Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts gab es noch viele weiße Flecke auf der Landkarte und das britische Empire versuchte, das aus Prestigegründen zu ändern. Von diesen beiden Fakten handelt „Die versunkene Stadt von Z“, der sich im Trailer wie ein Abenteuerfilm gibt, tatsächlich aber eine Biografie ist. Auch eine gute?
Was tun Schauspieler, wenn sie sich von einem bestimmten Image verabschieden möchten? Sie lassen sich gegen ihre sonstige Gewohnheit besetzen. In Die versunkene Stadt Z passiert das gleich zwei Mal: Charlie Hunnam, der nach „Sons of Anarchy“ und „Pacific Rim“ scheinbar eine Karriere als Actionstar einschlug, spielt hier den forschenden Offizier. Und Robert Pattinson, Berufsschönling seit der „Twilight“-Saga, ist hier mit dichtem Rauschebart kaum zu erkennen. Welche Schauwerte bietet der Film sonst noch?
Die Handlung
Am Ende des 19. Jahrhunderts ist der fähige Offizier Percy Fawcett (Charlie Hunnam) zwar ein Aushängeschild edelster Soldatentugenden, eine steile Karriere im Dienste ihrer Majestät ist ihm aber trotzdem nicht möglich: Da sein Vater ein Trinker und Spieler war, bleiben ihm höhere gesellschaftliche Weihen verwehrt. Seiner Frau Nina (Sienna Miller) ist das zwar egal, aber Fawcett leidet unter dem Makel für sich und seine Familie. So ergreift er zunächst widerwillig die Chance, als Landvermesser einen Friedensvertrag zwischen Brasilien und Bolivien zu ermöglichen, indem er die Grenzregion untersucht. Dabei lernt er nicht nur seinen langjährigen Reisegefährten Henry Costin (Robert Pattinson) kennen, sondern findet nach entbehrungsreichen Monaten auch tief im Dschungel Hinweise auf eine versunkene, der Menschheit bislang völlig unbekannte Hochkultur.
Von diesem Moment an ist sein Leben nicht mehr, wie es war: Immer wieder versucht er, eine Expedition in diese Region zu organisieren, immer wieder wirft ihm das Schicksal Knüppel zwischen die Beine: Mal sucht er sich die falschen Geldgeber, mal macht imh der Erste Weltkrieg einen Strich durch die Rechnung. Doch Fawcett gibt nicht auf, selbst als sein ältester Sohn Jack (Tom Holland) die Entbehrungen für die Familie nicht länger hinnehmen will …
Edle Optik
Wer bei diesem Film den besten Job gemacht hat, ist einfach zu sehen: Kameramann Darius Khondji gelingt es, den Dschungel völlig kitschfrei als einen Lebensraum zu zeigen, der mit Westeuropa nichts zu tun hat und eine eigene Welt darstellt. Die Bilder fangen ein, was Fawcett dort sieht und machen so begreiflich, warum es den Familienvater und späteren Kriegshelden immer wieder in die grüne Hölle des Amazonas-Dschungels zieht. Um den Charakter zu verstehen, muss der Zuschauer durch dessen Augen sehen.
Denn darum geht es in Der versunkene Stadt Z tatsächlich: Die filmische Biografie über Percy Fawcett setzt das Leben ihres Helden in den Mittelpunkt – und darin nahmen die Expeditionen nur einen kleinen Raum ein. Dementsprechend erlebt der Zuschauer Fawcett auch daheim mit Frau und Kindern, auf wissenschaftlichen Vorträge und an der Front des Ersten Weltkrieges. Leider hat nichts davon auch nur annähernd die optische oder inhaltliche Faszination des Dschungels. Und so spielen Hunnam und Miller erfolglos gegen zwar interessante, aber nicht wirklich packende Schwierigkeiten der damaligen Zeit an: Percys gesellschaftlicher Makel, Ninas Wunsch nach mehr Rechten für Frauen, die Forderung Jacks nach mehr Anleitung durch den Vater, alle das sind kurze Szenen, die im weiteren Verlauf keine Rolle mehr spielen und deshalb wie Teile eines Bildes wirken, die nie ein Ganzes werden.

Zu viel gewollt
Regisseur und Autor James Gray, der bislang noch keinen Kassenhit in seiner eigenen Biografie vorweisen kann, liefert dafür hier auch Gründe: Zu sklavisch hält sich Gray an die Buchvorlage David Granns, der eine Biografie über Fawcett schrieb. Zu sehr wirkt Die versunkene Stadt Z wie eine Liste, die Gray säuberlich abarbeitet, um nur ja keinen Aspekt seines Helden auszulassen. Und nicht alle Punkte auf dieser Liste packen. So wirkt der gesamte Weltkriegs-Teil wie ein Fremdkörper im Film und auch die Streitereien mit Wissenschaftlern, Sponsoren und schließlich dem eigenen Sohn ermüden irgendwann. Statt sich auf die wirklich spannenden Passagen des Films zu konzentrieren, wie den für seine Zeit außerordentlichen Freigeist Fawcett in Szene zu setzen, der die Indianer des Gebiets nicht als Untermenschen sieht, mäandert Gray viel zu lange 140 Minuten durch das Leben Fawcetts. Eine Straffung hätte hier wirklich gut getan.
Fazit:
Die Optik ist beeindruckend, auch das Leben und Wirken des echten Percy Fawcett nötigt dem Zuschauer Respekt ab, aber etwas spritziger hätte Regisseur James Gray die Sache gerne erzählen dürfen. Gray spricht in seinem Film viel an. Zuviel, um durchgehend zu unterhalten und dauerhaft das Interesse an der Geschichte zu wecken. Und der Trailer verspricht dazu weitaus mehr Action, als der Film tatsächlich bietet. Hier kommen eher Fans von Sittengemälden auf ihre Kosten. Die versunkene Stadt Z ist für ein Programmkino-Publikum gemacht. Dem wird der an Höhepunkten arme Film wahrscheinlich auch gefallen.
Die versunkene Stadt Z startet am 30. März in den deutschen Kinos.
