Irresistable

Filmkritik: Irresistable – Unwiderstehlich

Für die einen ist er einer der hellsten Köpfe der Gesellschaft, für andere das Feindbild eines liberalen Gutmenschen in den USA: Jon Stewart. Bekannt ist der Comedian hauptsächlich für seine 16 Jahre bei der „Daily Show“, die er 2015 verließ. Weniger bekannt ist sein 2014 gedrehter Film „Rosewater“. Nun kommt mit „Irresistable“ sein zweiter Film in die Kinos, bei dem er das Drehbuch schrieb und Regie führte. Wie böse ist seine Polit-Satire um die Wahl-Eigenheiten der Amerikaner ausgefallen?

Mit scharfen Analysen politischer Gegebenheiten, verpackt in beißendem Spot, witzelte sich der 57-jährige Jon Stewart in die Herzen vieler Millionen Amerikaner. Stewart gilt als einer der politischsten Comedians des Landes. Und nahm in der Daily Show selten ein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, Miss-Stände im Land anzuprangern. Daher muss das Publikum eigentlich bei Irresistable eine bitterböse Abrechnung mit der Trump-Ära erwarten – aber ist das tatsächlich so? Das klärt die Kritik.

Irresistable
Regisseur und Drehbuchautor Jon Stewart inszenierte eine unerwartet versöhnliche Polit-Satire.

Irresistable: Die Handlung

Der demokratische Wahlkampf-Manager Gary Zimmer (Steve Carell, „Space Force“) leckt sich nach der Niederlage von Hillary Clinton immer noch die Wunden, als einer seiner Assistenten ihm ein Video zeigt, das gerade viral geht. Darin setzt sich der Farmer und Ex-Colonel Jack Hastings (Chris Cooper) vor dem Stadtrat seiner kleinen Gemeinde in Wisconsin leidenschaftlich für die Belange der illegal eingereisten Immigranten ein, die dort seit langer Zeit schon leben. Zimmer wittert sofort die Chance auf ein Comeback auf der politischen Bühne.

Und so reist er selbst nach Deerlaken, um Hastings davon zu überzeugen, als Bürgermeister der Stadt zu kandidieren – und natürlich zu gewinnen. Zuerst ist der Witwer zögerlich, aber seine Tochter Diana (Mackenzie Davis) überredet ihn, als Demokrat zur Wahl anzutreten. Schon bald läuft Zimmers Wahlkampf an. Und ruft prompt seine republikanische Gegnerin Faith Brewster (Rose Byrne) auf den Plan. Die nun dem eigenen Kandidaten unter die Arme greifen will. Bald fließen Millionen, um in der Kleinstadt die Wahl zu entscheiden …

Erstaunlich versöhnlich

Wer erwartet hat, bei Stewarts zweiter Regie- und Drehbucharbeit einen bösen, galligen Film mit ätzendem Humor zu sehen, sieht sich getäuscht. Stewart legt einen erstaunlich leichten Ton an den Tag, mit dem er sich über die typischen Wahlkampf-Gepflogenheiten der Amerikaner lustig macht. Darüber hinaus singt er das hohe Lied des mündigen und gar nicht so dummen Wählers, der sehr genau spürt, wer auf seiner Seite steht – und wer nicht. Zudem macht sich Stewart gekonnt über Vorurteile lustig, die der Washingtoner Zimmer über das Landleben mitbringt.

So ist ein Running Gag des Films, dass der Wirt der Bar, in der Zimmer immer absteigt, extra Burger besorgen muss, weil Zimmer welche bestellt ohne auf die Karte zu sehen. Er geht einfach davon aus, dass die Hinterwäldler nur Burger essen. Das knallt Stewart dem Zuschauer aber nicht grob vor die Brust. Sondern spinnt ein feines Netz aus kleinen Peinlichkeiten, das sich am Ende entfaltet und so seine volle Wirkung zeigt. Wie auch der Schluss nochmals ein Highlight des Films darstellt, weil man diesen Twist wahrlich nicht kommen sieht.

Irresistable
Gary Zimmer will als Wahlkampfhelfer für Colonel Hastings einen Sieg für die Demokraten holen.

Irresistable: Toll gespielt

Stewart hat hier also ein wirklich gutes und originelles Drehbuch abgeliefert, dass dank seinen Hauptdarstellern Steve Carell und Rose Byrne auch noch wunderbar im Ton alter Screwball-Komödien daherkommt und großartig frotzelnde Dialoge liefert. Carell spielt dabei seine typische Rolle des sich mühsam kontrollierenden Cholerikers einmal anders und darf wesentlich beherrschter und ruhiger sein als min anderen Komödien. Und Rose Byrne hat sichtlich Vergnügen am dem fiesen, aber sehr cleveren Biest, das sie hier spielen darf.

Aber auch Chris Cooper als rumpeliges Landei mit dem Herzen auf dem rechten Fleck und Mackenzie Davis als seine sehr kluge Tochter zeigen eine starke Leistung. Abgerundet wird das starke Ensemble von guter Situationskomik und gelungenen Parodien auf Archetypen. Bei der Inszenierung verzichtet Stewart hingegen auf Schnick-Schnack und erzählt seine Story in ruhigen, fast nüchternen Bildern. Denn der Regisseur und Autor verlässt sich zurecht ganz auf seine starke Story und lenkt den Zuschauer nicht davon ab.

Auch thematisch erweist sich Stewart als Fachmann für seine Materie. Und setzt so immer wieder treffende Spitzen über den US-Wahlkampf, die Rolle der Medien darin und die umfassenden Analysen über jede mögliche Wählergruppe. Als größter Fehler des Films erweist sich daher eine Tatsache, für die er gar nichts kann. Die Leute, die ihn am nötigsten sehen sollten, werden ihn vermutlich ignorieren. Und die, die ihn sich ansehen, werden wenig Neues erfahren. Dafür aber eine Menge Spaß haben.

Fazit:

Irresistable – Unwiderstehlich ist eine witzige und für den mitunter beißend spöttischen Comedian Jon Stewart erstaunlich milde Satire über den US-Wahlkampf mit all seinen Skurrilitäten. Stark besetzt und gut gespielt, bringt der Film die Absurditäten des US-Wahlkampf-Systems schön auf den Punkt und macht dabei noch eine Menge Spaß. Und der finale Twist ist auch nicht von schlechten Eltern. Wer Freude an geschliffenen Dialogen und guten Polit-Satiren hat, sollte diesen Film nicht verpassen.

Irresistable startet am 6. August 2020 in den deutschen Kinos.

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Zudem findet er auch Hastings Tochter Diana sehr anziehend – noch ein Grund zu bleiben.