Tom Cruise

Filmkritik: Top Gun Maverick

Ganze 36 Jahre hat es gedauert, bis einer der angesagtesten Actionfilme der 80er eine Fortsetzung bekam. In „Top Gun Maverick“ setzt sich der optisch sicher nicht um 36 Jahre gealterte Tom Cruise noch einmal ins Cockpit der schnellsten Kampfjets der Welt. Da mit Tony Scott der Regisseur des ersten Teils nicht mehr zur Verfügung stand, holte Produzent Jerry Bruckheimer diesmal John Kosinski für die Inszenierung. Der hatte Cruise bereits 2013 in „Oblivion“ gut aussehen lassen. Warum der Film eine sowohl positive wie negative Zeitreise darstellt, klärt die Kritik.

Top Gun maverick
Pete Maverick Mitchell soll die neuen Elite-Piloten der Navy für einen gefährlichen Einsatz trainieren.

Die Handlung

Pete „Maverick“ Mitchell hat schon bessere Tage gesehen. Obwohl er bereits mehr als 30 Jahre zu den Elitepiloten der Navy gehört, ist er lediglich Captain, da ihm sein regelmäßiger Ungehorsam und seine Alleingänge höhere Ämter verwehrten. Auch in einem Testflug-Zentrum gelingt es ihm, den zuständigen Admiral (Ed Harris) gründlich zu verärgern. Doch für Streit bleibt keine Zeit, denn Maverick wird in seine alte Wirkungsstätte zurückbeordert – das Top Gun-Programm. Sein alter Freund Tom „Iceman“ Kazansky (Val Kilmer), mittlerweile Admiral, hat ihn persönlich angefordert. Maverick soll einen Haufen junger Piloten auf eine extrem schwierige Mission vorbereiten. Und ihnen seine Tricks zeigen, damit sie möglichst lebend zurückkehren.

Seine neuen Befehle bringen ihn aber auch in anderer Hinsicht zurück in ein altes Leben. Denn er sieht seine einstige Liebe Penny (Jennifer Connolly) wieder, die in der Nähe des Stützpunktes eine Strandbar betreibt. Und schnell muss er feststellen, dass seine Gefühle für sie noch quicklebendig sind. Allerdings sind nicht alle so begeistert von Mavericks Rückkehr wie Penny. Sein neuer Vorgesetzter Simpson (Jon Hamm) kann den waghalsigen Piloten nicht leiden. Und auch der junge Pilot Bradley „Rooster“ Bradshaw (Miles Teller), der Sohn von Mavericks tödlich verunglücktem Wingman „Goose“, ist alles andere erfreut, den seiner Meinung nach Schuldigern am Tod seines Vaters als neuen Ausbilder zu bekommen …

Top-Action

Man kann über Tom Cruise ja denken was man will. Genug Angriffsfläche für Attacken auf den Scientologen gibt es sicher genug. Aber man muss auch neidlos anerkennen, dass Cruise ein harter Arbeiter und Perfektionist ist. Denn was er in der „Mission Impossible„-Reihe an körperlichem Einsatz und Risiko an den Tag legt, gilt auch für Top Gun Maverick: Den Großteil der waghalsigen Stunts hat der inzwischen 59-jährige selbst gemacht. Cruise ist seit dem ersten Film begeisterter Hobbypilot und darf mittlerweile so gut wie alles fliegen, was für Zivilisten zugelassen ist. Und er kommt offensichtlich auch in Kampfjets gut zurecht, denn viele der atemberaubenden Aufnahmen des Films zeigen ihn deutlich erkennbar selbst im Cockpit.

Und das ist auch das große, wenn nicht einzige Plus des Films: die Action. Bereits Tony Scott drehte 1986 mit tatkräftiger Unterstützung des US-Militärs seine von Patriotismus triefende Heldensaga in beeindruckender Optik, Kosinski übertrifft durch moderne Technik diese Bilder aber bei weitem. Wenn Cruise mit seinem Jet dicht über dem Boden fliegt oder waghalsige Manöver zwischen anderen Maschinen zeigt, dürfte das auch Cruise-Gegnern zumindest Respekt abnötigen. Selten gab es so dynamische und mitreißende Flugszenen zu sehen wie in der Fortsetzung des Erfolges von 1986. Und im Gegensatz zum ersten Film, der in einem kalten Krieg gegen die Sowjetunion spielt, dreht sich bei Top Gun Maverick die Story um einen echten Kampfeinsatz, der tödlich enden kann. Doch das bleibt erschreckend vage.

Jon Hamm
Mavericks Vorgesetzter Simpson ist kein Fan des draufgängerischen Piloten.

Aus der Zeit gefallen

Denn der Film erklärt zwar den Einsatz gegen eine Uran-Anreicherungsanlage penibel genau. Er verschweigt aber, gegen wen hier überhaupt gekämpft werden soll. Der Feind bleibt hier unklar und damit austauschbar, spielt aber auch keine Rolle. Denn wer hier siegt, ist ohnehin klar. 1986 bediente Top Gun einen plumpen Hurra-Patriotismus, der die USA an der Spitze der militärischen Nahrungskette präsentiert – und daran hat sich 2022 nichts geändert. Was 1986 noch funktionierte, sollte aber 36 Jahre später zumindest infrage gestellt werden. Kosinski und Bruckheimer schert das nicht. Sie präsentieren eine Story, die keinerlei Reflektionen über die Zeit nach 1986 beinhaltet. Sondern die gleichen Testosteron-Maschinen in die Flieger setzt wie damals.

Und das wirkt in manchen Szenen fast wie eine Parodie auf Top Gun und nicht wie eine Fortsetzung. Schon in der ersten Szene, wenn die Besatzung eines Flugzeugträgers jeden Jet-Start feiert, als hätte man gerade einen Krieg gewonnen, setzt Kosinski die plumpe Maschinerie in Gang. Und ändert dieses Konzept im ganzen Film nicht. Konflikte? Räumt man aus,  in dem man zusammen fliegt, dann muss man nicht mehr reden. Frauen? Warten Jahrzehnte auf den Traumprinzen. Gegner? Haben netterweise alte US-Jets in der Nähe stationiert, falls ein Angreifer beim Einsatz abstürzt und eine ihm bekannte Maschine für den Flug nach Haus benötigt. Was Kosinski hier an dummen und platten Klischees auftischt, gab es so vielleicht seit 1986 im Blockbuster-Kino nicht mehr zu sehen. Ernst nehmen sollte man dieses Fantasy-Kriegsspiel also nicht.

Top Gun Maverick
Mavericks einstige Freundin Penny ist hingegen erfreut über das unerwartete Widersehen.

Ein anrührendes Wiedersehen

Immerhin gelingen Kosinski neben den Actionsequenzen, für die er zu Recht gefeiert wird, auch einige wenige, emotionale Höhepunkte. Wenn Cruise auf Val Kilmer trifft, der tatsächlich schwer krank ist, dann rührt diese Begegnung deutlich mehr an, als der lustlos geschriebene und streckenweise fast albern wirkende Konflikt zwischen Maverick und dem Sohn seines toten Freundes. Tolle Bilder erzeugen, das kann John Kosinski zweifelsfrei. Die sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Top Gun Maverick ansonsten wie aus der Zeit gefallen wirkt. Flache Charaktere, wenig glaubhafte Story und ein Superheld, der wohl selbst mit Leonardo Da Vincis Fluggerät noch gegnerische Jets austricksen könnte. Action genießen ja, aber dann doch besser auch Hirn ausschalten.

Fazit:

Actionfans, die nichts anderes sehen wollen als möglichst spektakuläre Flugmanöver und Kämpfe zwischen Hochleistungsmaschinen in Hochleistungsmaschinen, sind in Top Gun Maverick gut aufgehoben. Genau wie jene, die mit der Fortsetzung nach 36 Jahren noch einmal ihre eigene Jugend zurückholen möchten und den coolen Cruise dafür feiern, dass er ihnen das ermöglicht. Filmfans, die auch auf eine vernünftige Handlung und glaubhafte Figuren Wert legen, könnten vom neuen Cruise-Vehikel aber enttäuscht sein. Denn die nostalgische Zeitreise ist leider auch in Sachen Weltbild in den 80ern geblieben. Aber klar, der Film soll ja auch nur unterhalten. Was er fast parodistisch irgendwie auch tut.

Top Gun Maverick startet am 26. Mai 2022 in den deutschen Kinos.

Tom Cruise im Cockpit
In der Luft ist Maverick immer noch das Maß aller Dinge. Kann er das auch lehren?