Mit „Charité Staffel 2“ schickt die ARD ihre Zuschauer diesmal in das dunkelste Kapitel jüngerer deutscher Geschichte, die anhand des berühmten Berliner Krankenhauses erzählt wird. Die Kriegsjahre 1943-45 bilden den Hintergrund für eine fiktive Story, die mit historischen Personen gestützt wird. So hat es Ferdinand Sauerbruch, den Leiter der Chirurgie zu dieser Zeit, wirklich gegeben. Hauptthema der Serie sind aber die unmenschlichen Rassengesetze der Nazis. Lohnt sich das Einschalten?
Sönke Wortmann, der noch den ersten Sechsteiler der Reihe inszenierte, ist nicht mehr dabei. Für ihn übernahm Anno Saul, ein erfahrener TV-Regisseur. Die Drehbücher schrieb aber erneut das Duo Dorothee Schön und Sabine Thor-Wiedemann, die bereits die deutsche Kaiserzeit des späten 19. Jahrhunderts in der ersten Staffel wieder aufleben ließen. Finden sie für den Schrecken der Nazizeit auch wieder Geschichten, die das Publikum emotional mitreißen?
Charité Staffel 2: Die Handlung
1943. Ferdinand Sauerbruch (Ulrich Noethen), ein weltweit geachteter Chirurg, der viele neue OP-Methoden entwickelte, arbeitet mit seiner zweiten Frau Margot (Luise Wolfram) an der Charité. Und versucht, sich aus der Politik des Landes so gut wie möglich herauszuhalten. Die hochschwangere Medizinstudentin Anni Waldhausen (Mala Emde), die in der Psychiatrie bei Chefarzt Max de Crinis (Lukas Miko, „Der Pass“) lernt, freut sich über die Rückkehr ihres Bruders Otto (Jannik Schümann, „Jugend ohne Gott“) von der Ostfront.
Otto will an der Charité sein Examen als Mediziner ablegen, arbeitet aber viel mit Pfleger Martin (Jacob Matschenz, „Babylon Berlin“) zusammen. Während Schwester Christel (Frieda-Lovisa Hamann), wie de Crinis eine stramme Verfechterin des Nazi-Gedankenguts, an dem jungen Soldaten Gefallen findet, versucht der, verwundeten Kameraden zu helfen, die unter dem Verdacht stehen, sich selbst verletzt zu haben. Annis Ehemann Arthur (Artjom Gilz), selbst Kinderarzt, muss derweil eine TB-Studie an behinderten Kindern vornehmen …
Charité Staffel 2: Die Angst als ständiger Begleiter
Auch in Staffel 2 packen die Autorinnen wieder reichlich Melodram in ihre Story – und das gelingt nicht immer sonderlich subtil. So liegt am Bett eines Mannes, der sich mit Tabletten das Leben nehmen will, die leere Packung gut sichtbar auf dem Nachttisch. Solche und ähnliche Szenen finden sich immer wieder in der Produktion. Und erzählen die eigentlich gut tragfähige Story der Charité in dunkler Zeit oft unnötig platt. In einem anderen Bereich liefern die Macher von Charité Staffel 2 allerdings sauber ab – die allgegenwärtige Angst ist permanent zu spüren.
Geschickt bauen die Autorinnen in den ersten Folgen ihre Figuren auf und unterteilen sie schnell in gut und böse. Und von da an lassen sie den Zuschauer fast andauernd um seine Lieblinge fürchten. Denn die Willkür und Unmenschlichkeit, gepaart mit blindem Gehorsam und politischem Fanatismus lauert an jeder Ecke auf die Aufrechten. Auch das ist alles andere als komplex aufgebaut, verfehlt seine Wirkung aber dennoch nicht. Charité Staffel 2 ist emotional allein dadurch fordernd, dass der Tod nicht nur durch Krankheiten droht.
Charité Staffel 2: Bis zum Ende dabei
Dabei handeln Saul und Schön/Thor-Wiedemann die wichtigsten Stationen der Geschichte entweder kurz ab, wie den Kessel von Stalingrad. Oder geben ihnen sogar viel Platz, wie dem Hitler-Attentat durch Stauffenberg. Am Ende der Staffel steht denn auch folgerichtig „Die Stunde Null“, in der die Serie die letzten Tage vor Kriegsende in Berlin zeigt – und das Publikum um jeden zittert, der zu diesem Zeitpunkt noch am Leben ist. Wie Schwester Käthe es auf den Punkt bringt: „Wer jetzt noch lebt, ist selber schuld, Bomben sind genug gefallen.“
Schauspielerisch überzeugt Charité Staffel 2 ebenfalls. Allen voran Ulrich Noethen als arroganter und cholerischer Halbgott in Weiß, der allerdings sein Herz am rechten Fleck trägt. Und in der Serie als unpolitischer Mensch mit geheimer Abneigung gegen die Nazis skizziert wird – im Einklang mit dem aktuellen Geschichtsbild über Sauerbruch. Aber auch der Rest des Casts spielt seine Rollen gut und findet in Verbindung mit einigen starken Dialogen schnell einen emotionalen Zugang zum Publikum. Sympathie und Abneigung sind daher zügig verteilt. Dadurch bekommen die Charaktere zwar nicht unbedingt eine große Tiefe, aber in nur sechs Folgen ist mit so vielen Figuren sonst wohl auch kein Staat zu machen.
Charité Staffel 2: Geschichte – weniger ist hier mehr
Trotz offenbar geringerem Budget – die Szenen verlassen das Krankenhaus nur selten – gelingt es dem Autorinnen-Duo, die Barbarei der Nazis vor allem gegen Kinder packend zu thematisieren. Egal, ob am Ende der „Volkssturm“ aus 15-jährigen Jungs den Kugeln der vorrückenden Sowjets zum Opfer fallen. Oder behinderte Jungen und Mädchen als „Reichs-Ausschuss-Kinder“, und „Volksballast“ bezeichnet werden, an ihnen Experimente zum „Volkswohl“ durchgeführt werden und ihnen so der „Gnadentod“ zuteil wird. Der Ekel könnte kaum größer sein.
Während Staffel 1 sich oft an den vielen historischen Größen wie Robert Koch, Emil Behring oder Paul Ehrlich abarbeitete, und dadurch oft gehetzt und nicht immer auserzählt wirkte, macht Staffel 2 es besser. Da nur Sauerbruch im Fokus für die großen historischen Momente steht, bleibt in der fiktiven Story um die Waldhausens mehr Raum für den Alltag in Nazi-Deutschland der kleinen Leute. Und das ist meist viel ergreifender, weil Charité Staffel 2 anhand dieser Einzelschicksale den Zuschauer das Grauen der Nazis miterleben lässt.
Fazit:
Ganz im Stil einer Event-Serie der öffentlich-rechtlichen Sender ist auch Charité Staffel 2 ein Stoff, der in erster Linie mit viel Melodramatik auf das Gefühlszentrum der Zuschauer zielt. Subtil ist da nichts, und dennoch funktioniert der Sechsteiler als moralisches Rührstück ebenso gut wie als flammender Appell gegen Rassismus und rechtes Gedankengut der so genannten „Herrenmenschen“. Gute Unterhaltung – mit wichtiger Botschaft. Wie es sich für die ARD gehört, gibt es die Doku „Medizin unterm Hakenkreuz“ gleich danach.
Charité Staffel 2 läuft ab dem 19. Februar 2019 (mit Doppelfolge) immer dienstags um 20:15 in der ARD.
Gesehen: Sechs von sechs Folgen