Endzeit

Filmkritik: Endzeit

Ein Zombiefilm aus Deutschland – das ist selten. Während die europäischen Nachbarn sich zum Teil schon an aufwendige Untoten-Thriller gewagt haben, wie beispielsweise Frankreich mit „The Horde“, ist das Land der Dichter und Denker mit Genrefilmen sehr sparsam – und mit Zombiestreifen erst recht. Da ist natürlich klar: Den klassischen fies-blutigen Zombie-Splatter ohne großen Sinn sollte hier niemand erwarten. „Endzeit“ hat sich andere Ziele gesteckt als derbe Bilder zu zeigen. Ist das sehenswert?

Dass sich mit günstig produzierten Horrorfilmen weltweit viel Geld verdienen lässt, weiß Hollywood schon lange. Für fünf Millionen Dollar entstehen dort regelmäßig Filme, die 100 und mehr Millionen Dollar einspielen. Deutsche Produktionen finden sich dabei allerdings nicht, denn Horror hat in Deutschland offenbar kein Lobby, Filmfördergelder scheint es für solche Produktionen nicht zu geben. Mit Endzeit hat sich dennoch ein fast reines Frauenteam daran gemacht, eine Art Zombie-Horror zu drehen – mit erstaunlichem Ergebnis.

Endzeit
Als bei der Arbeit am Zaun etwas schiefgeht, fackelt Eva nicht lange.

Endzeit: Die Handlung

Vivi (Gro Swantje Kohlhof) hat die Lust am Leben verloren. Seit vor zwei Jahren eine Zombie-Virus-Epidemie ausgebrochen ist, haben nur zwei Städte den Ansturm überlebt – Weimar und Jena. Und Vivis kleine Schwester ging in den Wirren der ersten Attacken verloren. Das hat sich Vivi nie verziehen und sucht noch immer halbherzig nach Spuren, was ihrer Schwester zugestoßen sein könnte. Als sie der Instandhaltung des Schutzzauns zugeteilt wird, lernt sie die harte Eva (Maja Lehrer) kennen, die dort schon länger Dienst tut.

Doch die Gewalt, die Vivi gleich an ihrem ersten Tag miterleben muss, stößt die junge Frau ab. Und sie beschließt, nach Jena zu fliehen, wo angeblich Wissenschaftler an einer Heilung für die Infizierten arbeiten. Im einzigen Verkehrsmittel, einem automatisch fahrenden Zug, trifft Vivi erneut auf Eva, die weiterhin kalt und abweisend ist, aber offenbar auch einen Grund hat, nach Jena zu wollen. Im Lauf der Reise wächst langsam eine Verbindung zwischen den beiden Frauen. Und die ist auch nötig, denn die Natur um sie herum ist ebenso schön wie tödlich …

Endzeit: Kein typischer Vertreter seiner Zunft

Zwar ist Endzeit auf bestimmten Ebenen durchaus ein Zombiefilm, denn er arbeitet mit ein paar bekannten Versatzstücken daraus. Aber er macht auch so vieles anders, dass von einem typischen Vertreter des Genres keine Rede sein kann. Der Zombie-Anteil dient denn auch mehr dazu, den Figuren eine Motivation für ihr Tun zu geben und die Spannung hochzuhalten. Der Kern der Story dreht sich aber um etwas Anderes – der Entwicklung und Annäherung der beiden Frauen. Und das gelingt Regisseurin Carolina Hellsgard recht ansehnlich.

Das Drehbuch des ungewöhnlichen Films stammt von Olivia Vieweg, die es auf Basis ihrer eigenen, gleichnamigen Graphic Novel umsetzte. Und Vieweg setzt auf andere optische Reize als bluttriefende Untote. So fängt der Film die Natur zwischen Weimar und Jena zauberhaft ein und zeigt, wie schnell sich der Planet erholen könnte, wenn die Menschheit erst einmal eingedämmt oder verschwunden ist. Das ist gleichzeitig schön anzusehen, aber auch ein wenig erschreckend in der Konsequenz.

Endzeit
Auf einem Staudamm müssen Vivi und Eva um ihr Leben laufen.

Endzeit: Wenig Interesse an Horror

Im Verlauf der Geschichte wird es dann auch zusehends märchenhaft, wenn Vivi beispielsweise der Gärtnerin begegnet, die sich bereits auf eine neue Symbiose mit der Natur eingelassen hat. Das erinnert an „Auslöschung“ von Alex Garland, ohne allerdings dessen optische Wucht oder inhaltliche Tiefe zu erreichen. Die wenigen Momente des Films, in denen tatsächlich Zombies zu sehen sind, inszeniert Hellsgard aber sehr stark und zeigt, dass sie sich auch für einen echten Horrorfilm empfehlen kann. Da der Fokus aber nicht auf dem Horror liegt, bleiben diese Szenen Einzelstücke.

Die vielleicht aufwendigste Szene, wenn die beiden Frauen von einer Horde Infizierter über einen Staudamm verfolgt werden, verschenkt Hellsgard dramaturgisch regelrecht und handelt einen Schlüsselmoment der Story in gerade einmal zwei Minuten ab. So wenig Wert legt Endzeit in seinem Schlussdrittel auf Nervenkitzel. Stattdessen begleitet der Film Vivi dabei, wie sie langsam Frieden findet und mit sich selbst ins Reine kommt. Auch das Finale von Endzeit sieht sicher kaum ein Zuschauer kommen – und das ist diesem Fall durchaus ein Kompliment. Dazu hat der Film mit einer Hommage an „The Walking Dead“ und „The Last of Us“ auch noch Szenen für Zombiefans an Bord.

Daher ist Endzeit für all die einen Blick wert, die dystopische Filme durchaus mögen, aber keine Fans von bluttriefenden Zombie-Splatterfilmen sind. Denn in Sachen Gewalt hält sich der Film ebenso zurück wie mit typischen Genre-Klischees. Dafür liefert Caroline Hellsgard mit der Verfilmung der Graphic Novel einen nicht immer wirklich packenden, zu Beginn auch recht spröden Film ab, der aber gegen Ende durch seine wachsende Märchenhaftigkeit tatsächlich etwas Neues zum ausgebluteten Genre hinzufügt – auch, wenn das nicht jedem gefallen dürfte.

Fazit:

Mit Endzeit schafft Regisseurin Caroline Hellsgard einen Film, der nicht nur ausschließlich von Frauen in den Hauptrollen besetzt ist, sondern auch hinter der Kamera in allen wichtigen Positionen von Frauen umgesetzt wurde. Ob es daran liegt, dass der Film eine ganz andere Handschrift trägt als typische Zombiefilme, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden. In jedem Fall hält sich Endzeit weitgehend von gängigen Klischees fern und erzählt im Deckmantel eines Horrorfilms eine interessante, manchmal sogar fesselnde Coming of Age-Story.

Endzeit startet am 22. August 2019 in den deutschen Kinos.

Endzeit
In einem offenbar verlassen Haus sucht Vivi nach brauchbarer Ausrüstung.