Erde und Blut

Filmkritik: Erde und Blut

Die neue französische Härte mischte zwischen 2003 und 2009 nicht nur das europäische Kino auf. Filme wie „High Tension“, „Martyrs“, „Inside“ oder „Frontiers“ warfen nicht nur mit Unmengen Blut und Gedärm um sich, sondern strapazierten auch die Nerven ihrer Zuschauer bis zum Äußersten. Ganz so heftig ist „Erde und Blut“ von Julien Leclercq zwar nicht ausgefallen, aber auch der Thriller um einen schief gelaufenen Drogendeal langt in Sachen Gewalt durchaus hin. Ist er deshalb für Fans härterer Filme auch empfehlenswert?

Regisseur Julien Leclercq ist Spezialist für harte Krimis. Bereits 2010 und 2015 ließ er mit „The Assault“ und „The Crew“ aufhorchen, nun hat der 40-jährige Franzose erstmals einen Film für Netflix gedreht. Auch am Drehbuch hat Leclercq mitgearbeitet. Kann sich das mit nur etwa 80 Minuten Laufzeit eher kurze Werk sehen lassen? Oder ist Erde und Blut trotz der Kürze nicht überzeugend auf den Punkt inszeniert? Das klärt die Kritik.

Erde und Blut
Ein paar Gangster holen gewaltsam eine große Menge Kokain aus der Asservatenkammer der Polizei.

Erde und Blut: Die Handlung

Eine Gruppe von Kriminellen überfällt eine Polizeistation, um dort eine große menge beschlagnahmten Kokains abzugreifen. Doch dann will einer sein eigenes Ding drehen und hinter dem Rücken des Drogenbosses Adama (Eric Ebouaney, „Die Horde“) den Stoff verkaufen. Deaher bittet er seinen Halbbruder Yanis (Samy Seghir), die Drogen zu verstecken. Denn der arbeitet im Sägewerk von Said (Sami Bouajila) und im dem weitläufigen Gelände gibt es jede Menge Verstecke. Was Yanis nicht ahnt: Adama hat Wind von der Sache bekommen und ist auf dem Weg.

Das wiederum ahnt Said, der den Jungen mit dem Kokain erwischt und gerade auf dem Weg zur Polizei ist,als die Gangster sich seinem Grundstück nähern. Um Schlimmeres zu verhindern, schickt er Yanis und seine taubstumme Tochter Sarah (Sofia Lesaffre) zum Bauernhof des Nachbarn und nimmt den Kampf gegen die Bande auf. Weil Said hoffnungslos in der Unterzahl ist, glaubt der Drogenboss, leichtes Spiel zu haben. Doch Adama weiß nicht, dass Said ein Mann ist, der nichts mehr zu verlieren hat …

Erde und Blut: Schnörkelloser Thriller

80 Minuten hören sich nicht lang an und dennoch genügt die Laufzeit völlig, um die Story zu erzählen, die der Film zu bieten hat. Denn Leclercq inszeniert ein gewaltsames Aufeinandertreffen zweier Gruppen ohne große Schnörkel oder Nebenhandlungen. Allerdings auch ohne großen Tiefgang. Von den meisten Figuren des Films erfährt der Zuschauer nur wenig mehr als den Namen – wenn überhaupt. Leclercq nutzt seine Charaktere lediglich als Archetypen, um seine raue und durchaus glaubwürdige Story zu erzählen – ohne Kompromisse.

Said ist der todgeweihte Vater, der noch mit seinem letzten Atemzug seine Tochter und seinen Traum vom Sägewerk verteidigt, in dem er viele Ex-Sträflinge eingestellt hat, um ihnen eine zweite Chance zu geben. Mit dem Risiko, dass auch mal ein fauler Apfel dabei ist. Yanis ist der klassische Kerl, der das Richtige tun will und damit die Katastrophe erst möglich macht. Und Adama der typische Gangsterboss, der lieber sich und seine Männer in den Tod führt, als vor ihnen das Gesicht zu verlieren. So weit, so konventionell.

Erde und Blut
Doch Drogenboss Adama, ursprünglicher Besitzer der Drogen, will seinen Stoff zurück – wenn nötig mit Gewalt.

Erde und Blut: Das drin, was draufsteht

Deutlich besser wird Leclercqs Film, wenn es um den Ausbrauch von Gewalt geht. An diesem nahezu unvermeidlichen Blutbad hätte ein Sam Peckinpah seine Freude gehabt. Zwar nutzt der Regisseur hier harte Momente nie nur als Mittel zum Zweck und weidet sich auch nicht an übermäßiger Härte, seine kurzen, aber derben Gewaltspitzen funktionieren aber in ihrem glaubhaften Kontext umso besser. Denn hier sind keine Superhelden am Werk, die in Rambo-Manier scheinbar unverwundbar alles niedermetzeln, sondern Menschen, die bluten und sterben.

Und das letztlich auch noch für nichts, wie Erde und Blut recht schnell deutlich macht. Ob man Leclercq da eine tiefere Botschaft oder gar einen Kommentar zur französischen Gesellschaft unterstellen möchte, muss wohl jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden. Als aufs Wesentliche eingedampfter, kompromissloser Thriller funktioniert Erde und Blut jedenfalls recht gut. Gerade weil der Zuschauer bereits ab der ersten Szenen weiß, was passieren wird und ebenso ahnen kann, wie kompromisslos der Held hier zu Werke gehen dürfte.

Das vermittelt ein ähnliches Gefühl wie einen Unfall zu beobachten, den man zwar kommen sieht, aber nicht mehr verhindern kann. Nicht jedem wird das gefallen, wer sich aber gern harte Thriller ansieht, macht mit diesen 80 Minuten wenig falsch, selbst wenn die Gewaltspirale sich erst im letzten Drittel des Films wirklich in Bewegung setzt. Eine raffinierte Story gibt es hier ebenso wenig wie unerwartete Twists in der Handlung. Wer aber auf Filme steht, in denen Überlebenskampf und Shoot-Outs den Kern bilden, ist hier genau richtig.

Fazit:

Mit seinem neuen Thriller Erde und Blut liefert Genre-Spezialist Julien Leclercq exakt den Film ab, den der Trailer auch verspricht. Harte Typen, die nach ihren eigenen Regeln handeln und leben, geraten durch eine Verkettung unglücklicher Zufälle aneinander – und das Töten beginnt. Das inszeniert der Regisseur routiniert und schnörkellos und schreckt auch nicht vor einigen gut gesetzten Gewaltspitzen zurück. Wem das für einen Filmabend genügt, der sollte sich den kurzen und blutigen Thriller definitiv ansehen.

Erde und Blut startet am 17. April 2020 bei Netflix.

Weitere Kritiken zu Netflix-Filmen finden Sie hier.

Erde und Blut
Während Said die Gangster aufhält, soll seine Tochter Sarah und sein Angestellter Yanis entkommen – keine einfache Aufgabe.