Stateless

Serienkritik: Stateless

Cate Blanchett hat in zahlreichen Blockbustern mitgespielt, darunter die Rolle der unsterblichen Elbin Galadriel in den „Herr der Ringe“-Filmen. Daneben spielte die 51-jährige aber auch immer wieder Theater und geht seit kurzer Zeit auch unter die Produzentinnen. Mit „Stateless“ arbeitete sie vor und hinter der Kamera an einem brisanten Flüchtlings-Drama mit. Wie gut ist es?

Europa ist nicht der einzige Kontinent, der sich mit einer Flut an Flüchtlingen auseinandersetzen muss. Auch in Australien kommen viele Menschen an, die aus Asien stammen und vor Krieg, Verfolgung und Armut ins reiche Australien fliehen wollen. Allerdings ist das Land mittlerweile für eine rigorose Politik gegen die Bootsflüchtlinge bekannt, die von einem nicht unbeträchtlichen Teil der Bevölkerung allerdings getragen wird. Dieses alles andere als einfache Thema nutzt Blanchett für ihren Sechsteiler, der auch noch auf wahren Begebenheiten beruht. Geht er auch an die Nieren?

Stateless
Ameer und seine Familie werden auf der Flucht nach Australien getrennt.

Stateless: Die Handlung

Sophie (Yvonne Strahovski) ist psychisch labil, leidet seit Jahren unter ihrer übermächtigen Mutter und der erfolgreichen Schwester. Schließlich fällt sie auf der Suche nach Halt in die Fänge einer Sekte, angeführt von Gordon (Dominic West) und Pat (Cate Blanchett). Schließlich ist sie so verzweifelt, dass sie sich mit einem gestohlenen Pass in ein Flüchtlingscamp der Regierung begibt und als deutsche Staatsbürgerin ausgewiesen werden möchte. Doch der Schwindel fliegt auf …

Ameer (Fayssal Bazzi) floh mit Frau und zwei Töchtern aus Afghanistan und strandet in Malaysia, wo er auf Plätze für alle auf einem Schlepperboot wartet. Doch er wird von seiner Familie getrennt und kommt erst Monate später im australischen Lager an. Dort erwartet ihn die Hölle …

Cam (Jai Courtney) hat seinen Job auf dem Bau satt und nimmt die Stelle als Wärter im Flüchtlingslager an, weil sie viel besser bezahlt ist. Zu Beginn gefällt ihm das bessere Gehalt und der damit verbundene bescheidene Luxus für die Familie. Doch bald meldet sich Cams Gewissen …

Claire (Asher Keddie) arbeitet für die Regierung und wird zum Flüchtlingslager abkommandiert, um die Probleme dort zu lösen. Doch die ehrgeizige Beamtin stößt mit ihrem kalten Pragmatismus bald an Grenzen, die sie eigentlich nicht überschreiten wollte. Ihre Reaktion darauf hat schlimme Folgen …

Stateless: Fair, aber unbarmherzig

Stateless geht nicht den leichten Weg und drückt mit den Schicksalen der Flüchtlinge auf die Tränendrüse. Stattdessen bemüht sich das Drehbuch um eine differenzierte Sichtweise, das auch die Perspektiven der Wachen, der Regierung und der Einwohner Australiens nicht unter den Tisch kehrt. Sonderlich freundlich geht das Script allerdings mit keiner dieser Gruppen um. Dafür zeichnet es ein düsteres Bild einer Politik, die Asylsuchende faktisch zu Gefangenen macht, weil ihre Anträge jahrelang nicht bearbeitet werden. Obwohl das Gesetz es eigentlich so vorsieht.

So gibt es mehrere Gruppen. Die Flüchtlinge, die nicht alle Engel sind und durchaus schlimme Dinge tun, um ihre Not zu lindern. Die Mitarbeiter des Systems, die aus Karrieregründen oder finanzieller Not wegschauen. Und die Menschen, die helfen wollen, dazu aber ebenfalls gegen Regeln verstoßen müssen. Denn die Stimmung im Land wird gegenüber den Flüchtlingen zusehends feindlich. Und inmitten dieses Pulverfasses spielt sich Yvonne Strahovski, selbst Tochter polnischer Einwanderer in Australien, als psychisch kranke Sophie die Seele aus dem Leib.

Stateless
Claire soll das Problem in den Lagern für die Regierung lösen – und stößt bald an ihre Grenzen.

Stateless: Großes Schauspiel

Nachdem ihre US-Karriere in der in Deutschand weitgehend unbekannten Spionage-Comedy-Serie „Chuck“ begonnen hatte, war sie in einigen Kino-Produktionen wie „I, Frankenstein“ zu sehen, bevor sie mit „The Handmaids Tale“ ihren zweiten Serienhit landen konnte. Schon da zeigt sie, was sie kann. Aber in Stateless legt die Australierin nochmals eine Schippe drauf. Die erste Folge, die weitgehend ihr gehört, ist ein wilder Ritt einer hübschen jungen Stewardess in den langsamen Wahnsinn, der ungemein fesselt und schmerzt.

Zum Ende der Folge spielt sie gemeinsam mit Blanchett eine Szene, die eine unglaublich Intensität entwickelt und haften bleibt. Und am Ende dieser Episode versteht der Zuschauer deshalb auch, warum eine weiße Australierin plötzlich in einem Camp für illegale Flüchtlinge landet – und sie dort gar nicht so falsch ist, wie man denkt. Allerdings ist Strahovski nicht die einzige, die in Stateless eine tolle Leistung zeigt. Jai Courtney, den viele nur aus Actionrollen wie „Suicide Squad“ kennen, ist hier ebenfalls sehr sehenswert als Mann mit Gewissen – und Kindern.

Und auch die weiteren Darsteller sind allesamt sehenswert und verliehen ihren Rollen die Authentizität, die Stateless gleichzeitig zu einer faszinierenden und unangenehmen Seh-Erfahrung machen. Denn die Serie macht es dem Zuschauer schwer, einen Schuldigen für die Situation auszumachen. Jeder trägt seinen Teil dazu bei, aber jede der Figuren ist dabei nachvollziehbar und nicht so einfach als Held oder Schurke auszumachen. Zudem ergeht sich das Script nicht in einfachen Lösungen, sondern beschränkt sich darauf, beobachtend die Realität zu zeigen, wie sie ist. Und das reicht völlig.

Fazit:

Stateless ist eine Serie, die in mehr als einer Hinsicht besonders ist. Denn sie ergeht sich nicht in simpler Schwarz-Weiß-Malerei, sondern bietet stattdessen einen differenzierten Blick auf die Flüchtlings-Problematik. Und der ist mitunter deshalb so schmerzhaft, weil er sich so real anfühlt. Und wenig Hoffnung hinterlässt, dass sich diese Tragödien nicht mehr wiederholen. Dabei gibt die Serie nie vor, einfache Antworten auf die komplexen Fragen zu haben, die sich hier stellen. Und ist auch noch toll geschrieben und großartig gespielt. Keine leichte Kost – aber gute.

Stateless startet am 8. Juli 220 bei Netflix.

Gesehen: Vier von sechs Folgen

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Cam wollte nur einen Job, der ein wenig mehr Geld einbringt – und zahlt einen hohen Preis dafür.