Auch wenn es inzwischen Silberstreifen am Horizont gibt, so hat Corona doch noch immer Auswirkungen auf den Alltag. Denn eigentlich hätten die Zuschauer sich den Sci-Fi-Kracher „The Tomorrow War“ mit Chris Pratt und Yvonne Strahovski im Kino ansehen sollen. Doch Paramount, das den Film produzierte, war letztlich doch mehr am sicheren und schnellen Geld interessiert und verkaufte die Rechte an Amazon Prime. Oft haftet solchen Filmen die Vermutung an, dass die Qualität nicht gut genug für die große Leinwand schien und die Studios deshalb froh waren, solche potenziellen Rohrkrepierer an einen Streaming-Dienst zu verkaufen. Sind diese Befürchtungen bei The Tomorrow War berechtigt? Das und mehr klärt die Kritik.
Die Handlung
2022. Im TV läuft gerade das Endspiel der Fußball-WM, als die Geburtstagsfeier von Dans (Chris Pratt) Tochter jäh unterbrochen wird. In einem großen Auftritt erscheinen plötzlich Soldaten in der Fußball-Arena – und die erstaunte Familie samt Gästen verfolgt das Spektakel auf dem Fernseher live mit. Die Botschaft der Neuankömmlinge ist einfach und klar. Aliens werden in 26 Jahren die Erde angreifen und schon 2051, dem Jahr, aus dem sie Soldaten kommen, steht die Menschheit kurz vor der totalen Vernichtung durch die Kreaturen. Die Zukunft braucht Krieger aus der Vergangenheit, um noch eine Chance aufs Überleben zu haben.
Bald erfährt Dan, dass auch er als Rekrut eine Woche Militärdienst in der Zukunft ableisten muss. Längst ist bekannt, dass nur jeder Dritte diese sieben Tage überlebt und zurückkehrt. Und auch beim Transport dorthin kann etwas schief gehen, wie Dan leidvoll erfahren muss. Dennoch gelingt es ihm in seinem ersten Einsatz, wertvolle Daten und Proben der Aliens aus einem Labor zu retten, bevor Miami dem Erdboden gleich gemacht wird. Durch diese Leistung lernt er auch die Chef-Wissenschaftlerin der noch verbliebenen Menschheit kennen. Und das ist ein Schock. Denn hinter Colonel Forester verbirgt sich seine erwachsene Tochter Muri (Yvonne Strahovski) …
Edge of Tomorrow 2.0?
Die Story klingt verdächtig nach dem Sci-Fi-Hit „Edge of Tomorrow“, in dem Tom Cruise und Emily Blunt in einem sich stets wiederholenden Tag gegen Aliens kämpften. Und so ganz von der Hand zu weisen ist dieser Vergleich auch nicht. Hier wie dort geht es um Zeitreisen und um wichtige Informationen, die sich die Menschheit erst mit großen Opfern erkaufen muss. Beide Filme verfügen über ein kluges Drehbuch, das im Fall von Tomorrow War von Zach Dean, einem der zurzeit angesagten neuen Hollywood-Autoren, verfasst wurde. Doch es gibt auch deutliche Unterschiede.
Die liegen vor allem in der Tonalität. Während Cruises Charakter in Edge of Tomorrow eigentlich ein selbstgerechter Drückeberger ist, der erst mühsam in die Heldenrolle hineinwachsen muss, verkörpert Chris Pratt als Lehrer mit Militärvergangenheit den perfekten Helden bereits zu Beginn. Und der deutlich spürbare Humor in Edge of Tomorrow weicht in Tomorrow War dem Pathos. Es ist nicht so, dass nicht auch Cruises Sci-Fi-Kracher seine heroischen Momente zelebriert, doch Tomorrow War nutzt dieses Mittel der Erzählung weitaus häufiger. Und nimmt sich dabei auch deutlich ernster.
Fiese Aliens, gut getrickst
Nahe beieinander sind die beiden Filme dann wieder bei der Tricktechnik. Da kann Tomorrow War mit dem sieben Jahre älteren Edge of Tomorrow gut mithalten und zeigt, dass die Produktion ursprünglich fürs Kino gedacht war. Denn Regisseur Chris McKay, der erstaunlicherweise von Comedy-Produktionen wie „The Lego-Movie“ kommt, kleckert nicht, sondern klotzt richtig los. Ein Miami in Trümmern ist nur der Beginn eines üppigen Effektgewitters, das McKay auf die Bildschirme der Zuschauer zaubert. Dazu gehört auch ein schön-ekliges Kreaturen-Design der Aliens. Sci-Fi-Fans können allein deswegen schon einschalten.
Chris Pratt beweist in seiner Rolle einmal mehr, dass er seinen reinen Comedy-Anfängen mittlerweile entwachsen ist und auch den Actionstar nicht nur witzig wie in „Guardians of the Galaxy„, sondern auch relativ ernst spielen kann. Zwar übertreibt es das Drehbuch zum Finale hin ein wenig mit dem Heldenmut und den Fähigkeiten seiner Figur, aber Pratt bleibt immer sympathisch und gibt dem eigentlich flachen Charakter zumindest so viel Tiefgang, dass das eine oder andere moralische Dilemma recht ordentlich funktioniert.
Davon gibt es allerdings nicht allzu viele. Das Drehbuch beschränkt sich auf die klassische Story von der Invasion, die zurückgeschlagen werden muss, platziert aber immerhin ein paar Seitenhiebe auf das aktuelle weltweite Ignorieren der Klimaerwärmung. McKay inszeniert seinen Star als aufrechten Helden ohne Allüren und mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Allerdings auch ohne besondere Ecken und Kanten. Spaß macht das Ganze trotzdem.
Fazit:
Mit The Tomorrow War hat sich Amazon Prime von Paramount einen Kinofilm geholt, der den Namen verdient. Die Action und die Spezialeffekte haben Top-Niveau und verdecken mit ihrer optischen Wucht auch die eine oder andere mäßig glaubhafte Stelle im Script. Auch wenn das Pathos des heldenhaften Soldaten hier und da überstrapaziert wird, so kann das Ensemble um Chris Pratt, Yvonne Strahovski, Betty Gilpin und J.K. Simmons doch jederzeit überzeugen. Zwar kann der Film nicht ganz mit dem brillanten Edge of Tomorrow mithalten, weit davon entfernt ist er aber auch nicht. Für Sci-Fi-Action-Fans ist The Tomorrow War jedenfalls ein Muss.
The Tomorrow War startet am 2. Juli 2021 bei Amazon Prime (mit deutscher Tonspur).