Blutig und humorvoll – das ist seit einigen Jahren im Action-Genre ein beliebter Trend. Ob der komplett überdrehte „Crank“, der wilde „Guns Akimbo“ oder auch die John Wick-Reihe, die bei aller Brutalität auch staubtrockenen Humor umfasst, es darf inzwischen witzig zugehen, auch wenn es mächtig brutal wird. Und dass auch Frauen ordentlich zuschlagen können, hat nicht nur Charlize Theron in „Atomic Blonde“ bewiesen. So wird in Kürze Karen Gillan in „Gunpowder Milkshake“ mächtig aufdrehen. Amazon Prime schickt nun die durch die „Underworld“-Reihe bereits actiongestählte Kate Beckinsale in ein augenzwinkerndes Action-Feuerwerk. Was „Jolt“ wirklich draufhat, verrät die Kritik.

Die Handlung
Seit frühester Jugend hat Lindy (Kate Beckinsale) ausgeprägte Probleme. Durch eine unausgewogene Körperchemie wird die zierliche Blondine schon bei geringem Stresslevel durch andere Personen zum Berserker. Eine kleine Ungerechtigkeit, ein böses Wort zu jemandem, der es nicht verdient – und schon schwillt Lindy derart der Kamm, dass sie ohne Rücksicht auf Verluste auf den Verursacher losgeht. Was für die entsprechende Person in der Regel sehr schmerzhafte Folgen hat. Doch nach vielen Jahren in Isolation hat Lindy nun mit dem Psychologen Dr. Munchin (Stanley Tucci) echte Hilfe gefunden. Der Arzt hat für sie eine Apparatur konstruiert, die sie an ihrem Körper befestigen muss und sich bei zu großer Aggression mit einem Stromstoß wieder abkühlen kann. Das funktioniert allerdings nicht immer.
So hat Lindy bei ihrem ersten Date mit dem schüchternen Justin (Jai Courtney) schnell ein Problem mit einer unfreundlichen Kellnerin, was für die Dame nicht gut ausgeht. Dennoch oder gerade deswegen scheint Justin keine schlechte Wahl für Lindy zu sein, denn er hat weder Angst vor ihr, noch reagiert sie in seiner Nähe unkontrolliert. Nach einer gemeinsamen Nacht träumt die junge Frau daher erstmals von einem normalen Leben. Nur um Stunden später zu erfahren, dass jemand ihren neuen Freund umgebracht hat. Das bringt Lindy derart auf die Palme, dass sie unbedingt herausfinden will, wer dahintersteckt. Um den Verantwortlichen angemessen zu bestrafen. Und es ist ihr dabei völlig egal, ob dieser jemand eine große Nummer im organisierten Verbrechen darstellt …
Flott erzählter Spaß
Bei Action nichts Neues! Denn dem Fan kommt absolut alles an diesem Film reichlich bekannt vor. Die Kräfte, die Lindy durch ihre Körperchemie erhält, erinnern an „Upgrade“. Der ganze Style des Films hat viel von John Wick, die fast unaufhaltsame Lindy hingegen erinnert an Atomic Blonde. Die gute Nachricht aber ist, dass all diese Fakten Jolt nicht schlechter machen. Denn zum einen dürften die meisten Zuschauer wissen, worauf sie sich mit diesem Film einlassen und genau das sehen wollen, was sie bekommen. Zum anderen macht Regisseurin Tanya Wexler, die bisher hauptsächlich für ihren romantischen Historienfilm „Hysteria“ von 2011 bekannt ist, hier zwar keinen sonderlich innovativen Job, liefert aber edle Optik und einen extrem auf Tempo getrimmten Film ab. Jolt ist nach 83 Minuten auch schon wieder zu Ende.
Und in dieser Zeit hat der Film keinerlei Längen. Das ermöglicht neben der dünnen Story, die so gut wie gar keinen Raum für eigene Spekulationen lässt, auch die zielführende Inszenierung. Was die Handlung nicht unbedingt braucht, lässt Wexler konsequent weg. Und so vergeht die Zeit mit Jolt tatsächlich wie im Flug. Ein weiteres Plus des Films ist ohne Frage Kate Beckinsale. Schon in Underworld hat sie bewiesen, dass sie genau weiß, in welchen Posen sie maximal gut aussieht und Coolness ausstrahlt, dieses Talent nutzt sie auch in Jolt wieder in Dauerschleife. Dazu kommt die im englischen Original wundervoll britische Aussprache, die Lindy gleich noch ein Stückchen cooler macht. Und Drehbuchautor Scott Wascha legt der Figur in seinem Debüt auch noch jede Menge testosteronschwangere Sätze in den Mund.

Beckinsale passt als Actionheldin
Und so prügelt, flucht und pöbelt sich Kate Beckinsale als Lindy durch viele Klischees des Actionfilms. Riesige Schläger, feinsinnige Elitekiller und eiskalte Mob-Bosse, die so extravagant wohnen, dass man sich fast in einem Science-Fiction-Film wähnt, das gab es in den vergangenen Jahren oft zu sehen. Jolt versucht hier erst gar nicht, irgendetwas anders zu machen als die erfolgreichen Vorgänger. Wenn es einen Unterschied gibt, liegt er in den Actionsequenzen. Zwar liefern Beckinsale und Wexler hier ordentlich ab, aber von den neuen Meistern des Genres, Chad Stahelski und David Leitch, ist Jolt doch ein gutes Stück entfernt. Wem die stark durchchoreographierten Fights aus John Wick und Co. allerdings ohnehin nicht zusagen, findet am bodenständigeren Jolt vielleicht sogar mehr Gefallen.
Neben Kate Beckinsale kann sich auch die weitere Besetzung sehen lassen. Jai Courtney gehört inzwischen zum Hollywood-Actionpool, David Bradley kennen Fans als Harry Potter-Hausmeister Mr. Filch und natürlich als fiesen Lord Walder Frey aus „Game of Thrones“. Stanley Tucci ist aus Dutzenden Filmen bekannt und sogar Susan Sarandon ist in einem kurzen, aber wichtigen Auftritt zu sehen. Dazu kommt noch Bobby Cannavale („Ant-Man“) als hilfloser Cop, der auf die hübsche Killerin mehr als nur ein Auge geworfen hat. Regisseurin Wexler gelingt es, ihre Stars auf die gleiche Tonalität zu trimmen. Alle spielen auf dem gleichen, leicht ironischen und nie wirklich ernsthaften Niveau, das Jolt letztlich zur spaßigen Angelegenheit macht. Auch wenn er sonst nicht viel Neues zu bieten hat.

Fazit:
Mit Jolt machen Fans von Actionfilmen dann nichts falsch, wenn sie mit dem lockeren Ton, der brutalen Handschrift und dem völligen Fehlen einer ernsthaften oder tiefgehenden Story kein Problem haben. Jolt soll nichts außer Spaß machen. Zwar setzt der Filme in keiner Richtung neue Maßstäbe, sondern folgt sehr artig bestehenden Erfolgen und Trends, aber das macht er unter der Leitung von Regisseurin Tanya Wexler so gut, dass es hier wenig zu meckern gibt. Zudem gibt Becksinsale nach ihrer Paraderolle in der Underworld-Serie erneut eine extrem coole Kämpferin ab, die hier aber deutlich mehr lockere Sprüche zum Besten geben darf als noch in der Vampir-Rolle. Komplett anspruchslos, aber irgendwie witzig, am nächsten Tag aber auch schon wieder vergessen. Jolt ist ein netter Actionhappen für zwischendurch – nicht mehr, nicht weniger.
Jolt startet am 23. Juli 2021 bei Amazon Prime (deutsch).