The Witcher

Serienkritik: The Witcher

Nun ist es soweit. Mit „The Witcher“ startet eine der am meisten erwarteten Serien des Jahres bei Netflix. Die Abenteuer des Hexers Geralt von Riva in einer düsteren Fantasy-Welt begeisterte bereits viele Leser. Weltbekannt wurde die Figur allerdings durch die drei Spiele, von denen das dritte und letzte eines der besten Rollenspiele der vergangenen Jahre war. Hohe Erwartungen also für die acht Episoden der ersten Staffel – wie gut ist The Witcher tatsächlich geworden?

Als der polnische Schriftsteller Andrzej Sapkowski 1993 den ersten Band seiner Witcher-Saga veröffentlichte, blieb der Erfolg hauptsächlich auf Polen beschränkt. Erst das erste Spiel der polnischen Entwickler CD-Project Red erhöhte den Bekanntheitsgrad von Geralt von Riva deutlich. Aber erst das dritte Spiel „The Witcher: Die wilde Jagd“ wurde zum weltweiten Megahit und machte Sapkowskis düsteren Einzelgänger zum Superstar. Kann die Serie da mithalten?

The Witcher
Geralt gerät mit Renfri aneinander, nachdem er ein Kopfgeld für sie angeboten bekam. Sie will, dass er stattdessen den Auftraggeber tötet.

The Witcher: Die Handlung

Geralt von Riva (Henry Cavill) ist ein Hexer, geschaffen für die Jagd auf Monster und deshalb mit großartigen Kampf-Fähigkeiten und einigen magischen Talenten ausgestattet. Nachdem er im Sumpf ein gefährliches Monster besiegt hat und die wertvollen Teile der Kreatur im nächsten Ort an einen Magier oder Alchemisten verkaufen will, gerät er in einen Streit zwischen zwei Partien. Beide wollen, dass Geralt den Anführer der jeweils andere Gruppe tötet. Obwohl Geralt sich nicht einmischen will, fließt schließlich Blut …

Prinzessin Cirilla (Freya Allan), genannt Ciri, ist der ganze Stolz von Königin Calanthe (Jodhi May), der Herrscherin über das Reich Cintra. Als das Reich vom Nachbarland überfallen und erobert wird, muss das Mädchen fliehen. Und gerät so immer tiefer in die Wälder, in denen die von den Menschen vertrieben alten Kreaturen wie Elfen und Dryaden nun leben. Anderswo wird eine junge missgestaltete Frau namens Yennefer (Anya Chalotra) von ihrer Familie an eine mächtige Zauberin verkauft – mit extremen Folgen …

The Witcher: Zum Hexer geboren?

Die Legende besagt, dass Henry Cavill ein großer Fan des dritten Spiels war und sich schon sehr frühzeitig um die Rolle des Geralt bemüht hätte. Showrunnerin Lauren Schmidt Hissrich habe ihn vertrösten müssen, da es zu dem Zeitpunkt noch keine Drehbücher gab, aus denen Cavill hätte vorsprechen können. Doch letztendlich entscheiden sich die Macher von The Witcher für ihn. Und zu dieser Entscheidung kann man sie nur beglückwünschen. Denn es scheint, als sei der Brite für die Rolle geboren, Henry Cavill ist Geralt von Riva, ohne Wenn und Aber.

Neben seinen körperlichen Vorzügen durch das harte Training für frühere Filme wie „Man of Steel“ oder „Krieg der Götter“, gelingt es Cavill auch perfekt, den Charakter Geralts einzufangen und den wortkargen, stets misstrauischen Kämpfer mit eigenem moralischen Kompass absolut glaubwürdig darzustellen. Ihm steht Anya Chalotra als Geralts große Liebe Yennefer in nichts nach. Mit vollen Körpereinsatz spielt sie die scheinbar kühle und doch so leidenschaftliche Zauberin als Femme Fatale und Streiterin für das, was sie für richtig hält.

The Witcher
Um zur Schönheit zu werden, nimmt Zauberin Yennefer Höllenqualen auf sich.

The Witcher: Zweigleisige Serie

Sapkowski hat in seinen Geschichten um Geralt immer wieder Fragen nach Moral und dem Sinn von Gut und Böse gestellt. Das haben sowohl die Spiele sehr gut umgesetzt als auch jetzt die Serie, die ausschließlich auf Sapkowskis Büchern und nicht auf den Games beruht. Die Serienmacher greifen dieses Thema schon in der Pilotfolge auf und zeigen, wie schwer es manchmal sein kann, das Richtige zu tun, wenn einfach niemand das zulassen will. Mit klassischer High-Fantasy hat The Witcher daher auch nur sehr wenige Gemeinsamkeiten, Schwarz und Weiß gibt es hier nicht.

Stattdessen zeigen die Macher dem Zuschauer einen düsteren, namenlosen Kontinent, auf dem verschiedene Königreiche um Macht und Einfluss und andere deshalb um ihr Überleben kämpfen. Geralt will sich als einfacher Monsterjäger nicht in diese Intrigen verwickeln lassen, scheitert aber immer wieder daran. Und wird wider Willen zum Kämpfer für eine Sache, hinter der er eigentlich gar nicht steht. Doch das Pferd will gefüttert, seine Rüstung ausgebessert und auch seine Libido ausreichend gepflegt werden. Also muss Geld her, so oder so.

Schmidt Hissrich folgt dabei zwei Prämissen. Zum einen erzählt sie die Kurzgeschichten, die Sapkwoski im ersten Witcher-Band zusammenfasste und gibt der Serie dadurch einen durchaus seriellen Anstrich. Denn jede Folge hat für sich genommen ein (nicht immer gutes) Ende. Gleichzeitig beginnt sie aber auch schon die große Saga, die Sapkowski in fünf Romanen erzählte. Und die sich um Geralt, Ciri und Yennefer dreht. Alle Figuren führt The Witcher gut ein, das große Abenteuer startet in Staffel eins der Serie aber (noch) nicht.

The Witcher
Prinzessin Ciri wird durch ihre Flucht in ein komplett neues, ihr unbekanntes Leben gestoßen.

Reiches Universum, aber kein Game of Thrones

Der leidige Vergleich mit der Fantasy-Übermacht begleitet die Serie schon, seit sie zum ersten Mal angekündigt wurde. Wird The Witcher das neue Game of Thrones, war da in jedem zweiten Artikel zu lesen. Wer Romane und/oder Spiele kennt, wusste die Antwort darauf schon lange. Nein, die parallelen sind dünn. Zwar sind beide Serien recht blutig und scheuen sich auch nicht, nackte Haut zu zeigen. Aber damit hören die Gemeinsamkeiten dann auch schon auf. Während in Westeros der Kampf zwischen den großen Häusern tobt, hat Geralt in seiner Heimat mindestens so oft mit einfachen Menschen wie mit Königen zu tun.

Dazu ist Magie in Geralts Welt Alltag, viele sind dazu fähig, sie zu nutzen. Während Game of Thrones außer den Drachen und den Priestern des Lichts wenig Fantasy-Inhalte bot, ist The Witcher voll davon. Trotzdem steht Geralts Universum der Realität in vielen Bereichen näher als Westeros das tut. Denn der Hexer erlebt alltäglichen Rassismus (hier gegen Elfen, Zwerge und andere nichtmenschliche Rassen), Sexismus und Gewalt in seiner Welt – und das Publikum mit ihm. Das macht The Witcher aktueller und realistischer als viele Zuschauer vielleicht erwarten. Das erinnert mitunter stark an Amazon Serie „Carnival Row“.

Dennoch verliert die Serie nie den Fantasy-Touch. Und sorgt so für ein faszinierendes Seh-Erlebnis, bei dem das Publikum mit fremden und doch nur allzu bekannten Kreaturen und Menschen konfrontiert wird. Wenn The Witcher eine Schwäche hat, dann ist es der Eindruck des Aufgalopps, den die Serie in den ersten fünf Folgen nie ganz ablegen kann. Da stellt Schmidt Hissrich die Figuren aufs Schachbrett, aber die Partie hat noch nicht wirklich begonnen. Gut, dass die Macher die Serie bereits auf sieben Staffeln durchgeplant haben, eine zweite ist bereits bestellt. Und das grandiose Finale zeigt, was alles möglich ist, wenn im Erfolgsfall das Budget steigt und die Story anfängt, sich zu entwickeln.

Fazit:

Das Warten hat sich gelohnt. Für Fans ist The Witcher genau das, was sie erwarten durften: dreckige, erdige Fantasy mit viel Bezug zur aktuellen Realität. Wer sich in der Welt von Geralt bisher nicht auskennt, bekommt hier einen guten Einblick und kann sich an zahlreichen, Hollywood-reif inszenierten Monstern, tollen Schwertkämpfen und sehr erwachsenen Themen erfreuen. Nur wer hier ein zweites Game of Thrones erwartet, wird möglicherweise enttäuscht. Das war aber auch sichtbar nicht das Ziel der Serienmacher.

The Witcher startet am 20. Dezember 2019 bei Netflix.

Gesehen: Achtvon acht Folgen

Wenn es um die richtige Entscheidung geht, legt sich Geralt sogar mit Königinnen an.