Chambers

Serienkritik: Chambers

Horror liegt auch bei Netflix im Trend. Im vergangenen Jahr produzierte der Streaming-Gigant mit „Spuk in Hill House“ eine der besten Horror-Drama-Serien der vergangenen Jahre und vor wenigen Tagen überraschte Netflix mit dem frischen Zombie-Mehrteiler „Black Summer“. Und nun legen sie mit „Chambers“ nach, in der es um ein junges Mädchen geht, die nach einer Herztransplantation nicht mehr dieselbe zu sein scheint. Lohnt sich das Ansehen?

Serienschöpferin Leah Rachel ist eigentlich Schauspielerin und hat als Drehbuchautorin bislang noch keine große Karriere vorzuweisen. Doch bei der Umsetzung ihrer Horror-Serie hatte sie Hilfe von Experten. So ist Alfonso Gomez-Rejon, der hier produziert und auch Regie führt, bereits ein Teil des „American Horror Story“-Teams gewesen. Dazu wirkt auch Uma Thurman als eine der Hauptdarstellerinnen und Produzentin an Chambers mit. Und Lili Taylor aus „The Conjuring“ ist auch dabei. Große Namen also – auch eine große Serie?

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Eben noch ein glückliches Paar, jetzt Todesangst: TJ bringt Freundin Sasha ins Krankenhaus.

Chambers: Die Handlung

Die junge Sasha (Sivan Alyra Rose) hat es nicht leicht. Ohne Eltern wächst sie bei ihrem Onkel Frank (Marcus LaVoi) auf, der sich und seine Nichte mit einem kleinen Laden für Aquarien gerade so über Wasser halten kann. Und als Sasha mit ihren Freund TJ (Griffin Powell-Arcand) das erste Mal Sex haben will, versagt auch noch ihr Herz. Nur weil TJ schnell reagiert und sie ins Krankenhaus bringt, überlebt sie und bekommt dort das Herz eines toten Mädchens eingepflanzt, um weiterleben zu können.

Drei Monate später nimmt die Familie der toten Becky (Lilliya Reid) Kontakt mit Sasha auf und möchte sie gern kennen lernen. Allerdings scheint Mutter Nancy (Uma Thurman) noch immer sehr unter der Tragödie zu leiden, während Vater Ben (Tony Goldwyn) offenbar mit Esoterik einen Weg gefunden hat, damit umzugehen. Bruder Elliot (Nicholas Galitzine) scheint eine gewisse Gleichgültigkeit entwickelt zu haben. Nach der Begegnung bemerkt Sasha plötzlich, dass sie Dinge kann und weiß, die sich nicht wissen dürfte. Bald geschehen unheimliche Dinge …

Chambers: Zu wenig Handlung?

Die Serie geht über zehn Episoden – und das scheint ein etwas zu ambitioniertes Projekt gewesen zu sein. Denn die Handlung entwickelt sich in den ersten Folgen nicht nur extrem langsam, die Serie zeigt dem Zuschauer auch immer wieder die gleichen Dinge. So gibt es etliche Momente, in denen Sasha sich seltsam benimmt oder etwas tut, das gar nicht zu ihr passt. Ohne dass sie deshalb irgendwelche Konsequenzen ziehen würde. Möglicherweise war das Ziel der Macher, hier einen langsamen, atmosphärischen Grusel zu entwickeln – geklappt hat das nicht.

Hin und wieder setzt die Serie  gute Jump-Scares, häufig scheinen die Macher aber  Regie-Giganten wie David Lynch nacheifern zu wollen, in dem sie schräge und verworrene Bilder zeigen, ohne eine Erklärung zu liefern, was der Zuchauer da nun gerade genau gesehen hat. Wirklich packend ist das nicht inszeniert, vor allem fehlt aber der tiefere Sinn dahinter. Denn was bei Lynch schnell durch seine Unerklärbarkeit bedrohlich wirkt, wird hier im Nachhinein immer wieder durch Andeutungen verwässert, die der Serie verschiedene potenzielle Richtungen geben.

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Nur durch das Herz der toten Becky überlebt Sasha – und lernt bald Beckys Familie kennen. Besonders Beckys Mutter Nancy scheint noch immer sehr mitgenommen.

Chambers: Wilder Ideen-Mix ohne echten Horror

Denn Ideen hatte Leah Rachel offenbar genug. Ist Sasha nun vom Geist der toten Becky besessen und ihm hilflos ausgeliefert? Oder haben Beckys Eltern etwas mit dem Tod ihrer Tochter zu tun? Und was hat es mit der seltsamen Esoterik-Sekte um die Mutter einer Mitschülerin (Lili Taylor) auf sich? Alles Ansätze, die an sich nicht uninteressant sind, aber durch das fehlende Tempo einfach nur selten Spannung aufbauen. Was möglicherweise in der halben Laufzeit noch geklappt hätte. Es gibt sogar Spielfilme, die ähnliche Storys in 90 Minuten erzählt haben.

Dabei überzeugt Chambers im Detail durchaus. Die karge Landschaft New Mexikos setzen die Macher immer wieder in Relation zum Innenleben ihrer Figuren, was durchaus seinen Reiz hat. Und auch das Fremde, das Sasha um sich herum und in sich spürt, wird immer wieder mit starken Bildern sehr schön visualisiert. Aber weil die Story auch nach drei Folgen noch träge fließt, verliert der Zuschauer trotz der gelungenen Optik bald das Interesse, denn weder entwickeln sich die Charaktere weiter, noch bekommen sie durch das Gezeigte mehr Tiefe.

Und irgendeinen nachvollziehbaren Grund sollte die gewählte Erzählgeschwindigkeit dann doch haben. Zuschauer, die eigentlich keine Horrorfans sind, sich aber mit Netflix-Serien wie „Tote Mädchen lügen nicht“ oder „Quicksand“ anfreunden konnten, werden möglicherweise auch in diesem Mix aus Coming of Age-Problemen und übernatürlichen Elementen glücklich. Echten Thrill für Freunde des Genres bietet Chambers aber nicht. Da war das wahrscheinliche Vorbild „Hereditary“ doch ein anderes Kaliber.

Fazit:

Eine richtige Enttäuschung ist Chambers sicher nicht. Dazu bietet die zehnteilige Staffel zu viele gute Ansätze, interessante Bilder und brauchbare Ideen. Aber die doch sehr langsame Erzählweise bremst die Handlung immer wieder unnötig aus, da sie weder zur Atmosphäre noch zur Charakterisierung der Figuren beiträgt, sondern oft einfach nur redundant ist. Was der Zuschauer längst begriffen hat, ist für die Protagonisten immer noch nicht klar. Das kann spannend sein, hier gelingt das nur selten. So ist Chambers eine Serie, die unter ihren Möglichkeiten bleibt.

Chambers startet am 26. April 2019 bei Netflix.

Gesehen: Vier von zehn Folgen

Chambers
Doch bald merkt Sasha, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Sie hat plötzlich Erinnerungen an Dinge in ihrem Kopf, die ihr nie passiert sind.