David Harbour

Filmkritik: Violent Night

Der norwegische Regisseur Tommy Wirkola ist zumindest Freunden von Splatterkomödien kein Unbekannter mehr. Denn mit seinen beiden Teilen von „Dead Snow“ inszenierte er sich in die Herzen der Gorehounds, die ein wüstes Blutbad auch unter humoristischen Gesichtspunkten schätzen. Auch Hollywood wurde nach Dead Snow  auf den Regisseur aufmerksam und er führte Regie bei „Hänsel und Gretel – Hexenjäger„, dem er ebenfalls seinen Stempel aufdrücken konnte. Nun schickt Wirkola den Weihnachtsmann auf eine blutige Rettungsmission zu einer Familie, die Rettung zwar nötig, aber eigentlich nicht verdient hat. Ob „Violent Night“ ebenso blutig und lustig ist wie frühere Wirkola-Werke, klärt die Kritik.

Violent Night
Die kleine Trudy freut sich auf Weihnachten mit der Familie.

Die Handlung

Der Weihnachtsmann (David Harbour) ist müde. In einem englischen Pub lässt er sich volllaufen und bedauert sein Schicksal. Die Kinder heutzutage sind unfreundlich und gierig, der Job als Geschenkebringer macht ihm keinen Spaß mehr. Und in seiner Ehe läuft es auch alles andere als gut. Nachdem er auf dem Weg zu Arbeit noch kurz aus dem fliegenden Schlitten die Pub-Wirtin vollgekotzt hat, beginnt er seine weihnachtliche Tour, die ihn in Millionen Haushalte in aller Welt führt. Allerdings verläuft dieses Jahr Weihnachten für Santa Claus nicht ganz so, wie er es alle die Jahrhunderte vorher gewohnt war.

Denn als er im Haus der Lightstones eintrifft, bietet sich ihm eine besondere Situation. Die junge Trudy (Leah Brady), die fest an den Weihnachtsmann glaubt, ist mitsamt der ganzen Familie als Geisel genommen worden. Ein Mann, der sich Scrooge nennt (John Leguizamo), hat mit einer Bande von Gangstern das Herrenhaus der sagenhaft reichen Familie um das Oberhaupt Gertrude (Beverly D’Angelo) besetzt und will nun den Safe im Keller ausräumen, in dem er sagenhafte Schätze vermutet. Da trifft es sich gut, dass Santa Claus nicht nur Kampfererfahrungen aus einem früheren Leben mitbringt, sondern im Lauf der Jagd auf ungezogene Jungs und Mädchen auch einen mächtigen Vorschlaghammer findet. Und dann ist da ja auch noch die Magie der Weihnacht …

Bekannte Versatzstücke

Bei einem Musikstück würde man die neueste Arbeit von Tommy Wirkola wohl ein Medley nennen. Denn der Regisseur verfilmt hier ein Drehbuch der „Sonic“-Autoren Pat Casey und Josh Miller, das ein paar der großen Weihnachtfilme der letzten 50 Jahre nicht nur erwähnt, sondern sich gleich ganze Szenen und Plottwists bei ihnen ausborgt. Die beiden bekanntesten sind hier „Stirb langsam 2“ und „Kevin allein zu Haus“, aber wer ein wenig sucht, wird noch Einflüsse und Ideen anderer Weihnachtsfilme finden. Seltsamerweise minderst das den Spaß an Wirkolas bluttriefender Vernichtungsorgie in bester John McLane-Tradition kaum. Denn David Harbour ist als versoffener und trauriger, aber auch tapferer und brutaler Weihnachtsmann eine echte Schau.

So blutig haben böse Jungs lange nicht mehr die Rute bekommen und dabei sind vor allem die Kampfszenen auch edel choreographiert. Hier lässt sich der Einfluss von Produzent David Leitch („John Wick“) nicht leugnen, der garantiert einige seiner besten Stunt-Leute mit ans Set gebracht hat. Besonders Santas Gemetzel in einem Gartenschuppen wird Fans von harter Action definitiv gefallen. Hin und wieder leistet sich das Script von Casey und Miller aber auch Längen, die Wirkola nicht auffangen kann. So ist die klischeehaft fiese Familie von Superreichen zwar gleichermaßen doof wie abstoßend, allerdings trägt das über weite Teil des Films, die sich mit ihnen beschäftigen, nicht wirklich zur Unterhaltung bei, sondern wirkt eher ermüdend.

John Leguizamo
Doch ein Gangster mit seiner Bande verdirbt den Weihnachtsabend mit einem Raubüberfall.

Santa im Rachemodus

Immerhin hat sich Wirkola mit John Leguizamo einen Schauspieler geholt, der den Fiesling mit passender Attitüde derart überzeichnet, dass der comichafte Plot davon sehr profitiert. Uneingeschränkter Star des Films ist aber David Harbour, der neben seiner enormen physischen Präsenz auch die passende Schwermut in den Charakter projiziert, um dem hier als Actionstar agierenden Charakter auch eine Gravitas mitzugeben, die man in einem solchen Film nicht vermuten würde. Im Zusammenspiel mit der entzückenden Leah Brady gelingen Harbour ein paar überraschen gefühlvolle Weihnachtsmomente in dem ansonsten blutigen Action-Comedythriller, der seinen Namen Violent Night nicht nur mit Stolz, sondern auch zurecht trägt.

Und so holt Wirkola mit seinem neuen Film nicht nur die Fans ab, die er sich mit Dead Snow erworben hat, wenngleich es natürlich nicht ganz so derbe zugeht wie dort, macht aber auch Cineasten mit den vielen Anleihen und Verbeugungen vor anderen Filmen Freude. Weil Violent Night sowohl Weihnachtsfans (mit viel rührigem Familienkitsch) als auch Weihnachtshasser (mit genussvoller Zerstörung sämtlicher Weihnachtsutensilien) abholt, ist die potenzielle Zielgruppe jedenfalls groß. Dass der 111 Minuten lange Film sicher 20 Minuten kürzer hätte ausfallen können, ist allerdings auch keine Frage. So fehlt zum richtigen Kultfilm an der einen oder anderen Ecke doch noch ein wenig. Als launiger Spaß, garantiert nicht für die ganze Familie, geht Violent Night aber absolut in Ordnung.

Violent NIght
Die ganze Familie wird zu Geißeln – auch Trudys raffgierige Tante samt bescheuertem Sohn und noch dümmerem Lover.

Fazit:

Mit Violent Night bleibt der norwegische Regisseur Tommy Wirkola in seiner Komfortzone. Blutige Action mit Splattereinlagen und rabenschwarzer Humor durchziehen sein neues Werk. Dazu verfügt er mit David Harbour über einen ebenso charismatischen wie konsequenten Santa Claus, der dem Film auch ein paar ruhige Momente gönnt, ohne deshalb langweilig zu werden. Ein wenig zu lang ist der Film zwar dennoch geraten, das gilt jedoch nicht für Szenen, in denen Harbour im Mittelpunkt steht. Weil sich das Drehbuch nicht nur bei vielen Weihnachtsklassikern bedient, sondern ihnen gleichzeitig huldigt und weil Wirkola sowohl vorsichtig als auch respektlos mit dem Fest der Liebe umgeht, ist sein neuer Film einfach ein netter Spaß für Actionfans, die auch mal lachen wollen.

Violent Night startet am 1. Dezember in den deutschen Kinos.

David Harbour
Gut für Trudy, dass der Weihnachtsmann im rechten Moment auftaucht und Gefallen an ihren Keksen findet.