Filmkritik: Abgeschnitten

Sebastian Fitzek ist einer der Superstars der deutschen Romanszene, kaum ein deutscher Schriftsteller verkauft momentan mehr Bücher als der Berliner. Da ist es fast erstaunlich, dass erst jetzt mit „Abgeschnitten“ ein großer Kinofilm in Starbesetzung in die deutschen Kinos kommt. Für wen der sich lohnt, klärt die Kritik.

Für manche Kritiker ist er talentlos und dumm, für andere der deutsche Thriller-König. An Sebastian Fitzek scheiden sich die Geister. Und das dürfte auch Abgeschnitten, der Verfilmung des gleichnamigen Romans, den Fitzek gemeinsam mit Michael Tsokos verfasste, nicht viel anders gehen. Denn bei diesem Film hängt es extrem davon ab, ob man sich mit dem Plot anfreunden kann oder eben nicht.

Abgeschnitten
Der renommierte Rechtsmediziner findet im Kopf einer Leiche eine seltsame Metallkapsel – der Beginn eines Alptraums.

Abgeschnitten: Die Handlung

Der Gerichtsmediziner Paul Herzfeld (Moritz Bleibtreu findet im Kopf einer Leiche eine Kapsel, in deren Inneren er ein Stück Papier mit der Handynummer seiner Tochter findet. Voller Angst ruft er sie an und muss feststellen, dass sie entführt wurde – und der Täter lässt ihm genaue Anweisungen zukommen, was er zu tun hat. Als er deshalb eine andere Nummer anruft, findet er am anderen Ende der Leitung die junge Comiczeichnerin Linda (Jasna Fritzi Bauer) vor, die gerade im Urlaub auf Helgoland ist.

Weil dort gerade ein übler Sturm herrscht, kann Paul den Trip dorthin nicht sofort aufnehmen. Und so muss Linda, mithilfe von Pauls Freund Ender (Fahri Yardim), eine Leiche untersuchen, um weitere Hinweise auf den Ort zu finden, an dem Pauls Tochter gefangen gehalten wird. Bald schon mehren sich die Leichen auf der winterlichen Insel, deuten dadurch aber auch immer stärker auf Ereignis hin, dass Paul eigentlich schon fast vergessen hatte. Ist Pauls Tochter Hanna noch am Leben? Und kann er sie rechtzeitig befreien, bevor sie einem perfiden Plan zum Opfer fällt?

Abgeschnitten: Gut gemachtes Spannungskino

Ob einem Zuschauer Abgeschnitten gefällt oder nicht. hängt von einige Faktoren ab. Die Machart gehört sicher nicht dazu. Denn der deutsche Regisseur Christian Alvart erweist sich einmal mehr als Spezialist für Action- und Spannungskino. Die straffe, schnörkellose Inszenierung der Story, in der Alvart zeigt, wie sauber er die Klaviatur der Spannungserzeugung beherrscht, gibt keinerlei Grund zur Klage. Wie schon in „Steig.Nicht.Aus!“ aus dem vergangenen Jahr hält Alvart mühelos das Adrenalin des Publikums oben.

Und auch den Schauspielern kann man es nicht ankreiden, falls einem Abgeschnitten nicht zusagt, denn die spielen fast alle ihre Rollen mit der nötigen Intensität und Glaubwürdigkeit, um den Zuschauer emotional mitzureißen und die Gefühlsachterbahn mitzuerleben, der die Figuren ausgesetzt sind. Ausgerechnet der wunderbare Lars Eidinger fällt hier ein wenig ab, denn er muss einen fiesen Psychopathen spielen. Und der ist derartig übertrieben angelegt, dass man mitunter nicht weiß, ob man sich gruseln oder lachen soll. Ob es am Script lag? Wahrscheinlich ja.

Abgeschnitten
Die junge Linda, die auf Helgoland Urlaub macht, wird für Herzfeld zur letzten Hoffnung.

Abgeschnitten: Wer soll diese Story glauben?

Sebastian Fitzek mag spannende Bücher schreiben, glaubwürdige schreibt er offenbar nicht. Denn was Regisseur Alvart, der auch am Drehbuch mitwirkte, dem Zuschauer hier an Zufällen, unglaubwürdigen Wendungen und Twists zumutet, ist hart an der Schmerzgrenze. Ein derart schwach und abstrus konstruierter Thriller-Plot war im Kino lange nicht zu sehen. Und so dürften Thrillerfans, die den Namen Fitzek bislang nicht kannten, hier nach spätestens einer Stunde nur noch mit dem Kopf schütteln.

Was auch deshalb schade ist, weil Alvart mit diesem Blödsinn immer noch tolle Szenen schafft, die unter die Haut gehen. Aber man darf auch nicht eine Sekunde über das nachdenken, was man da gerade zu sehen bekommt, sonst zerfällt die unheimliche Atmosphäre sofort. Das Alvart auch bessere Stories spannend erzählen kann, hat er mit „Antikörper“ und dem sehr unterschätzten „Pandorum“ bereits hinlänglich bewiesen. Selbst der in Sachen Glaubwürdigkeit ebenfalls nicht sonderlich gelungene Steig.Nicht.Aus! wirkt in diesem Punkt stärker als Abgeschnitten.

Angesichts der wirren Handlung und den wenig glaubhaften Figuren stellt sich die Frage nach Fitzeks offensichtlichem Hang, Frauen zu quälen, dann auch gar nicht mehr. Sich darüber aufzuregen, würde die Story schon höher hängen, als sie es verdient. So erinnert Abgeschnitten nicht nur durch die winterliche Kälte an den noch schwächeren „Schneemann“, bei dem es aber nicht an der Vorlage liegt.

Fazit:

Gute Regie, gute Schauspieler, aber ein fürchterlicher Plot. Abgeschnitten leidet unter schwach geschriebenen Figuren und einer hanebüchenen Story, die auch von der routinierten Regie Christian Alvarts und seinem ansehnlichen Cast vor der Kamera nicht komplett gerettet werden kann. So ist der Film zwar durchgehend spannend, aber letztlich hohl.

Abgeschnitten startet am 11. Oktober 2018 in den deutschen Kinos.

Abgeschnitten
Ist der verurteilte Frauenmörder Jan Erik Sadler der Drahtzieher hinter der Entführung?