Obwohl Rennfahrer sicher ein gefährlicher Beruf ist, hat er bislang im Kino im Vergleich mit Cops und Rettungskräften eher ein Schattendasein geführt. Und wenn es auf der Leinwand förmlich nach Benzin und Bremsbelegen roch, waren das meist wahre Geschichten von großen Duellen auf der Rennstrecke – wie bei „Rush“. Auch „Le Mans – gegen jede Chance“ stellt eine historische Rennfehde in den Mittelpunkt des Geschehens, wie auch der Originaltitel „Ford vs Ferrari“ verrät. Wie gut ist der Film?
Dem Duell zwischen den beiden Automarken um den besten Rennwagen in den 60er Jahren fügt Regisseur James Mangold mit seinem Film ein frisches Duell hinzu – das zwischen Christian Bale und Matt Damon im Oscar-Rennen. Denn beiden Schauspielern werden im Vorfeld Chancen eingeräumt, gegen Joaquin Phoenix als beste männliche Hauptrolle im Oscar-Rennen antreten zu dürfen. Ob das gerechtfertigt ist und wie sich der Regisseur nach „Logan“ schlägt, verrät die Kritik.
Le Mans: Die Handlung
1963 hat Autobauer Ford ein Imageproblem – und will deshalb den in Schlagseite befindlichen Konzern Ferrari übernehmen. Doch der Chef merkt, dass Ford auch Zugriff auf den Rennstall des Unternehmens will und lehnt die Offerte ab. Henry Ford II. beschließt daraufhin, Ferrari ihre Hochburg – das 24-Stunden-Rennen im französischen Le Mans – abzujagen. Und heuert dazu Ex-Rennfahrer Caroll Shelby (Matt Damon) an, um ein konkurrenzfähiges Fahrzeug zu entwickeln. Shelby macht sich sofort an die Arbeit und weiß auch schon genau, wen er als Fahrer will.
Doch der britische Sonderling Ken Miles (Christian Bale) kommt besonders bei Ford-Manager Leo Beebe (Josh Lucas) gar nicht gut an. Und obwohl Shelby letztlich seinen Willen durchsetzt, lauert Beebe nur auf eine Chance, es den beiden heimzuzahlen. Je näher das Rennen von Le Mans kommt, desto fieberhafter arbeitet das Team um Shelby und Miles an den letzten Verbesserungen des Autos. Aber reicht es wirklich aus, um gegen die seit Jahren dominanten roten Flitzer aus Italien erfolgreich zu sein?
Le Mans: Retro-Charme
Regisseur James Mangold hat nicht nur die zwei ansehnlichen Wolverine-Abenteuer in Szene gesetzt, sondern sich auch mit Filmen wie „Walk The Line“, dem Johnny Cash-Biopic, für wahre Geschichten empfohlen. Le Mans inszeniert er mit einem unbestechlichen Auge für dynamische Renn-Situationen. Und einem unwiderstehlichen Retro-Charme. Der Film wirkt so angenehm altmodisch in Inhalt und Erzählweise, dass man als Kinofan kurz überlegt, ob man eine Filmvorlage aus dem Jahr 1975 mit John Wayne und Steve McQueen statt Damon und Bale einfach nur vergessen hat.
Nein, hat man nicht Le Mans ist ein Original ohne Filmvorlage, nur mit der historischen Realität als Messlatte. Und an die hält sich Mangold zumindest in den wichtigen Punkten. Gott sei Dank! Denn das verhindert nicht nur mögliche süßliche Happy-Ends, die das Studio sicher gern gesehen hätte. Es verleiht den Charakteren auch die nötige Tiefe und Ernsthaftigkeit, um als Zuschauer, der kein Renn-Experte ist und daher nicht weiß, was damals geschah, ordentlich mitzufiebern. Le Mans ist in erster Linie mitreißendes Kino vom Feinsten.
Le Mans: Große Schauspielkunst
Was ganz unbestritten an den tollen Leistungen von Damon und Bale liegt, die ihre Charaktere zwar nach wenigen Sekunden Leinwandzeit bereits grundlegend erschaffen, ihnen im Lauf der insgesamt 152 Minuten noch viele kleine, aber ungemein interessante Aspekte hinzufügen. Wie die harten Kerle miteinander kommunizieren, worüber sie reden und worüber sie gar nicht reden müssen, das ist von beiden im Zusammenspiel mit einem sehr starken Drehbuch großartig umgesetzt. Und kann bei den Oscars 2020 eigentlich nicht unerwähnt bleiben.
Mangold gelingt mit Le Mans eine Seltenheit. Der ganze Film fühlt sich nach 70er Jahre an und zeichnet seine Figuren nur mit knappen und kurzen Strichen. Dennoch verfügt Le Mans über absolut lebendige und glaubhafte Charaktere. Bale bekommt dabei den spannenderen Teil zu tun, weil man seiner Figur auch ein Privatleben mit Frau (Catriona Belfe) und Sohn (Noah Jupe, „A Quiet Place“) gibt. Und sich hier einige der stärksten Szenen abseits der Rennstrecken finden.
Ähnlich wie Ron Howard in Rush schafft Mangold mit Kameramann Phedon Papamichael grandiose Bilder der Rennen, die eine fast schwindelig machende Dynamik erreichen. Und dem Zuschauer nicht nur eine ungefähre Ahnung von der Geschwindigkeit vermitteln, sondern auch gehörigen Respekt für die Fahrer abnötigen. Trotz seiner 152 Minuten fühlt sich Le Mans keine Sekunde zu lang an und gehört Stand Mitte November zu den besten und sehenswertesten Filmen des Kinojahres.
Fazit:
Tolle Schauspieler, ein großartig eingefangenes Zeitkolorit der 60er Jahre und eine spannende Story, die Regisseur James Mangold wunderbar altmodisch erzählt. Ohne deshalb je kitschig verklärt oder flach zu werden. So atmet Le Mans den Glanz eines eigentlich nicht mehr vorhandenen Hollywoods, in dem „larger than life“ und authentische Story kein Widerspruch waren. Dieser Film ist in vielfacher Hinsicht Oscar-Material – und sollte unbedingt im Kino gesehen werden.
Le Mans – gegen jede Chance startet am 14. November 2019 in den deutschen Kinos.