Suspiria

Filmkritik: Suspiria

Im Jahr 1977 war der italienische Horror-Regisseur Dario Argento auf der Höhe seines Könnens und schuf „Suspiria“. Der erste Teil einer Trilogie um Hexen ist für viele Fans Argentos bester Film und 2007 erwarb eine Produktionsfirma die Rechte für ein Remake. Doch erst 2018 gelang es Argentos Landsmann Luca Guadaguigno („Call me by your Name“), das Projekt tatsächlich zu stemmen. Wie schneidet der neue Film im Vergleich zur Vorlage ab?

Als Argento seinen Film in die Kinos brachte, wurde Suspiria vor allem wegen der ungewöhnlichen Farbgebung und Kamera-Einstellungen von Horrorfans in aller Welt gefeiert. Selbst Horror-Ikone Stephen King feierte Argentos Arbeit und strebte eine Zusammenarbeit an, die allerdings nicht zustande kam. Hat das 40 Jahre später entstandene Remake des Films eine ähnliche Wirkung oder reduziert Guadaguigno sein Werk auf einen ganz gewöhnlichen Horrorfilm?

Suspiria
Die junge Susie Bannon kommt als Tänzerin nach Berlin – und schwebt bald in großer Gefahr.

Suspiria: Die Handlung

Im Herbst 1977 kommt die amerikanische Tänzerin Susie (Dakota Johnson) nach Berlin, um in der renommierten Tanz-Akademie Marcos zu studieren. Vor den Augen der strengen Lehrerin Madame Blanc (Tilda Swinton) muss sie vortanzen und bekommt danach einen Platz in der Gruppe. Schnell freundet sie sich mit dem Ensemble-Mitglied Sara (Mia Goth) an und hört von ihr erstmals Gerüchte über ein Mädchen namens Patricia (Chloe Grace Moretz) die erst vor kurzem verschwunden ist.

In einem anderen Teil der Stadt lebt der Psychiater Dr. Josef Klemperer (ebenfalls Tilda Swinton, im Abspann als Lutz Ebersdorf), der Patricia behandelt hat und sich nun um seine Patientin große Sorgen macht. Wie Susie im Inneren der Akademie sucht auch Klemperer nach Informationen über die geheimnisvolle Gründerin Helena Marcos, die kaum ein Mensch je zu sehen bekommen hat. Susie sieht sich langsam einer bedrohlichen Macht ausgesetzt, die im ganzen Haus stärker wird. Es scheint, als seien übernatürliche Kräfte am Werk …

Suspiria: Horror mit Anspruch

Dass Luca Guadaguigno aus dem Stoff nicht einfach ein schnödes Remake machen würde, war angesichts der Historie des Regisseurs nicht verwunderlich. Tatsächlich ist sein Suspiria am ehesten mit dem Wort Neuinterpretation beschrieben. Denn Guadaguigno interessiert sich wenig für Suspense und Horror im klassischen Sinn. Und lässt so den Clou des Originals, dass Hexen am Werk sind, in seinem Film relativ früh deutlich werden. Und von da an erzählt Guadaguigno auch eine andere Story als die Vorlage, die zwar innovativ inszeniert war, aber einen klassischen Horrorplot aufwies.

Guadaguigno will stattdessen seine Story in einen höheren Kontext einbinden. Denn er lässt seine Geschichte fast schon nervtötend auffällig im „Deutschen Herbst“ 1977 spielen. Und scheint immer wieder Parallelen zwischen den Taten der Terroristen und dem Wirken des Hexenzirkels mitten in Berlin ziehen zu wollen. Das bremst den Film aber deutlich stärker aus, als es die Handlung bereichert. Denn mit 152 Minuten schuf Guadaguigno einen der längsten Horrorfilme der vergangenen Jahre. Eine Laufzeit, die deutlich zu lang ist.

Suspiria
Die seltsame Madame Blanc scheint mehr zu sein als nur eine Tanzlehrerin.

Suspiria: Drama als emotionaler Haken

Neben Susie ist Dr. Klemperer die zweite Hauptfigur von Suspiria. Und mit dem alten Mann bringt Guadaguigno tiefere Emotionen in die Geschichte. Denn Klemperer hat im Krieg seine geliebte Frau verloren und besucht seitdem regelmäßig ihr ehemaliges Heim, dass jetzt im Ostteil Berlins liegt. Die permanente Trauer des Psychiaters nimmt breiten Raum ein. Und wirkt im Verlauf des Films fast wie ein Anker der Normalität zwischen den grausamen Hexen, die lediglich negative menschliche Neigungen aufrechterhalten.

Neben der deutlichen Änderung der Handlung hat Guadaguigno auch den Look von Suspiria verändert. Aus den bunten, psychedelischen Farben des Originals, das in Freiburg spielt, macht der Italiener ein deutlich realeres und sehr viel graueres Berlin, das im Dauerregen gefangen ist. Zwar schreckt Guadaguigno nicht vor Blut und derben Bildern zurück, doch solche Szenen gibt es nur selten zu sehen. Deutlich interessanter schien der Regisseur den Machtkampf zwischen verschiedenen Fraktionen innerhalb des Hexenzirkels zu finden.

Und so ist Suspiria letztlich so weit weg vom Original, dass Vergleiche sich trotz der Namensgleichheit fast verbieten. Ein komplett anderer Spannungsaufbau, neue Figuren und völlig andere Schwerpunkte in einer Story um Macht und Verlust machen aus Suspiria einen sehr eigenständigen Film. Trotz einiger sehr blutiger Szenen liegt Guadaguignos Schwerpunkt auch nie auf dem Horror-Aspekt der Vorlage. Er packt seine Geschichte in einen mythischeren Kontext und steht mit stark interpretierbaren Szenen zu seinen Arthouse-Wurzeln.

Fazit:

Suspiria ist definitiv kein Horrorfilm von der Stange und garantiert nicht jedermanns Sache. Trotz schockierender Szenen hat Regisseur Luca Guadaguigno mehr zu erzählen als nur den Plot über einen Hexenzirkel. Ob der zeitliche Kontext des Deutschen Herbstes und der komplett geänderte dritte Akt des Films bei Fans des Originals gut ankommen, sei aber dahingestellt. Guadaguignos blutiger Bilderrausch bietet in jedem Fall viel Stoff für Diskussionen und Interpretationen. Und das ist gerade bei Horrorfilmen selten genug.

Suspiria startet am 15. November 2018 in den deutschen Kinos.

Suspiria
Schließlich entdeckt Susie die wahre Natur einiger Frauen der Akademie – und die ist gruselig!