Ein Mann wie eine Naturkatastrophe! In der zweiten Staffel von „Daredevil“ zeigte sich „The Punisher“, gespielt von Jon Bernthal, in Bestform. Er schickte zahllose Gangster in den ewigen Ruhestand und legte sich sogar mit dem Kingpin an. Daher ließ Netflix bald eine eigene Serie für den eiskalten Rächer springen – die jetzt fertig ist. Lohnt es sich, bei Frank Castles neuem Einsatz gegen das Verbrechen als Zuschauer dabei zu sein?
Seit seinen Anfängen 1974 in den Seiten von „Amazing Spider-Man“ Nummer 129, ist Frank Castle alias The Punisher für die deutschen Jugendschutz-Behörden oft ein Problem gewesen. Denn Frank verhandelt nicht, er bestraft. Und das in aller Regel mit tödlichen Konsequenzen für den Bestraften. Diese Härte war immer wieder Ansatzpunkt für Kritik an der Figur, dennoch war er viele Jahre einer der beliebtesten Helden in den USA. Kann auch die Netflix-Serie den ganz besonderen Charakter des Punishers wieder abbilden?
The Punisher: Die Handlung
Es sind einige Monate vergangen, seit Frank Castle (Jon Bernthal) seinen Rachefeldzug gegen die Mörder seiner Familie scheinbar mit dem Leben bezahlt hat. Seitdem ist der Ex-Marine untergetaucht, arbeitet auf dem Bau und versucht, sich aus allem herauszuhalten. Doch bald will ein Mann (Ebon Moss-Bachrach), der sich Micro nennt, Kontakt zu ihm bekommen. Denn der Ex-NSA-Mann musste aufgrund einiger Untersuchungen untertauchen, gilt als tot – und will sein Leben zurück. Und dafür müssen die Leute sterben, mit denen auch Frank noch eine Rechnung offen hat.
Denn der Profi-Hacker versorgt Frank mit neuen Informationen, nach denen seine Familie sterben musste, weil Frank in Afghanistan einem Kriegsverbrechen beiwohnte. Und die Drahtzieher, die sich innerhalb der Armee als Drogenschmuggler im großen Stil entpuppten, wollten den möglichem Mitwisser zum Schweigen bringen. Frank Castle startet mithilfe von Micro die Jagd auf die geheimnisvollen Anführer dieser Gruppe. Und kreuzt dabei nicht nur den Weg von Homeland-Security-Agentin Dinah Madani (Amber-Rose Rewah), sondern auch den seines Kriegskameraden Billy Russo (Ben Barnes), der inzwischen ein eigenes Sicherheitsunternehmen leitet …
The Punisher: Viel gewollt …
Serienmacher Steve Lightfoot ist kein Feigling, soviel lässt sich sagen. Denn was der Showrunner an Themen in seine 13 Folgen packt, ist üppig. Er lässt Franks Veteranen-Kollegen auftauchen, die sich in einer Selbsthilfegruppe an das Leben zuhause gewöhnen müssen. Dazu thematisiert er den Schmerz von Micro und seiner Familie, die sich gegenseitig so sehr vermissen. Er erzählt von Franks vorsichtiger Annäherung an Micros Familie, weil die ihn so sehr an seine eigene erinnert, die er für immer verloren hat. Und er zeigt dem Publikum noch eine Hauptstory, in der Frank die Männer jagt, die sich am Krieg bereichert haben und seine Familie auslöschen ließen. Ganz schön viel für 13 Episoden.
Wer nun erwartet, dass so viel Inhalt zu einer vollgepackten, gehetzten Erzählweise führt, der irrt. Denn Lightfoot und sein Team lassen sich nach der furiosen Auftaktfolge viel Zeit, das Szenario aufzubauen. Manchmal zu viel. So dauert es geschlagene zwei Episoden, bis Micro und Frank endlich ein Team bilden, das ist Spielfilmlänge. Erst in Folge vier gönnt die Serie ihren Zuschauern wieder ein wenig Action. Dabei dürfte das für viele die Hauptmotivation sein, sich The Punisher überhaupt anzusehen. Lightfoot scheint aber wenig interessiert daran zu sein, dem Zuschauer zu geben, wonach er verlangt. Stattdessen macht er sich mit seinen Autoren auf die Suche nach Frank Castles Seele. Und er wird auch fündig. Doch die Entdeckung, dass Frank Castle trotz all seiner Taten im Grund ein guter Kerl ist, überrascht nicht wirklich.
The Punisher: …nicht alles erreicht
Lightfoot erzählt in der ersten Staffel der Serie durchaus interessante Geschichten und entwickelt auch spannende Figuren. So ist Agent Madani eine erfrischend gute Frauenrolle. Auch Micros Frau Sarah, die ihren Mann für tot hält und nicht weiß, wie sie weitermachen soll, ist exzellent geschrieben und von Jaime Ray Newman toll gespielt. Die Einbindung von Deborah Ann Woll als Karen Page ist ebenfalls gelungen, denn zu ihr hatte Castle bereits in Daredevil ein ganz besonderes Verhältnis.
Aber diese emotionaleren Teile der Handlung wollen einfach nicht mit dem eiskalten Verschwörungsplot und den brutalen Actionszenen zusammenpassen. Denn sie bremsen die Story immer wieder aus und geben dem Zuschauer das Gefühl, dass die 13 Episoden eindeutig zuviel waren. Mit der Kürzung einiger wenig spannender Nebenplots, wie der Geschichte um den Kriegsheimkehrer Lewis, der nur jede zweite Folge überhaupt vorkommt, hätte The Punisher die nötige Straffung bekommen, um wirklich zu fesseln. So fehlt oft der bei Netflix sonst so typische Gedanke, noch eine Folge anzusehen, bevor man aufhört. The Punisher entfaltet diese Sogwirkung zu selten.
Denn erst gegen Ende der Staffel kommt wieder der Punisher zum Vorschein, den das Publikum eigentlich von Beginn an erwartet hat. Und dann stimmen auch Action und Tempo wieder. Bis dahin muss sich der Zuschauer aber durch manchen Handlungsstrang kämpfen, der entweder langweilt oder in seiner Emotionalität nicht so recht zum Rest passt. Dazu ist die Haupthandlung auch erschreckend vorhersehbar. Spätestens nach Folge sechs dürften die meisten Zuschauer wissen, worauf die Sache hinausläuft – und müssen weitere sechs Episoden warten, bis es auch endlich passiert. Was bei „The Defenders“ mit acht Folgen etwas zu kurz geraten ist, hat bei The Punisher zuviel Platz bekommen. Vermutlich wären beide Serien mit zehn Episoden besser gewesen.
Fazit:
The Punisher ist keine schlechte Marvel-Serie. Es gibt etliche starke Momente, emotional ebenso wie in Sachen Action. Der Blutfaktor ist hoch, die Kämpfe sind brachial. Dennoch verzettelt sich Showrunner Steve Lightfoot zu oft in seinen zahlreichen Nebenhandlungen und bremst so manche Episode stark herunter. In mehr als einer Folge tritt die Haupthandlung gar auf der Stelle. Und den Punisher, den die Fans bei Daredevil so liebten, bekommen sie nach kurzem Auftakt erst spät in der Serie wieder zu Gesicht. Da ist also noch Luft nach oben, möglicherweise wird das in einer zweiten Staffel besser.