Space. The Final Frontier. So begann einst die Original-Star-Trek-Serie mit William Shatner als Captain James Tiberius Kirk, der diese Worte im Vorspann aus dem Off sprach, um das Publikum auf das einzustimmen, was im Jahr 1966 noch ein eher ungewöhnliches Thema im US-Fernsehen war. Das Kreativ-Trio der neuen Serie „Star Trek Strange New Worlds“, Akiva Goldsman, Alex Kurtzman und Jenny Lumet, lässt ihren Captain Christopher Pike die gleichen Sätze sagen – und legt damit auch den Kurs des neuesten Trek-Ablegers fest. Die Enterprise soll mit Kirks Vorgänger im Stuhl des Captains in wohl bekannte Galaxien vorstoßen, die schon viele Menschen gesehen haben – und damit erfolgreich werden. Ob das klappt, verrät die Kritik.
Die Handlung
Captain Christopher Pike (Anson Mount) ist nach den Ereignissen um die Discovery (zu sehen in Star Trek Discovery Staffel 2) ein anderer Mensch. Um eine große Bedrohung abzuwenden, hatte er sich an einen mystischen Ort begeben, dort aber mehr erfahren, als er wollte. Denn zusätzlich zum Kristall, denn er von dort holte, bekam er auch das Wissen um seinen eigenen Tod nur wenig Jahre in der Zukunft mit auf den Weg. Und diese Information lässt ihn am Sinn seines Daseins als Sternenflotten-Captains zweifeln. Doch sein Rückzug ist nicht von Dauer, denn sein Vorgänger auf der Brücke der Enterprise, Robert T. April (Adrian Holmes), mittlerweile Admiral, sucht ihn persönlich auf und erzählt ihm, dass der Kontakt zu Pikes erstem Offizier Una (Rebecca Romijn) abgerissen ist.
Die befand sich auf einem Einsatz zum Erstkontakt mit einer neuen Spezies, die den Warp-Antrieb entwickelt hat. Und meldet sich seit Tagen nicht mehr. Um seine Kameradin zu retten, setzt sich Pike erneut in den Stuhl des Captains, sammelt unterwegs noch seinen Wissenschafts-Offizier Spock (Ethan Peck) ein und macht sich auf den Weg zu dem Planeten, auf dem der Kontakt stattfinden sollte. Bald muss er feststellen, dass sich die Situation anders darstellt als erwartet – und dass seine eigenen Entscheidungen der Vergangenheit hier eine viel größere Rolle spielen, als ihm vorher klar war. Das bringt ihn in Konflikt mit dem wichtigsten Gesetz der Föderation …
Extreme Fan-Reaktion
Da ist sie nun, die langerwartete neue Serie, in die vor allem langjährige Fans große Hoffnungen und Erwartungen setzen. In den USA wurde sie schon als beste Serie seit „Raumschiff Enterprise – das nächste Jahrhundert“ gefeiert, wohlgemerkt nach einer Folge! Und tatsächlich kehrt Strange New Worlds zu dem Konzept zurück, das Discovery und Star Trek Picard zuletzt verlassen hatten: der abgeschlossenen Einzelfolge. Erstaunlich viele machen die Qualität aber auch daran fest, dass weniger Frauen mitspielen und nicht so viele LGBTQ-Charaktere große Rollen bekleiden. Hier fragt man sich bereits, ob Gene Roddenberrys Idee von Star Trek wirklich verstanden wurde.
Wieder andere regen sich, zum Teil sicher nicht unberechtigt, über Fehler im Kanon auf. Und wirklich kommt es in den neuen Serien durchaus zu Fehlern oder Unstimmigkeiten, weil die Autoren sich offensichtlich nicht die Mühe machten, vorher zu checken, ob gegen ihre Ideen nicht etwas spricht. So erwähnt Star Trek Picard in Staffel 2 kein einziges Mal Jean-Lucs älteren Bruder Robert, der sowohl in der TNG-Serie als auch im ersten Kinofilm der neuen Generation vorkommt. Und das, obwohl Picards Familiengeschichte in der Staffel eine zentrale Rolle spielt. Und ein simpler Satz wie „Robert ist im Internat“ schon genügt hätte. Das ist schlampig und für Fans zurecht ärgerlich. Aber macht Strange New Worlds das wirklich besser?
Erwartungshaltung aufgebaut
Nein. Denn was Captain Pike hier an Verletzungen der Ersten Direktive begeht, müsste die Serie streng genommen nach einer Folge auch schon wieder beenden. Hier eher als Kavaliersdelikt abgetan, ist das im Rest-Kanon von Star Trek in aller Regel ein Karriere-Killer. Und wurde eigentlich nur dann gebrochen, wenn Autoren ohne Background am Werk waren – wie zum Beispiel bei „Star Trek Nemesis“. Die große Treue zum Kanon kann es also nicht sein, die die Fans in Verzückung treibt. Und die erste Folge bezieht ihre Faszination denn auch aus anderen Zutaten. An erster Stelle ist hier sicherlich das zu nennen, was im Fachjargon mit Foreshadowing bezeichnet wird. Christopher Pike kennt sein unveränderliches Schicksal und das macht ihm – sicher nicht nur – in der ersten Folge schwer zu schaffen.
Zudem ist mit dem Sicherheitsoffizier La’an Noonien Singh (Christina Chong) eine Verwandte von Khan an Bord, was ebenfalls noch Thema werden dürfte – oder zumindest könnte. Und auch eine gewisse Uhura (Celia Rose Gooding) steckt voller potenzieller Geschichten, deren Wurzeln seit bald 60 Jahren existieren. Auch Schwester Chapel (Jess Bush) ist bereits in der Original-Serie dabei gewesen. Von Spock mal ganz zu schweigen. Dass Paul Wesley in Staffel 2 den jungen James Kirk verkörpern wird, ist auch schon bekannt. Es ist also wohl bei vielen Fans das Gefühl, zu den Wurzeln des Franchises zurückzukehren, das sie Strange New Worlds über den grünen Klee loben lässt. Wobei hier keineswegs der Eindruck entstehen soll, das sei komplett unverdient. Denn Folge eins der neuen Serie ist richtig gut.
Starker Auftakt
Das beginnt beim guten Tempo. Nach einem sehr stimmungsvollen Beginn in den Bergen von Montana geht es auf Vulkan weiter, bevor der Zuschauer gemeinsam mit Captain Pike dann einen Fuß in die Enterprise setzt. Die abschließende Mission (die interessanterweise gleich alle drei Führungsoffiziere vom Schiff holt, was nach Sternenflotten-Protokoll nicht erlaubt ist, aber das haben eigentlich nur TNG, DS 9 und Voyager halbwegs berücksichtigt) ist spannend in Szene gesetzt und legt auch den Kurs für weitere Episoden fest. Pike trifft seine eigenen Entscheidungen nach seinem persönlichen moralischen Kompass, was die meisten legendären Captains der Trek-Serien auszeichnet. Und kann sich bereits auf eine eingeschworene Crew verlassen, bevor die letzten Offiziere im Finale der Episode überhaupt an Bord kommen.
Tricktechnisch bewegt sich Strange New Worlds dabei auf dem Niveau von Discovery und Picard und könnte so auch im Kino laufen. Und die Optik vereint die heutigen Möglichkeiten der Darstellung mit dem Design von damals, was sich gut an den Uniformen festmachen lässt. Der Hauptgrund für den Spaß an der Auftaktfolge ist aber Anson Mount, dem es gelingt, den bereits erfahrenen Sternenflotten-Captain glaubhaft darzustellen und dennoch seinen inneren Konflikt gut zu thematisieren. Akiva Goldsman, der die erste Folge schrieb und inszenierte, setzt hier bewusst auf Mount als Flaggschiff der Charaktere. Und der dankt es ihm mit einer souveränen Leistung, die er bereits in Discovery zeigte. Potenzial für eine großartige Star Trek-Serie ist also da, das bereits nach einer Folge sicher zu wissen, scheint hingegen verfrüht.
Und ob Roddenberry mit diesem Blick zurück so richtig glücklich gewesen wäre, ist auch eine berechtigte Frage. Paramount ist jedenfalls sehr zufrieden und bestellte eine zweite Staffel bereits vor der Ausstrahlung der ersten Folge.
Fazit:
Star Trek Strange New Worlds beginnt mit einer starken Auftaktfolge, die allerdings ähnliche Kanon-Schwächen zeigt wie die zuletzt dafür gescholtenen anderen neuen Serien. Sonst gibt es aber wenig zu kritisieren. Die Story ist gut und passt ins Trek-Universum. Die bereits bekannten Darsteller schlüpfen mühelos wieder in ihre Rollen, die neuen Mitglieder der Crew zeigen ebenfalls Potenzial. Die Tricks sind auf hohem Niveau und die Rückkehr zu Einzelfolgen verspricht viel Abwechslung in den einzelnen Episoden. Ob die Serie dieses gute Niveau halten oder sogar ausbauen kann, muss aber erst die Zeit zeigen. Die Lichtjahre, die Strange New Worlds nach Meinung mancher Fans besser ist als alle anderen zurzeit laufenden Trek-Serien, sind mit etwas kühlerem Blick auf die Pilotfolge jedenfalls noch nicht zu sehen.
Star Trek Strange New Worlds ist ab dem 8. Dezember 2022 im neu gestarteten Streamingdienst Paramount+ zu sehen.