische Teenager-Dezimierung durch eine böse Macht erzählten. Und dabei gar nicht erst versuchten, über eine filmische Geisterbahn hinauszukommen.

Choose or Die
Doch Cursor, ein mehr als 30 Jahre altes Textadventure, ist weit gefährlicher, als Kayla dachte.

Horror Fast-Food

Junge Leute fordern unwissentlich eine dunkle Kraft heraus und bezahlen dafür einen schrecklichen Preis. Das wurde gerade in den vergangenen Jahren häufig verfilmt – und kaum ein Film blieb länger als ein paar Minuten im Gedächtnis. Dieses Schicksal dürfte auch Choose or Die drohen, obwohl nicht jede Entscheidung schlecht ist. So ist die Verpflichtung von Asa Butterfield für einen Horrorfilm auf Netflix sicher eine gute Idee. Hat der Schauspieler doch gerade auf dem Streamingdienst durch seine Hit-Serie Sex Education eine Menge Fans. Allerdings bekommt Butterfield als Side-Kick der Heldin reichlich wenig zu tun. Die Dialoge, aus denen auch keine Impulse kommen, den Charakter interessanter zu machen, helfen da nicht weiter.

Iola Evans spielt die Hauptrolle ebenfalls solide, hat aber kaum Chancen sich auszuzeichnen, zu eindimensional bleiben die Figuren, zu viele Klischees ersticken den Plot. Allerdings lässt sich Meakins mit gerade einmal 80 Minuten auch nicht sonderlich viel Zeit, seine Story zu erzählen. Und findet keinen Platz für auch nur kleine Abweichungen vom genormten Plot, den Horrorfans schon etliche Male gesehen haben. Choose or Die erschreckt hin und wieder, ist aber nie unheimlich. Optisch holt Meakins auch nicht viel aus dem Stoff heraus, denn viel Nebel und leere Fabrikhallen haben als  Stilmittel für Horror langsam mehr als ausgedient. Und so wirkt der Film wie eine uninspirierte Auftragsarbeit, in der Horror-Ikone Robert Englund nur kurz zu hören ist.

Choose or Die
Denn dahinter scheint eine mächtige böse Macht zu stecken, die Menschen willenlos machen kann.

Fazit:

Mit Choose or Die präsentiert Netflix nach einigen durchaus ansehnlichen Horrorfilmen diesmal leider nur Horror von der Stange. Der Film wirkt, als habe der Autor Wish Upon, Wahrheit oder Pflicht, Countdown und ähnliche Kaliber in einen Mixer geworfen und dann geschaut, welcher Geschmack die Oberhand behalten würde. Die wenigen Nuancen, die für einen etwas interessanteren Cocktail gestanden hätten, kommen zu spät und zu zaghaft, um Choose or Die noch über Mittelmaß zu heben. Wer nur mit einem Auge hinschaut, mag mit dem Ergebnis noch leben können. Aber innovativ oder durchgehend spannend ist hier nichts. Außer vielleicht der Soundtrack, wenn man elektronische Musik mag.

Choose or Die startet am 15. April 2022 bei Netflix.

Asa Butterfield
Können Kayla und Isaac das Spiel stoppen, bevor es Tote gibt?