Belko-Experiment

Filmkritik: Das Belko-Experiment

Ein Gebäude voller Menschen wird plötzlich abgeriegelt, die Insassen sollen Teil eines blutigen Spiels werden – oder sterben. „Guardians of the Galaxy“-Regisseur James Gunn schrieb mit „Das Belko-Experiment“ ein blutiges Gemetzel mit gallig-schwarzem Humor.

Nanu? James Gunn, der lustige Mann hinter den Guardians-Filmen auf Horrorpfaden? Das ist weniger erstaunlich, wenn man weiß, das Gunn nicht nur bei der Trash-Horror-Schmiede Troma seine Karriere begann, sondern auch das Drehbuch des „Dawn of the Dead“-Remakes verfasste. Dazu bewies er mit „Slither“, dass er eine Vorliebe für blutige Effekte hat. Aus Zeitmangel holte sich Gunn für diesen Film den australischen Horrorspezialisten Greg McLean („Rogue“, „Wolf Creek“) als Regisseur – reicht das für einen guten Horrorfilm?

Das Belko-Experiment: Die Handlung

Scheinbar ein ganz normaler Tag im kolumbianischen Büro der Belko-Corporation, die mit US-Mitarbeitern dafür sorgt, dass südamerikanische Firmen amerikanische Mitarbeiter finden. Doch schon bei der Ankunft werden die Kollegen von neuen Wachleuten gecheckt, die niemand kennt – und die kein überflüssiges Wort sprechen. Und dann wird plötzlich das gesamte Gebäude von außen abgeriegelt, so dass niemand entkommen kann. Wenig später ergeht über Lautsprecher die  erste Anweisung an die eingeschlossenen Menschen: Drei von ihnen sollen innerhalb von wenigen Minuten getötet werden, sonst werden sechs sterben.

Was die meisten Mitarbeiter zunächst für einen Scherz halten, wird bitterer Ernst, als wenig später fünf Kollegen mit Löchern im Schädel in ihrem Blut liegen. Und das ist erst der Anfang: Die Stimme befiehlt nun 40 Tote innerhalb von zwei Stunden, sonst würden 80 weitere Opfer zu beklagen sein. Eine Situation, mit der IT-Spezialist Mike (John Gallagher Jr.) ganz anders umgeht, als sein Vorgesetzter Barry (Tony Goldwyn) oder der schleimige Wendell (John C. McGinley). Schnell wird das Gebäude zum Schlachthaus …

Herr der Fliegen trifft Battle Royale

Natürlich ist das ein Setting, das sowohl Literaten, als auch Horrorfans mächtig bekannt vorkommt. Schriftsteller William Golding beleuchtete in seinem 1954 erschienen und mehrfach verfilmten Roman „Der Herr der Fliegen“, wie dünn die Schicht der Zivilisation über dem wilden Tier ist, das in jedem Menschen steckt. Und erhielt 1983 dafür den Nobelpreis für Literatur. Auch Stephen Kings „Todesmarsch“ enthält ähnliche Motive, ebenso der japanische Horror-Klassiker „Battle Royale“ aus dem Jahr 2000. Das Aufeinanderhetzen von Menschen, die entweder töten oder sterben müssen, ist also nicht neu. Wie schneidet Gunns und McLeans Version Das Belko-Experiment im Vergleich ab?

Nicht so schlecht! Denn Gunn gelingt es in seinem Script, ein glaubwürdiges Szenario für seine Survival of the Fittest-Story zu entwerfen. Dazu erschafft er mit wenigen Sätzen und Taten bei vielen Figuren eine Einordnung, ob sie wohl ins lager der Killer oder das der Opfer gehören werden – und hat anschließend sichtlichen Spaß daran, mit der Erwartungshaltung der Zuschauer zu spielen. Ist Mike wirklich ein edler Held? Ist seine Freundin Leandra (Adria Arjona, „Narcos“) wirklich loyal? Und wie weit geht das böse Spiel der unbekannten Drahtzieher tatsächlich? Gunn fallen immer wieder gute Wendungen und Kniffe ein, um die Spannung hochzuhalten und den Zuschauer in die irre zu führen. Und McLean setzt diese Ideen in blutige, gemeine Momente um.

Das Belko-Experiment
Auch die Haustechnik (Michael Rooker, David Dastmalchian) findet keinen Weg, das Gebäude zu verlassen.

Kein Leerlauf

James Gunn gelingt es, eine Story zu entwerfen, die vor allem von ihrer Glaubwürdigkeit angesichts der natürlich sehr konstruierten Ausgangslage lebt. Wer sich im Kinosaal fragt, was er selbst wohl tun würde, hängt bei Gunn an der Angel. Denn der liefert ständig plausible Ideen zum Handeln, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht funktionieren. Bald muss man beim Zusehen feststellen, dass es einem selbst nicht besser gehen würde, wäre man in der gleichen Situation. Und das zwingt tatsächlich dazu, sich mit sehr unangenehmen Entscheidungen auseinanderzusetzen: In welcher Gruppe wäre man wohl selbst? Würde man töten oder sich verstecken, um zu überleben?

Zwar weist der Film immer wieder kurze, schwarzhumorige Elemente auf, aber meist bleibt einem das Lachen im Hals stecken, weil Gunn einen weiteren fiesen Einfall aus dem Hut zaubert. Dazu bringen Regisseur und Autor die Grundidee gnadenlos und konsequent zu Ende, sodass beim Verlassen des Kinos ein unangenehm bitterer Geschmack auf der Zunge zurückbleibt. Natürlich ist Das Belko-Experiment ist kein neuer Herr der Fliegen, aber er erzählt seine Geschichte hart, böse und immer mit Zug zum Tor zu Ende. Nicht umsonst bekam der Film die inzwischen seltene Freigabe ab 18 Jahren. Das darf man ernst nehmen – hier werden keine Gefangenen gemacht.

Fazit:

Garantiert kein Film fürs erste Date, außer der potenzielle Partner ist ausgewiesener Horror-Fan. Das Belko-Experiment ist ein lupenreiner Horrorfilm in der Terror-Variante, der ordentlich an den Nerven zehrt und recht blutig zu Werke geht. In knackigen 90 Minuten spielt er geschickt mit den Erwartungen und Sympathien des Publikums und erzählt die Story konsequent und sehr böse zu Ende. Für Gorehounds und Fans von rabenschwarzem Humor ein kleines Highlight, für den Rest wohl zu heftig.

Das Belko-Experiment startet am 15. Juni in den deutschen Kinos.

Das Belko-Experiment
Wer keine guten Nerven hat oder kein Blut sehen kann, sollte es diesen Herrschaften gleichtun und das Kino fluchtartig verlassen.