Narziss und Goldmund

Filmkritik: Narziss und Goldmund

Hermann Hesse dürfte wohl allen ein Begriff sein, die in der Schule einen Deutsch-Leistungskurs hinter sich gebracht haben. Der 1962 verstorbene Autor und Gewinner des Nobelpreises für Literatur gehört zu den großen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Von seinen  Werken wurden die meisten bisher allerdings kaum oder gar nicht für eine Kino-Adaption in Erwägung gezogen. Regisseur Stefan Ruzowitzki („Anatomie“) hat nun den vielleicht bekanntesten Roman „Narziss und Goldmund“ als Kinofilm umgesetzt. Wie ist das Ergebnis ausgefallen?

Hermann Hesse war kein Freund von Verfilmungen seiner Werke, hielt das Kino für nicht in der Lage, die Magie der Worte adäquat zu adaptieren. Zwar existiert von seinem wohl wichtigsten Werk „Der Steppenwolf“ ein Film, der nach Hesses Tod entstand. Allerdings war dem Werk kein großer Erfolg beschieden. Dennoch traute sich Ruzowitzki an den Klassiker Narziss und Goldmund heran, schrieb das Drehbuch mit und setzte den Stoff dann auch als Regisseur um. Konnte er ein wenig von der Magie Hesses auf die Leinwand bringen?

Narziss und Goldmund
Schon als Kinder sind Narziss und Goldmund im Kloster die besten Freunde.

Narziss und Goldmund: Die Handlung

Mittelalter irgendwo in Deutschland. Der junge Narziss wächst im Kloster auf und freundet sich dort mit dem Kaufmanns-Sohn Goldmund an, den sein Vater loswerden will. Doch so eng ihre Freundschaft auch ist, Narziss ist klar, dass Goldmund hinaus in die Welt gehört und nicht eingesperrt hinter Mauern leben kann. Und so ermöglicht er seinem Freund, sein Glück außerhalb der Kirche zu suchen. Lange Jahre später, Narziss (Sabin Tambrea) ist mittlerweile Abt, sieht der Goldmund (Jannis Niewöhner) durch einen Zufall wieder und rettet ihm das Leben.

Während der Freund im Kloster langsam wieder gesund wird, erzählt er Narziss, wie es ihm seit ihrer Trennung ergangen ist. Er berichtet von seiner Liebe zu einem schönen Burgfräulein (Emilia Schüle), beschreibt die Liebe zu seiner Frau und seinem Kind, die ihm genommen wurden und vieles mehr. Um Goldmund bei sich zu behalten, der eine Lehre als Bildhauer abschloss, beauftragt er den alten Freund, dem Kloster einen neuen Altar zu schaffen. Doch nicht alle frommen Glaubensbrüder sind mit dem Auftritt des vermeintlichen Ungläubigen einverstanden …

Narziss und Goldmund: Die großen Themen von Hermann Hesse

Um die wichtigste Frage gleich vorab zu beantworten: Ob Ruzowitzki die Wortmagie Hesses nun eingefangen hat oder nicht, wird jeder, der das Buch kennt, für sich selbst beantworten müssen. Zumindest hält sich der Autor und Regisseur halbwegs eng an die Handlung des Romans. Und er greift auch die Themen auf, die Hesse gleich in mehreren seiner Werke behandelte. Glaube und Religion, Angepasstheit und Individualismus, das Finden seines eigenen Lebensweges und die Weisheit des Alters. All das findet sich auch in Ruzowitzkis Film wieder, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung.

Goldmund steht hier für die ewige Suche des Menschen nach seiner Bestimmung und seiner Herkunft. Weil er stets vom verschwommenen Bild seiner Mutter getrieben wird, kann Goldmund nirgendwo länger bleiben, muss immer weiter suchen. Narziss hingegen sucht seine Antworten im Glauben – und die beiden Freunde werden sich Verlauf der Geschichte gegenseitig verstehen und ergänzen. Diese ganz zentrale Thematik des Romans fängt Ruzowitzki, auch dank seiner beiden Hauptdarsteller, sehr gut ein.

Narziss und Goldmund
Die Schwärmerei von Edelfräulein Lydia für Goldmund erweist sich als fatal für den jungen Mann.

Narziss und Goldmund: Starke Schauspieler

Sabin Tambrea ist als zurückhaltender und vergeistigter Abt ebenso sehenswert wie Jannis Niewöhner als mittelalterlicher Rockstar, dessen Kerze an beiden Enden brennt. Ruzowitzki gelingt dabei das Kunststück, beide gleichermaßen nachvollziehbar und sympathisch zu inszenieren, obwohl sie einander doch so wenig ähneln. Und Tambreas Zurückhaltung verträgt sich exzellent mit Niewöhners körperlicher Präsenz und dessen emotional ungebremster Spiellaune. Für Freunde guten Schauspiels ist Narziss und Goldmund daher sehr empfehlenswert.

Wenn der Film Schwächen hat, dann liegen sie in der episodenhaft erzählten Haupt-Story, bei denen sich der Regisseur nicht so recht auf einen Stil einlassen kann. Mal wirken die Erlebnisse Goldmunds wie pures Märchen mit allen optischen Begleiterscheinungen. Mal sind die Bilder von Pest und Tod erschreckend realistisch und reißen den Zuschauer schnell aus allen märchenhaften Anwandlungen heraus. Ein stimmiges Gesamtbild geben diese Stationen Goldmunds auf seinem Weg zum Licht leider nicht.

Für Niewöhner ist es bereits der zweite Literatur-Klassiker nach „Jugend ohne Gott“ von Ödon von Horvath, und ähnlich wie dieser Film dürfte auch Narziss und Goldmund bald als Kinobesuch auf dem Lehrplan von Deutsch-Leistungskurs-Schülern stehen. Da haben sie Glück, denn auch, wenn Ruzowitzkis Ausflug in die Gedankenwelt Hermann Hesses sicher nicht perfekt ist, so kann er doch über seine gesamte Laufzeit von knapp zwei Stunden unterhalten, die Gedanken anregen und genug Momente bieten, über die sich später zu diskutieren lohnt.

Fazit:

Auch wenn Narziss und Goldmund letztlich den Staub von Bildungsbürger-Kino nie ganz abschütteln kann, so ist Stefan Ruzowitzkys Inszenierung mit einem von der Suche nach dem Glück getriebenen Jannis Niewöhner und einem Sabin Tambrea, der an das Konzept Glück gar nicht glaubt, doch stark besetzt und gespielt. Da ist es schade, dass sich der Regisseur nie so richtig für eine Tonlage seines Films entscheiden kann und so die eigentlich emotionale Story hin und wieder leicht verwässert. Ein ansehnlicher Film bleibt es dennoch.

Narziss und Goldmund startet am 13. März 2020 in den deutschen Kinos.

Narziss und Goldmund
Als Narziss seinen Jugendfreund viele Jahre später im Kloster aufnimmt, sind nicht alle Mönche damit einverstanden.