Babylon Berlin

Serienkritik: Babylon Berlin

Lange Jahre in der Produktion, Verschiebungen, Geldsorgen: Das ehrgeizige, deutsche Projekt „Babylon Berlin“ hat bereits stürmische Zeiten hinter sich. Nun startet die Serie endlich am 13. Oktober auf SKY. Hat sich das lange Warten gelohnt, ist die Serie das erwartete Highlight für den internationalen Markt?

Schon 2013 begannen die Arbeiten an der Umsetzung von Volker Kutschers Roman „Der nasse Fisch“ zu einer Serie, die nach dem Wunsch von Drehbuchautor und Regisseur Tom Tykwer mit Serien wie „Die Sopranos“, „Boardwalk Empire“ und „The Wire“ mithalten sollte. Hat sich der bekannte deutsche Regisseur damit nicht etwas zu viel vorgenommen? Oder kann sich Babylon Berlin tatsächlich gegen solche Giganten behaupten?

Babylon Berlin
Das wilde Nachtleben im Berlin der späten 20er spielt eine zentrale Rolle in der Serie – und ist opulent in Szene gesetzt.

Babylon Berlin: Die Handlung

Berlin 1929: Der Kölner Kommissar Gereon Rath (Volker Bruch) ist hinter einem Gangster her, der den Oberbürgermeister von Köln, einen gewissen Konrad Adenauer, erpresst. Dazu arbeitet Rath bei der Sitte und sucht mit dem Kollegen Wolter (Peter Kurth) nach einem Schmuddelfilmer, der verdächtig ist. Dass Rath nach seinen Erlebnissen im Ersten Weltkrieg ein Nervenleiden hat und nur durch regelmäßige Morphium-Einnahmen funktioniert, darf niemand wissen.

Die junge Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) lebt in ärmsten Verhältnissen und hält sich und die Familie tagsüber als Schreibkraft bei der Polizei über Wasser – und nachts als Edelprostituierte. Durch Rath wird sie bald in einen Fall verstrickt, der internationale Ausmaße annimmt.

Der russische Geiger Karakov ist glühender Verehrer von Trotzki und will ihn statt Stalin in Russland an die Macht bringen. Dazu schmuggelt er Reichtümer aus dem Land, um sie über Berlin nach Istanbul zu bringen. Doch er hat einen Verräter in den eigenen Reihen …

Babylon Berlin: Berechtigte Vorschusslorbeeren?

Wenn es im Vorfeld heißt, hier entstehe für deutsche Verhältnisse etwas ganz Besonderes, dann tut man eigentlich gut daran, erst einmal skeptisch zu bleiben. Im Fall von Babylon Berlin ist das aber tatsächlich unbegründet, denn qualitativ übertrifft die Serie alles, was in den vergangenen Jahren an erwähnenswerten deutschen Produktionen zu sehen war. Und das hat viele Gründe.

Da wären die Regisseure und Autoren. Tom Tykwer schrieb und inszenierte die 16 Folgen der beiden ersten Staffeln mit Achim von Borries und Hendrik Handloegten, zwei erfahrenen Fernseh-Regisseuren. Und diese Ansammlung von Könnern bringt Bilder hervor, die so in einer deutschen Produktion nur selten zu sehen sind. Edel gefilmt, großartig geschnitten und fiebrig-hektisch vertont, ziehen sie den Zuschauer binnen Minuten tief ins Berlin der späten 20er und halten ihn fest. Vor allem die letzten zehn Minuten der zweiten Folge, die fast wie ein Musikvideo funktionieren, verdichten den Plot der frühen Folgen derart gut, dass man nur den Hut ziehen kann. Und auch der Beginn von Folge vier, in der Wolter und Rath mitten in die Mai-Unruhen der Arbeiter geraten und fliehen müssen, erinnert in seiner Brillanz an die Schusswechsel aus „True Detective“. Das gibt es auch im Kino selten besser zu sehen. 

Da wäre das Geld. Mit einem Budget von etwa 40 Millionen Euro liegt Babylon Berlin weit vor allen anderen deutschen Produktionen. Doch Tykwer und seine Kollegen haben dafür gesorgt, dass man dieses Budget auch sieht. Dass Geld keine Tore schießt, ist im Profifußball längst eine Binsenweisheit. Und auch Babylon Berlin beweist, dass Geld nicht das Gegenteil von Kreativität ist. So opulente und edel ausgestattete Sets kann man sich als Zuschauer nur wünschen.

Babylon Berlin
Volker Bruch ist als Gereon Rath ein gebrochener Held mit zahlreichen seelischen Narben aus seiner Vergangenheit.

Babylon Berlin: Großartiger Cast

Dazu kommen durchgehend gute Schauspieler. Volker Bruch spielt seinen Gereon Rath als zurückhaltenden, bisweilen arroganten, aber doch zutiefst verletzten Mann, der verbissen nach einem Halt im immer stärker werdenden Chaos um sich herum sucht. Liv Lisa Fries ist als desillusionierte junge Frau in ihrem ständigen Überlebenskampf im Moloch Berlin einfach wunderbar. Mit rotzigem Nora Tschirner-Charme und ihrer Kumpelhaftigkeit verleiht sie ihrer Rolle der Charlotte Ritter einen Mix aus Anziehung und früher Trauer darüber, dass ihr Schicksal womöglich kein gutes Ende nimmt.

Peter Kurth spielt Raths neuen Kollegen Bruno Wolter ebenfalls umwerfend gut. Der erfahrene Cop, der dem Publikum ständig einen wichtigen Teil von sich vorenthält, wird zu einer der spannendsten Figuren in den ersten Folgen. Denn er kann ebenso brutal wie mitfühlend sein, ebenso abweisend und berechnend wie ehrlich Anteil nehmend. Die Liste ließe sich noch fast beliebig fortsetzen. Denn Babylon Berlin bestätigt den alten Spruch, dass es keine kleinen Rollen gibt. Hier ist jeder Charakter passend besetzt und bildet einen Faden im erzählerischen Netz der Serie, in dem man sich als Zuschauer sehr schnell verfängt. 

Babylon Berlin: International deutsch

Und das Beste kommt zum Schluss: Babylon Berlin wirkt in keiner Szene, als habe ein kluger Produzent sich die größten Serienhits der vergangenen Jahre angesehen und sich die besten Teile herausgenommen. Stattdessen suchten sich die Macher eine Vorlage, die in einer der spannendsten Zeiten im Deutschland des letzten Jahrhunderts spielt. Und machten daraus eine packende Serie, die Glanz und Elend der Weimarer Republik als Hintergrund für einen spannenden Plot um Verbrechen und Politik nutzt. Das lässt keinen Platz für Helden, hier sind alle Figuren gebeugt oder gebrochen, hier hat jede Licht- auch eine Schattenseite. So lebendige, glaubhafte Charaktere muss man erst einmal erschaffen – und den Autoren gelingt das oft schon mit ein bis zwei hastig hingerotzten Sätzen. Und das ist sehr beeindruckend.

Ob das nun die beste deutsche Serie ist, die es je gab? Die Frage stellt sich nicht. Weit wichtiger ist die Feststellung, dass Deutschland Serien schaffen kann, die den Vergleich mit den besten internationalen Produktionen nicht scheuen müssen. Ohne deshalb thematisch beliebig oder kantenlos zu werden. Denn Babylon Berlin tritt den Beweis an, dass sich in Deutschland absolut hochkarätiges Fernsehen machen lässt, wenn genug Geld und Können zusammenkommt. Bleibt zu hoffen, dass diese Serie kein Einzelfall ist.

Fazit:

Kaum zu glauben, aber eine der besten Serien des Jahres kommt tatsächlich aus Deutschland! Die jahrelangen Bemühungen der Macher, diese Serie möglich zu machen, hat sich mehr als gelohnt. Babylon Berlin spricht sämtliche Sinne an, reißt sein Publikum in einen emotionalen Strudel und fesselt in jeder Szene. Dafür sorgen großartige Drehbücher, fantastische Sets und Bilder und ein tolles Ensemble. Danke für diesen grandiosen Trip – und bitte mehr davon!

Babylon Berlin läuft ab dem 13. Oktober auf Sky und ab Herbst 2018 in der ARD.

Erste Infos zu Babylon Berlin Staffel 3 gibt es hier.

Babylon Berlin
Liv Lisa Fries als Charlotte Ritter: Wird sie Gereon Raths große Liebe – oder sein Untergang?