Kann ein Film Erinnerungen wachrufen? Auf jeden Fall! „Luca“ beispielsweise, der neueste Film von Pixar, spielt in einem italienischen Fischerdorf im Italien der 60er Jahre. Und wer schon einmal Urlaub im Süden Europas gemacht hat, der weiß beim Anblick der Bilder genau, wie es dort duftet und wie sich die Sonne auf der Haut anfühlt. Hat der Film darüber hinaus auch noch eine gute Story zu bieten? Das verrät die Kritik.
Die Handlung
Luca ist ein Seewesen. Er lebt mit seinen Eltern und seiner Großmutter vor der Küste eines italienischen Fischerdorfs und fürchtet die Landungeheuer zwar, ist aber auch sehr neugierig auf die Wesen, die mit Netzen Fische fangen und offenbar große Angst vor ihm haben. Obwohl seine Eltern ihn ständig warnen, auf keinen Fall an die Oberfläche zu schwimmen, sondern sich auf seine Arbeit als Fischhirte zu konzentrieren, kann Luca es nicht lassen, sich mit den Hinterlassenschaften der Landbewohner zu beschäftigen, die er immer wieder im Meer findet. Eines Tages lernt er auf dem Meeresgrund Alberto kennen, auch ein Seewesen, das aber schon lange an Land lebt! In einem Turm auf einer Insel vor dem Dorf hat sich der halbwüchsige Meeresbewohner ein Zuhause eingerichtet. Denn die Seewesen nehmen an Land Menschengestalt an!
Zuerst spielen die beiden Jungen auf der Insel ganz für sich und träumen von der coolsten Sache im Universum: einer Vespa! Denn damit, da ist sich Alberto ganz sicher, könnten sie die ganze Welt bereisen und alles sehen, was sie sich bisher nur erträumen können. Doch ihre Nachbauten aus Schrott funktionieren nur bedingt. Und so trauen sich Luca und Alberto schließlich in die Siedlung der Landungeheuer, um eine echte Vespa zu finden. Dabei lernen sie nicht nur das Ekel Ercole kennen, sondern auch die freundliche Giulia. Sie träumt davon, das große Triathlon-Rennen aus Schwimmen, Nudeln essen (!) und Radfahren zu gewinnen. Weil die Siegprämie für eine Vespa reichen würde, machen die beiden Jungs mit. Doch Lucas Eltern haben den Braten inzwischen gerochen und suchen ihren Sohn …
Rückkehr zum Kinderfilm
Mit Luca findet bei Pixar nach einigen Werken, die sich nur noch bedingt für Kinder eigneten, zurück zum Familienfilm. Denn der Italiener Enrico Casarosa, der bereits seit fast 20 Jahren an diversen Animationsfilmen („Ice Age“, „Cars“) mitgearbeitet hat, durfte mit Luca sein Langfilm-Regiedebüt geben – und packt eine Menge Kindheitserinnerungen an die Heimat hinein. Dabei ist Luca erstaunlich vollgepackt mit Themen. Es dreht sich um Freundschaft, den Abnabelungsprozess von den Eltern, die Lust daran, Wissen zu erwerben und als wichtigster Punkt Toleranz. Das ist sehr viel vorhersehbarer und einfacher erzählt, als in Filmen wie „Soul“ – und deshalb auch besser für ein jüngeres Publikum geeignet. Die Probleme von Luca, Alberto und Giulia versteht schon ein sechsjähriges Kind.
Auch der Look passt sich an den Inhalt des Films an. In Luca dominieren neben den typischen Pastellfarben der 60er Jahre, ganz besonders schön zu sehen an den Vespa-Modellen, vor allem Meeresfarben. Grün und Blau sind überall, sodass Giulias feuerrote Haare fast aufdringlich auffällig sind. Dabei ist der Fotorealismus früherer Filme, vor allem bei Wasser und Natur, einem kindlicheren Look gewichen, der allerdings perfekt zum Thema passt. Und ist natürlich dennoch beeindruckend gut animiert. Casarosa erzählt seinen Film konsequent aus Lucas Sicht und öffnet so dem Zuschauer die Augen für die Eigenheiten der Menschen, die ein Seewesen nur mit Erstaunen und Ratlosigkeit quittieren kann. Und dich bald feststellt, dass auch die landungeheuer ihre Kinder lieben – genau wie die Seewesen.
Einfache Story, leicht erzählt
Casarosa transportiert seine einfachen und doch ewigen Botschaften dabei klar und schnörkellos, versucht gar nicht erst, seine Geschichte in Allegorien oder Metaphern zu erzählen. Trotzdem ist Luca alles andere als ein flacher Film. Seine Charaktere haben Tiefe, selbst wenn sie nur Nebenfiguren sind. Obwohl Casarosa auch Stereotypen bemüht – wie etwa den blasierten und fiesen Ercole, den Schlagersänger Giovanni Zarella mit hörbarem Vergnügen synchronisiert. Das Erzähltempo in Luca passt sich ganz der Landschaft und Jahreszeit an und geht immer wieder vom Gas, um kunterbunte Traumsequenzen einzustreuen oder die Jungs einfach ein wenig reden zu lassen. Das ist nicht immer spannend, aber es sorgt schon beim Zusehen für ein kleines, entspanntes Gefühl von Urlaub.
Auch der Humor ist in Luca ein wenig kindgerechter als zuletzt. Wo es bei Soul nur wenige Szenen gab, die auch Kinder witzig finden konnten, bietet Luca da deutlich mehr Lacher auch für Jüngere an. Ob das die ungewöhnliche Suche von Lucas Eltern nach ihrem Sohn ist oder die Katze von Giulia und ihrem Vater, die den Mummenschanz der beiden Seewesen schnell durchschaut. Gerade weil die Story in einem vergleichsweise kleinen und trotz der wilden Kids ruhigen Rahmen erzählt wird, hebt sich Luca von den vorigen Pixar-Filmen ein wenig ab. Deshalb ist er nicht besser oder schlechter, sondern einfach nur ein wenig anders. Wer die moderneren Pixar-Ansätze mochte, ist mit Luca vielleicht nicht so glücklich, weil der Film doch sehr traditionell wirkt. Andere wiederum dürften genau das mögen.
Fazit:
Mit Luca hat Pixar im Gegensatz zu den sonst so innovativen Inhalten eine sehr traditionelle und einfache Geschichte zu erzählen. Sie handelt von erster großer Freundschaft, dem Abnabeln von den Eltern, dem Kampf um eigene Freiheiten und Wünsche, aber auch von Toleranz und gegenseitigem Verständnis. Daraus wurden auch schon große Dramen gestrickt. Regisseur Enrico Casarosa belässt es aber bewusst bei einer leichten Erzählweise. Und entführt sein Publikum in einen Kurzurlaub von 90 Minuten, in denen man das Mittelmeer fast spüren kann. Luca ist sicher nicht Pixars bester oder einfallsreichster Film, aber er ist ein wunderbares Sommer-Werk, das viel Spaß macht – auch den jüngeren Zuschauern – und gute Gefühle verbreitet. Das darf dann auch mal reichen.
Luca startet am 18. Juni 2021 bei Disney+.