Ralph Fiennes
Disney

Filmkritik: The Kings Man

Vom Schurken zum Helden. Ralph Fiennes hat in seiner Karriere schon einige der verabscheuungswürdigsten Charaktere gespielt, die die Leinwand zu bieten hatte. So glänzte er als KZ-Aufseher Amon Göth in Steven Spielbergs „Schindlers Liste“ oder als finsterer Zauberer Voldemort in der Harry-Potter-Reihe. Als neuer „M“ durfte er dann in den späten Bondfilmen mit Daniel Craig immerhin eine sympathische Rolle spielen. Und nun steht mit einem der Helden in „The Kings Man – The Beginning“ sogar ein echter Held auf dem Plan des 59-jährigen Briten. Der Dritte Teil der Reihe ist gleichzeitig das erste Prequel, das Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Matthew Vaughn in Szene setzt. Wie gut tut dem Stoff der Ausflug in die Vergangenheit? Das verrät die Kritik.

Ralph Fiennes
Als echter Gentleman hat Orlando eigentlich kein Interesse an Abenteuern. Aber diesmal hat er keine Wahl.

Die Handlung

Als Orlando, Duke von Oxford (Ralph Fiennes), 1902 bei einem Besuch in Südafrika durch einen Heckenschützen seine Frau verliert, will er danach nicht nur seinen Sohn Conrad vor weitere Gewalt beschützen, sondern auch Konflikte auflösen, bevor sie zu solchen Situationen führen, in denen unschuldige Frauen sterben müssen. Zwölf Jahre später, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, hat Orlando eine schlagkräftige kleine Truppe um sich versammelt, mit denen der im Geheimen operiert. Der afrikanische Elitekrieger Shola (Djimon Hounsou) und die schlagfertige Schützin Polly (Gemma Arterton) unterstützen Orlando in seinen Bemühungen, den Krieg zu verhindern und den geheimnisvollen Drahtzieher, der sich selbst „Shepard“ nennt, endlich zu enttarnen und auszuschalten. Doch das Team scheitert.

Conrad (Harris Dickinson) ist mittlerweile zum jungen Mann gereift und wünscht sich nichts sehnlicher, als selbst für sein Vaterland in den Krieg zu ziehen, dessen Ausbruch sein Vater nicht verhindern konnte. Das kann Orlando natürlich nicht zulassen. Und so stellt er seinen Sohn in den Dienst seiner kleinen Geheimorganisation, um ihn wenigstens im Auge zu haben. Außerdem zieht Orlando weiter diplomatische Hebel, denn der Kaiser von Deutschland, der Zar von Russland und der britische König (alle Tom Hollander) sind Cousins und so könnte der Appell an die Familie die blutigen Schlachten vielleicht beenden. Doch der Shepard gibt noch lange nicht auf …

Nicht Komödie, nicht Drama

Der erste Kings Men, basierend auf einem Comic von Mark Millar, war an den Kinokassen ein Riesenerfolg. Dennoch hatte er ein Problem, das auch Millars andere Werke wie „Kick-Ass“ zum Teil aufweisen. Von einer Komödie kippen seine Storys immer wieder in brutale, zum Teil zynische Geschichten, die mit dem vorherigen, witzigen Ton nicht so recht zusammenpassen wollen. Der Start der Kinoserie bewies das ebenfalls, denn das Pu8blikum konnte sich nie sicher sein, was noch lustig gemeint war und wo es ernsthaft wurde. Teil 2, der ähnlich erfolgreich war wie Teil 1, machte das deutlich besser und präsentierte Agenten-Klamauk aus einem Guss. Der neue Film The Kings Man macht nun wieder einen Rückschritt und mischt komödiantische Elemente mit bitteren Bildern des Ersten Weltkriegs.

So schwankt die Tonalität zwischen witzigen, manchmal fast albernen Momenten und tiefem Ernst angesichts der Kriegstoten auf den Schlachtfeldern Europas. Dieses emotionale Chaos, in das der Zuschaue gestürzt wird, funktioniert als Film nicht sonderlich gut. Und sorgt dafür, dass nie klar wird, wer hier nun eigentlich der titelgebende, erste Kings Man ist. Und ob das Publikum über den Film lachen oder in Trauer versinken soll. Diese unentschiedene Haltung, was der Film nun genau beim Zuschauer auslösen soll, ist das Hauptproblem von Kings Man – aber es ist nicht sein einziges.

Rhys Ifans
Denn ein geheimnisvoller Drahtzieher hat seine Leute strategisch in allen Königshäusern platziert. Wie den charismatischen Rasputin in Russland.

Wenig Überraschungen

Der geheimnisvolle Bösewicht Shepard hat viele Auftritte, doch sein Gesicht wird nie gezeigt. Dadurch macht Vaughn schnell klar: Der Zuschauer kennt die Person, die dahintersteckt, bereits. Und dann liefert das Script im Verlauf der Handlung genau eine Figur, die für die Rolle des Schurken wirklich infrage kommt. Das ist deutlich zu wenig, um ein aufmerksames Publikum zu überraschen. Und eines von mehreren Ärgernissen des Drehbuches. Denn der schwache Schurke umgibt sich mit Handlangern, die sich Vaughn aus der echten Historie ausleiht. So ist Rhys Ifans als Rasputin, der den russischen Zaren für Shepard beeinflussen soll, die vielleicht albernste Figur des Films, aber nicht die einzig mäßige. Auch Daniel Brühl als Wahrsager Hanussen, der im Dienste Shepards steht, hat wenig zu tun – und wirkt eher gelangweilt als bei der Sache.

Auch die Schauspieler machen häufig den Eindruck, als irrten sie eher ziellos in einem heillos überfrachteten Plot herum, in dem einzelne Charaktere kaum Platz zum Atmen bekommen, von Ralph Fiennes‘ Figur einmal abgesehen. Und so ist der Brite denn auch der einzige, der ein paar starke Szenen für sich verbuchen kann. Darsteller wie Gemma Arterton, Charles Dance oder Aaron Taylor-Johnson wirken hingegen völlig verschenkt, weil sie so gut wie nichts zu tun bekommen. Die Action hingegen kann sich, wie in den beiden anderen Filmen der Reihe, absolut sehen lassen. Und steht anderen Blockbustern in Nichts nach. Auch wenn die gelegentlich übertrieben ausfällt, geht sie als Augenfutter für die Fans in jedem Fall in Ordnung.

Gemma Arterton
Polly ist die einzige Frau in Orlandos Team – und eine gute Scharfschützin.

Erfreulich für deutsche Filmfans sind die Cameo-Auftritte bekannter Schauspieler. So ist Alexandra Maria Lara als Gattin von Orlando zu sehen, August Diel spielt den Politiker Lenin. Und David Kross ist in einer ganz speziellen Rolle zu sehen, die erst in der Post-Credit-Szene geklärt wird – dann aber auch nicht sonderlich überrascht. Doch auch diese netten Momente aus deutscher Sicht machen The Kings Man – The Beginning nicht zu einem guten Film.

Fazit:

Schade eigentlich! Nachdem die Reihe mit „Kings Men – Der goldene Kreis“ zu einem komödiantischen Grundton gefunden hatte, wirft Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Matthew Vaughn dieses stimmige Konzept mit The Kings Man – The Beginning wieder über Bord. Und präsentiert dem Publikum einen kruden Mix aus witzigen, albernen, tragischen und überdrehten Szenen, die zusammen nicht nur viel zu viel Story erzählen wollen, um allen Figuren gebührend Platz zu lassen, sondern auch keinen stimmigen Film ergeben. Daher ist der dritte Teil und das rste Prequel der Reihe auch gleich der Tiefpunkt. Obwohl sich Ralph Fiennes alle Mühe gibt, den englischen Gentlemen bis zur Perfektion zu verkörpern.

The Kings Man – The Beginning startet am 6. Januar 2022 in den deutschen Kinos.

The Kings Man
Conrad kann seinen Mut im Krieg doch noch beweisen – aber zu welchem Preis?