Jesse Custer, der Preacher, und Genesis, das Wesen in seinem Inneren, sind in der zweiten Staffel auf der Suche nach Gott. Wer das jetzt metaphorisch auffasst, liegt bei dieser Comicumsetzung aber gänzlich falsch. Jesse hat ein ernstes Wörtchen mit dem Schöpfer zu reden.
Kommt Staffel 3? Die Fakten dazu gibt es hier.
Am 26. Juni kehrt Preacher mit dem Start der zweiten Staffel zurück zu Amazon Prime. Diese wird statt zehn sogar 13 Folgen umfassen, sonst ändert sich aber nicht viel. Die Serie bleibt blutig, weist absurden, bitterbösen Humor auf und glänzt als fiese Satire auf Bigotterie und religiösen Fanatismus. Und weist den tödlichsten Gegner auf, den man sich nur vorstellen kann.
Preacher – Staffel 2: Die Handlung
Die Story schließt direkt ans Ende der ersten Staffel an: Jesse (Dominic Cooper), (Ex)-Freundin Tulip (Ruth Negga) und Vampir Cassidy (Joseph Gielgun) fahren auf einer einsamen Landstraße ihrem Ziel entgegen: einen Mann treffen, der mehr über den Verbleib von Gott auf Erden wissen könnte. Denn der Schöpfer von Himmel und Erde ist verschwunden und treibt sich, so Jesses Theorie, irgendwo auf der Erde herum. Ihre Reise wird jäh von einer Polizeistreife unterbrochen, mit der sich Tulip am Steuer eine wilde Verfolgungsjagd liefert. Als sie schließlich doch gestellt werden, erwartet die drei eine weitere unangenehme Überraschung: Jemand oder etwas schießt auf sie.
Während die gesamte Polizeieinheit dabei ihr Leben lässt, können Jesse, Tulip und Cassidy knapp entkommen. Doch nun wissen sie, dass ein Gegner hinter ihnen her ist, der nicht von dieser Welt scheint: Kugeln können ihn ebenso wenig stoppen wie Worte – oder Autounfälle. Wer die erste Staffel kennt, weiß natürlich, um wen es sich handelt: Der „Saints of Killers“ ist hinter Jesse und Genesis her, um sie zu töten …
Worum geht es doch gleich?
Wer die Serie nicht kennt (Spoiler!) oder wieder auf Stand gebracht werden möchte: Jesse Custer ist ein Priester, der vom Glauben abgefallen ist und eine kriminelle Vergangenheit hat. Eines Tages wird er von einer gewaltigen Macht getroffen, die sich als Genesis herausstellt. Dieses Wesen, das Ergebnis einer Liebesnacht zwischen einem Engel und einer Dämonin, dürfte gar nicht existieren, hat aber gewaltige Kräfte. Die lernt Jesse in der ersten Staffel kennen: Nutzt er Genesis, kann er jedem Menschen in Hörweite Befehle erteilen, die dieser sofort befolgen muss. Als er dadurch herausfindet, dass Gott aus dem Himmel verschwunden ist und als verschollen gilt, macht er sich mit Tulip und Cassidy auf den Weg, den Schöpfer zu finden. Denn er will helfen, falls nötig, und ein paar unbequeme Fragen stellen, falls Gott ohne Not verschwunden ist …
Wie „The Walking Dead“
Auch der Beginn der zweiten Staffel der Serie macht deutlich: Ähnlich wie bei AMCs anderer Erfolgsserie „The Walking Dead“ orientiert sich die Handlung sehr grob an der Vorlage, ist aber keinesfalls eine genaue Umsetzung. Zwar treffen wir Figuren aus den Comics wieder – wie den Saints of Killers, Arseface oder auch Odin Quincannon – aber die Storys sind nicht identisch. So weist Staffel eins wenig Ähnlichkeit mit den ersten Bänden der 66-teiligen Comicsaga auf.
Das könnte sich in der zweiten Staffel allerdings ein wenig ändern, denn die Serie deutet an, Charaktere wie Jesses Großmutter Marie L’Angelle und Herrn Starr, Leiter des „Grail“ einzuführen. Besonders erstere steht im direkten Zusammenhang mit der Suche nach Gott, möglicherweise ist die zweite Staffel also im weiteren Verlauf dichter an der Vorlage als die erste.
Manche Dinge verändern sich allerdings nicht. So ist die gezeigte Gewalt noch immer extrem derb – und Sex haben die Figuren nach wie vor in Unterwäsche. Das ist typisch für den Sender AMC, der zwar mit Blut kein Problem hat, mit nackter Haut hingegen schon. Im Gegensatz zu HBO („Game of Thrones“), Showtime („Shameless“) oder STARZ („American Gods“), die oft und gern explizite Sexszenen zeigen, hält sich AMC hier seit Jahren sehr zurück. Die Vorlage verzeiht es in diesem Fall, denn auch im Comic herrscht weitgehend wüste Gewalt und es gibt nur wenig Nacktheit – wenn auch etwas mehr als in der Serie.
Der „böse“ Ennis
Um Preacher wirklich zu verstehen, sollte man einen Blick auf seinen Schöpfer werfen. Zwar hat Steve Dillon (leider im vergangenen Jahr mit nur 54 Jahren an einem geplatzten Blinddarm gestorben) als Zeichner einen großen Anteil am Look der Serie, aber geschaffen hat dieses ebenso kranke wie unterhaltsame Universum Autor Garth Ennis. Obwohl Ennis lange Jahre für die US-Verlage DC und Marvel gearbeitet hat, kann der 47-jährige Ire Superhelden nicht ausstehen. Und das merkte man seinen Arbeiten auch an. Für DC schuf er beispielsweise Tommy Monaghan, den „Hitman“, der für Superman und Co. nur ein müdes Lächeln übrig hatte. Bei Marvel schrieb er lange den gnadenlosen Rächer „Punisher“ – dichter hat er sich einem Superhelden aber nie genähert. Und wenn ein solcher in seinen Serien auftauchte, machte sich Ennis meist über ihn lustig.
Nach seinem Megaerfolg Preacher, der bei DC unter dem Erwachsenenlabel „Vertigo“ erschien, erklärte er Superhelden dann mit „The Boys“ erst richtig den Krieg und stellte sie als brutale Hedonisten dar, denen seine Antihelden den Kampf ansagen. Ennis sieht sich selbst als „resoluten Atheisten“, was er nirgendwo so deutlich machte wie in Preacher. Der Ire wird von vielen Comicfans in einem Atemzug mit weiteren Größen des Genres wie Alan Moore („Watchmen“) und Neil Gaiman („Sandman“, „American Gods„) genannt. Die Produzenten der Show, unter anderem Schauspieler Seth Rogen, outeten sich allesamt als Riesenfans der Comics und wollten die Serie deshalb unbedingt machen.
Fazit:
Auch die zweite Staffel bleibt dem Geist der Vorlage treu, wirkt aber in den ersten beiden Folgen straffer und zügiger als die zum Teil doch arg langsam erzählte erste. Das liegt sicher daran, dass die Figuren nun eingeführt sind und die Action somit gleich starten kann. Aber die Macher scheinen nun auch ihren Ton gefunden zu haben und genauer zu wissen, wohin sie mit der Story kommen wollen. Achtung! Für Preacher gilt ebenso wie für Serien wie „Legion“ oder American Gods: Wer sonst eher typische US-Serienware wie „Navy CIS“ oder „Bones“ verschlungen hat, dem könnten Jesse Custers blutige, schwarzhumorige Abenteuer schwer im Magen liegen. Denn die Show ähnelt da ihrem Antagonisten Saints of Killers: Gefangene werden nicht gemacht.
Die zweite Staffel von Preacher startet bei Amazon Prime am 26. Juni.