Anon

Filmkritik: Anon

Wenn der Autor von „Gattaca“ und „The Truman Show“ einen Film als Autor, Produzent und Regisseur umsetzt, dann lohnt sich ein genauerer Blick darauf. Mit „Anon“ legt Andrew Niccol erneut einen Science-Fiction-Film vor, der von unserer Realität gar nicht weit entfernt ist. Kann er damit auch wieder überzeugen oder ist sein neuester Streich, der hier als Blu-Ray und DVD erscheint, eine Enttäuschung?

Schon häufiger hat sich Andrew Niccol mit scheinbar perfekten Gesellschaften und Welten auseinandergesetzt. Ob in „Gattaca“, wo nur genetisch perfekte Menschen etwas werden durften oder „In Time“, wo das Altern mit 25 endete und Lebenszeit zur Währung wurde. In Anon beschäftigt sich Niccol nun mit dem Ende des Privatlebens, wie wir es kennen und gießt diese Idee in eine Thriller-Handlung. Funktioniert das?

Anon
Der erfahrene Detektiv Sal muss eine Reihe von Morden aufklären, die offenbar ein Super-Hacker begangen hat.

Anon: Die Handlung

Irgendwann in naher Zukunft. Die Welt ist nicht länger anonym. Ein Display im Auge, das mit einem gigantischen Netzwerk verbunden ist, sagt jedem, wen er gerade sieht: Name, Alter, Beruf und vieles mehr. Das macht den Job für den Cop Sal (Clive Owen) aber nur scheinbar einfacher. Denn plötzlich geschehen Morde, deren Aufzeichnungen das Opfer zwar aus den Augen des Mörders zeigen, allerdings eigentlich vom Opfer stammen. Irgendwie hat der Täter die Software des Toten gehackt und seine eigene Wahrnehmung übertragen. So bleibt der Mörder unerkannt.

Sal begibt sich Undercover auf die Jagd nach dem Killer/Hacker und stößt bald auf eine junge Frau namens Anon (Amanda Seyfried, „Mamma Mia: Here we go again“), die erstaunliche Dinge kann. So löscht sie eine Sex-Aufzeichnung aus Sals Leben, die er angeblich geheim halten möchte. Aber ist die junge Frau, über die das Netzwerk keinerlei Daten ausspuckt, tatsächlich auch die Mörderin? Sie hat jedenfalls für alle Opfer einmal gearbeitet. Je näher Sal der Lösung kommt, desto mehr gerät er ins Visier des geheimnisvollen Cyber-Killers …

Anon: Große Vorbilder

Andre Niccols neuer Film hat Stärken, die gleichzeitig auch Schwächen sind. Denn er ließ sich von einigen der besten Sci-Fi-Filme inspirieren, die es in Sachen Wahrnehmung und Datenspionage gibt. Sowohl Steven Spielbergs „Minority Report“ als auch Kathryn Bigelows „Strange Days“ scheinen für Anon Pate gestanden zu haben. Zwei echte Schwergewichte des modernen Sci-Fi-Thrillers also. Und mit denen muss sich Niccols Film dann eben auch vergleichen lassen. Erwartungsgemäß kann er da nicht ganz mithalten.

Niccol inszeniert seinen Film zwar gewohnt kühl und edel, so erinnert Anon vom Look sehr an Gattaca. Aber er legt gleichzeitig nur wenig Wert auf eine eigene neue Welt. Und so wirkt seine Zukunftsvision optisch fast wie das London von heute. Lediglich die ständig eingeblendeten Display-Information machen dem Zuschauer klar, dass er sich nicht in der Gegenwart befindet. Dadurch wirkt Niccols Zukunftsvision vom gläsernen Menschen und der Bedrohung dadurch immer ein wenig spröde und lässt einen eigenen Look vermissen.

Anon
Bei seinen Ermittlungen stößt er auf die geheimnisvolle Anon. Ist sie der Killer, der er sucht?

Anon: Krimi in Sci-Fi-Ambiente

Und auch für die sozialen und gesellschaftlichen Aspekte seiner Idee interessiert sich Niccol offenbar nur am Rande. Denn Momente, die sich mit den Gefahren und Nachteilen dieser Daten-Transparenz beschäftigen, finden sich abseits der straffen Thriller-Handlung kaum. Dafür führt Niccol sein Publikum optisch aber häufiger hinters Licht. Denn was man sieht und was tatsächlich passiert, das ist hier nicht immer identisch. Wenn der Regisseur dem Zuschauer so den sicheren Boden unter den Füßen wegzieht, lässt Anon immer wieder sein Potenzial aufblitzen.

Die Stars Clive Owen und Amandy Seyfried spielen ihre Rollen solide, besonders Owen kann als vom Leben gebeutelter, desilluisonierter Cop glänzen. Aber auch er kann nicht darüber hinwegspielen, dass wir diese Art Detektiv in diversen Sci-Filmen schon häufig gesehen haben. Und Seyfried spielt die unnahbare und geheimnisvolle Anon gut, bekommt aber vom Drehbuch nur wenig Substanz geliefert, um ihre Rolle spannender zu gestalten. Daher bleibt Anon oft unter den Möglichkeiten, die das durchaus spannende Setting eigentlich hergegeben hätte.

Was optisch vielleicht auch aus Budgetgründen fehlt, peppt Niccol dafür mit einigen Sexszenen auf. In Sachen Action bietet der Regisseur dagegen nur Schonkost, die wenigen Momente, in denen geschossen oder gekämpft wird, sind wenig spektakulär inszeniert. Wer sich für die Thematik interessiert, bekommt dennoch einen ordentlich Cyber-Thriller zu sehen, der in seinen 100 Minuten nie wirklich langweilig wird. Allerdings die Spannung auch nie wirklich richtig anzieht. Und für einen modernen Klassiker hat Anon schlicht zu wenig eigene, neue Ideen.

Fazit:

Für Sci-Fi-Fans bietet Anon solide bis gute Unterhaltung mit guten Darstellern, einem ordentlichen Plot und vor allem für Ego-Perspektiven-Fans wie Computerspieler viele optische Reize. So richtig fesselnd ist der Film aber nie, weil die Thrillerhandlung nicht genug eigene, frische Ideen mitbringt und zu sehr an den großem Vorbildern klebt. Und Niccol die gesellschaftliche Bedeutung des gläsernen Bürgers offenbar gar nicht so sehr interessiert hat. Das ist deshalb schade, weil man durchaus das Gefühl hat, hier wäre mehr möglich gewesen.

Anon erscheint am 26. Oktober 2018 auf Blu-Ray und DVD im Handel.

Anon
Als Sal dem Mörder näher kommt, muss er feststellen, dass er seinen eigenen Augen nicht mehr trauen kann.