Vice

Filmkritik: Vice

Mit „Vice“ legt Adam McKay seinen neuen Film vor. Der Regisseur und Autor war in den 2000ern weitgehend für harmlosen Klamauk wie „Anchorman“ bekannt, hat aber bereits in den 90ern auch für das bissige Satireformat „Saturday Night Live“ als Autor gearbeitet. Mit „The Big Short“, einer bösen Satire über den Börsencrsah von 2007 und seine Folgen, legte McKay aber schon 2014 einen neuen Kurs fest. Den er mit seiner einfallsreichen Nacherzählung der Karriere von Vizepräsident Dick Cheney nun weiter verfolgt. Macht er das gut?

Er gilt als schwierig und soll in Hollywood nicht sonderlich beliebt sein. Als Schauspieler hingegen ist Christian Bale unangefochten. Schon mehrfach hat sich der 45-jährige gebürtige Waliser für eine Rolle extremen Strapazen ausgesetzt. So hungerte er sich für „The Machinist“ 2004 auf 45 Kilogramm Körpergewicht herunter, um die Rolle spielen zu können. Für „American Hustle“ futterte er sich 2013 dagegen einen ordentlichen Wanst an. Für die Rolle des Dick Cheney hat er ebenfalls satt an Gewicht zugelegt – und nun winkt erneut der Oscar. Zu Recht?

Vice
Als junger Mann beginnt Dick Cheney seine Karriere bei Donald Rumsfeld. Gemeinsam erleben sie im TV Nixons Ende wegen des Watergate-Skandals.

Vice: Die Handlung

Bereits als junger Mann hat Dick Cheney (Christian Bale) seine Probleme. Er trinkt übermäßig viel, gerät häufig in Prügeleien und treibt es schließlich so weit, dass er sogar von der Uni fliegt. Seine Frau Lynne (Amy Adams) stellt ihn daraufhin vor die Wahl – der Alkohol oder sie. Cheney reißt sich zusammen und wird in den späten 60er Jahren tatsächlich Assistent des gerissenen Republikaners Donald Rumsfeld (Steve Carell), der zu dieser Zeit als Berater in der Nixon-Regierung arbeitet. Cheney ist loyal und verschwiegen – und macht bald Karriere.

So wird er während des Golfkrieges, den George Bush führt, zum Verteidigungsminister ernannt. Privat läuft es allerdings nicht immer rund für den skrupellosen Machtmenschen. Eine seiner Töchter ist lesbisch – und das schadet Cheneys Karriere. Um die nicht zu gefährden, stellt er sich ebensowenig hinter seine Tochter wie später hinter manchen politischen Freund. Schließlich fragt ihn George W. Bush (Sam Rockwell), ob er sich den Posten des Vizepräsidenten der USA vorstellen könnte. Cheney kann – und beginnt bald seinerseits einen Krieg …

Vice: Schwärzester Humor, wohin man sieht

Adam McKay war nie ein Kind von Traurigkeit, was derben, schwarzen Humor angeht. Aber in Vice treibt er diese Leidenschaft in neue Höhen. Derart fiese und gemeine Dialoge wie in diesem Film hat McKay selten geschrieben. Dazu inszeniert er das Ganze mit einem Ideenreichtum, dass das Zuschauer manchmal von der schieren Menge an Abwechslung fast überrollt wird. Und so ist Vice in erster Linie ein Bombardement an Fakten, Vermutungen und Übertreibungen, deren Trennlinien McKay nicht im Geringsten interessieren.

Stimmt das wirklich alles? Ist einiges übertrieben dargestellt? Hat sich McKay das meiste nur ausgedacht? Antworten darauf gibt der Regisseur nicht, verlässt sich auf seine Story, die er immer wieder mit echten TV-Bildern unterfüttert und so suggeriert, dass hier alles wirklich Realität ist. Das hat Oliver Stone bereits 1991 in „JFK“ ähnlich gemacht, wenn auch deutlich ernster als McKay. Und hier wie dort ist die Vermischung von Fakten mit reinen Gerüchten und Spekulationen schwierig, denn der durchschnittliche Zuschauer wird nicht alle sauber einordnen können.

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Viele Jahre später ist Cheney zwar in der Politik etabliert, hat sich aber in die Wirtschaft verabschiedet. Bis George W. Bush ihn als Vizepräsidenten haben will.

Vice: Uramerikanisches Thema

Dazu kommt, dass sich McKay viel an typischen US-Eigenheiten in Politik und Wahlrecht abarbeitet, die es in Deutschland so nicht gibt – und die daher außerhalb der USA sicher grundsätzlich nicht wirklich bekannt sind. So fordert McKay bei seiner Retrospektive von Dick Cheneys fiesesten Karriere-Momenten viel Aufmerksamkeit beim Zuschauer ein – und dennoch werden manche Anspielungen mangels Fachwissen einfach verpuffen. Deshalb lässt McKay seine Figuren auch derart übertrieben handeln, dass er stets eine unwirkliche Atmosphäre erzeugt.

Im Kern erzählt McKay von einem uncharismatischen Machtmenschen, der als Vizepräsident merkt, dass er durch einen Krieg an Befugnissen und Wichtigkeit gewinnt. Und sein Land deshalb mit dreisten Lügen und Behauptungen in den zweiten Irak-Krieg stürzt. Fast jede Szene im Film arbeitet auf diesen Moment hin, wenn Außenminister Powell Cheneys Lügen von irakischen Massenvernichtungswaffen bei den Vereinten Nationen erzählen muss. Und sein Land so zum Angriff auf Husseins Diktatur scharf macht.

Christian Bale spielt den linkischen, aber sehr cleveren Politiker so sicher, dass er in vielen Szenen kaum noch als er selbst zu erkennen ist, so absolut geht er in seiner Rolle auf. Und geht auch als Favorit ins Rennen um den Oscar als beste männliche Hauptrolle. Der Schauspieler hält den Zuschauer den ganzen Film über trotz seiner unsympathischen Figur an der Hand und nimmt ihn mit auf einen ganz fiesen Trip. Schade nur, dass sich diesen Film sowohl in den USA wie auch im Rest der Welt genau die Leute nicht ansehen werden, denen er die Augen öffnen könnte.

Fazit:

Vice ist eine Polit-Satire mit beißendem Spott – und einem brillanten Christian Bale in der Hauptrolle. Wie marode und anfällig das politische System der USA tatsächlich ist, wurde lange nicht so gallig-witzig vorgeführt wie hier. Regisseur und Autor Adam McKay wirft hier nicht nur seine Erfahrung als Satire-Autor in die Waagschale, sondern sprüht auch vor schrägen Ideen, mit denen er seine größtenteils wahre Geschichte um einen Krieg durch ausgedachte Anschuldigungen erzählt. Vermutlich allerdings nur denen, die das ohnehin schon wissen.

Vice startet am 21. Februar 2019 in den deutschen Kinos.

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Sie gewinnen gemeinsam die Wahl. Nach 9-11 sieht Cheney dann seine Chance, durch erfundene Waffendepots im Irak selbst einen Krieg anzuzetteln.