Frauen in Not, damit lässt sich an den Kinokassen ordentlich Geld verdienen. So kam vor fünf Jahren der Unterwasser-Hai-Horrorfilm „47 Meters Down„, eigentlich nur für den Heimkinomarkt produziert, in die US-Kinos – und wurde zum Hit. Mehr als 60 Millionen Dollar spielte der nur fünf Millionen teure Film ein. Die Fortsetzung „47 Meters Down Uncaged“ war teurer, aber weniger erfolgreich. Dennoch glaubten einige der Produzenten weiter an die Idee und präsentieren nun einen inoffiziellen dritten Teil. Der heißt aber nicht 600 Meters Up, wie es eigentlich passend wäre, sondern nur „Fall“. Er kommt hierzulande als VoD und Blu-Ray auf den Markt. Kann der Überlebensthriller überzeugen? Das klärt die Kritik.
Das nächste Projekt der Macher von Fall: The Bayou.
Die Handlung
Die Freunde Becky (Grace Caroline Currey), Gatte Dan (Mason Gooding) und Hunter (Virginia Gardner, „Halloween„) sind Adrenalinjunkies und gehen gerne Klettern. Doch bei einer dieser Touren stürzt Dan in den Tod. Becky kommt über diesen Verlust nicht hinweg und ist ein Jahr später ein alkoholabhängiges Wrack ohne großen Lebenswillen. Auch ihr Vater (Jeffrey Dean Morgan) kommt nicht mehr an sie heran. Doch dann meldet sich nach langer Pause Hunter wieder bei ihr und will sie dazu überreden, mit ihr eine gefährliche Klettertour zu machen: auf die Spitze eines stillgelegten, 600 Meter hohen Fernsehturms. Dort soll Becky dann Dans Asche verstreuen, die noch immer in ihrer Wohnung steht, um endlich Abschied von ihm nehmen zu können.
Hunter will dort drehen und bei Youtube mit diesem Video so richtig durchstarten. Erst hält Becky wenig von der Idee, doch um der alten Zeiten willen – und weil ihr Lebensfunke langsam wieder erwacht – willigt sie schließlich doch ein. So machen sich die beiden jungen Frauen auf die sechs Stunden lange Fahrt bis zum Turm und beginnen ihr Abenteuer. Tatsächlich erreichen sie nach einer langwierigen Klettertour das kleine Podest an der Spitze des Turms. Doch beim Abstieg macht ihnen der baufällige und verrostete Turm einen Strich durch die Rechnung: Die Leiter, die auf den letzten 60 Metern außen angebracht wurde, bricht komplett weg. Nun sitzen Becky und Hunter ohne Wasser, Nahrung und Handy-Empfang auf der Spitze des Turms fest …
Nichts für Akrophobiker
Eine Warnung gleich vorweg: Leute mit Höhenangst werden mit Fall nur dann ihren Spaß haben, falls man davon reden kann, wenn sie den Film aus therapeutischen Gründen ansehen. Denn Regisseur Scott Mann und sein Kameramann Miguel Olaso setzen die Höhe hier äußerst effektiv in Szene und dürften mit manchen Perspektiven sogar Zuschauer einschüchtern, die eigentlich gar keine Probleme damit haben. In der vielleicht stärksten Szene des Films, wenn Hunter einen etwa 20 Meter tiefer liegenden Rucksack holen will, ohne dessen Inhalt eine Rettung nicht möglich scheint, baut Fall mittels der Bilder einen Spannungspegel auf, der sich Minuten lang nicht entlädt und das Publikum wirklich in Atem hält.
Allerdings hält Mann die Spannung nicht über den gesamten Film, immer wieder nimmt sich das Drehbuch, an dem Mann mitschrieb, kleine Auszeiten, in denen wenig bis gar nichts passiert oder in denen bereits bekannte Informationen nochmals durchgekaut werden. Die größte Enttäuschung für Kenner von 47 Meters Down dürfte allerdings die Tatsache sein, dass Fall nicht nur Plottwists kopiert, sondern ganze Szenen trotz 647 Metern Höhenunterschied sich ganz ähnlich anfühlen. Zwar gehören diese Momente durchaus zu den besseren des Films, aber sie sind für einen Teil des Publikums eben nicht mehr neu. Daher dürfte hier die Prognose stimmen: Wer 47 Meters Down nicht kennt, wird mit Fall mehr Spaß haben als ein Zuschauer, der den Hai-Reißer gesehen hat.
Emotionaler Trip
Schauspielerisch gibt es bei Fall wenig zu beanstanden. Der wohl bekannteste Name, Jeffrey Dean Morgan, dürfte bei seiner kleinen Rolle wohl mit einem oder zwei Drehtagen ausgekommen sein. Und macht in seinen kurzen Auftritten nichts falsch. Virginia Garner und Grace Caroline Currey, die beiden Hauptrollen, spielen die Angst angesichts der fast hoffnungslosen Situation, aber auch den Willen zum Überleben beide sehr glaubhaft. Und schaffen es früh im Film, das Publikum auf ihren Horrortrip mitzunehmen und emotional einzubinden. Da ist es kein Wunder, dass Fall die meisten Zuschauer trotz der übersichtlichen Optik und der dialoglastigen Szenen nicht kalt lassen dürfte. Das Schicksal der beiden jungen Frauen, die clever mit ihren wenigen Möglichkeiten jonglieren, ist dafür einfach zu tragisch.
Natürlich darf man nicht allzu sehr über die Story nachdenken, denn was hier an Zufällen und nicht sonderlich klugem Verhalten zusammenkommen muss, damit die beiden Frauen in exakt diese Situation geraten, hält einem Glaubwürdigkeits-Check kaum stand. Doch es ist erstaunlich, wie schnell das in den Hintergrund gerät, sobald Mann seine beiden Protagonistinnen der Gefahr aussetzt. Zwar schlägt das Script hier und da definitiv einen Haken zu viel (Geier!), aber es verfehlt seine Wirkung nicht. Mann, der bislang eher im Actionbereich inszenierte, zeigt hier, dass er auch einen Slowburner beherrscht, der seine Spannung langsamer aufbaut, dann aber weitgehend halten kann.
Fazit:
Mit Fall erfindet Regisseur und Mitautor Scott Mann das Genre des Survival-Thrillers nicht neu. Dazu bedient er sich zu schamlos bei 47 Meter Down, dessen wichtigsten Twist man hier wiederfindet. Aber er verfügt über zwei starke Hauptdarstellerinnen und eine wirkliche gruselige Location, die Leuten mit Höhenangst den Schweiß auf die Stirn treiben dürfte. Dazu findet Kameramann Miguel Olaso einige furchterregende Blickwinkel, die den Turm nochmals schlimmer machen, als er eigentlich ist. Wer sich nicht zu tief in die am Ende leicht ins Absurde abdriftende Story hineindenkt und die Hauptfiguren mag, bekommt mit Fall aber einen soliden Film, der in seinen besten Momenten erstaunlich effektiv funktioniert.
Fall startet am 1. Dezember 2022 als VoD und kommt am 15. Dezember 2022 als Blu-Ray in den Handel.