Bei Filmen von Regisseur Michael Bay baut der Kinofan sofort eine Erwartungshaltung auf. Denn bevor Bay sich viele Jahre dem immer schwächer werdenden „Transformers“-Franchise verschrieb, war er in den 90ern für einige der besten Actionfilme der Dekade verantwortlich. Ist „6 Underground“, den Bay für Netflix inszenierte, ebenfalls ein Actionkracher reinsten Wassers? Oder überrascht der 54-jährige erstmals mit einer anderen Art Film? Das verrät die Kritik.
Schon im Vorfeld machte sich Hauptdarsteller Ryan Reynolds über Regisseur Bay lustig und machte klar, dass es beim neuesten Werk des Regisseurs auch wieder um Action auf Action, garniert mit Action gehen werde. Aber wie Fans des Schauspielers wissen, führt Reynolds die Zuschauer auch manchmal in die Irre. Hat er auch diesmal ein wenig geflunkert? Und wenn nicht, liefert Bay wenigstens genau die Art völlig überdrehter Action ab, die seine Fans so mögen?
6 Underground: Die Handlung
Eins (Ryan Reynolds), ein Milliardär, hat sich vor Jahren durch einen Flugzeugabsturz aus dem Leben verabschiedet – scheinbar. Tatsächlich lebt der Mann und hat fünf Spezialisten angeheuert, um besonders heikle Operationen gegen Personen auszuführen, an die das normale Gesetz nicht herankommt. Als erster auf der Liste des Teams steht der Diktator (Lior Raz) eines kleinen asiatischen Landes, der seine eigene Bevölkerung mit Giftgas-Angriffen abschlachten ließ, von der UN aber nichts zu befürchten hat.
Zuerst machen die 6 Underground in Florenz einen Anwalt ausfindig, über den sie an wichtige Informationen gelangen können. Allerdings legen sie bei der Flucht die halbe historische Altstadt der norditalienischen Metropole in Schutt und Asche. Und selbst der Ausfall eines Teammitglieds kann das Sextett um Eins, die Ex-Spionin Zwei (Mélanie Laurent), den Ex-Killer Drei (Manuel Garcia-Rulfo), den Dieb und Parcours-Champion Vier (Ben Hardy), die Ärztin Fünf (Adria Arjona) und den Elitesoldaten Sieben (Corey Hawkins) nicht aufhalten …
6 Underground: Hier ist das drin, was draufsteht
Nein, keine Finte, kein Scherz. In diesem Film steckt exakt das, was das Etikett Michael Bay ankündigt. In drei großen Action-Set-Pieces (Florenz, eine Geiselbefreiung in Hongkong und der große Showdown auf einer Yacht) liefert 6 Underground genau die übertriebene, mitunter fast wahnsinnig anmutende Action, die der Zuschauer von diesem Regisseur erwartet. Das muss allerdings auch genügen, denn was die beiden Autoren Paul Wernick und Rhett Reese („Deadpool 1+2„) außer ein paar Gags zu Papier brachten, ist nicht gerade üppig.
Zwar bekommt fast jeder der sechs Helden eine kurze Rückblende spendiert, die seinen Entschluss, ins Team zu wechseln, erklären soll. Die sind allerdings alles andere als beeindruckend oder originell. Lediglich Fünf bekommt nichts dergleichen, aber Adria Arjona hat auch im Rest des Films eigentlich nichts zu tun, außer atemberaubend gut auszusehen. Ein Umstand, von dem handlungsmäßig aber keinerlei Gebrauch gemacht wird. Die Story lässt sich daher nur als flach bezeichnen, was aber die Fans von Bay nicht wirklich stören dürfte.
6 Underground: Action State of the Art
Denn was der Regisseur in seinem neuen Film an handgemachten Stunts und Set-Zerstörung zeigt, kann locker mit jedem aktuellen Kino-Blockbuster mithalten. Das liegt sicher zum einen an den 150 Millionen Dollar, die laut Berichten zur Verfügung standen. Denn wesentlich teurer waren die meisten Actionfilme der vergangenen Jahre auch nicht. Zum anderen muss man aber auch als Nicht-Fan von Bay anerkennen, dass er solche Sequenzen schlicht und ergreifend so gut beherrscht wie kaum ein anderer in Hollywood.
Schon die Einführungs-Szene, die gut 20 Minuten lange Zerstörung von Florenz mit einem grünen Sportwagen, zeigt unglaubliche Bilder. Menschen, die aus fahrenden Autos geschleudert werden und gegen Hauswände prallen. Autos, die einen ganzen Marktplatz in Schutt und Asche legen. Und Explosionen, soweit das Auge reicht. Vom Unterhaltungs-Standpunkt aus ist 6 Underground ein Schwergewicht, das zu mehr als der Hälfte seiner 128 Minuten aus überbordender Action besteht. Die allerdings deutlich brutaler ausfällt als bei vergleichbaren Kinofilmen wie „Hobbs and Shaw“.
Inhaltlich bietet 6 Underground hingegen recht wenig. Der Plot ist dünn, die Charaktere bekommen wenig bis keine Tiefe und müssen mit ein bis zwei Charaktereigenschaften auskommen. So ist der Soldat zielsicher und aufrecht. Die Spionin kühl und selbstischer, der Killer effizient und familiär. Wer darüber hinwegsehen kann, dass die Story kaum etwas hergibt und die Charaktere außer coolen Sprüchen wenig zu sagen haben, der bekommt das gewünschte Action-Feuerwerk ohne jeden Anspruch frei Haus bei Netflix. Mit angeteaserten acht(!) Fortsetzungen!
Fazit:
Wer „Fast and Furious“ mag und sich an Brutalitäten wie im ersten „John Wick“ oder „Atomic Blonde“ nicht stört, der wird auch mit 6 Underground seinen Spaß haben. Denn die Art und Weise, wie Michael Bay seine sechs Superhelden-ähnliche Charaktere durch ein Action-Stahlbad peitscht, ist für Fans von spektakulärer Action unbestreitbar ein echter Leckerbissen. Die Handlung bleibt in diesem wilden Ritt allerdings weitgehend auf der Strecke. Fans von Michael Bay werden davon aber wohl nicht überrascht sein.
6 Underground startet am 13. Dezember 2019 bei Netflix.