1942 erschien einer der größten Love-Storys, die Hollywoods Studios jemals produziert haben: „Casablanca“. Obwohl der Film nur drei Oscars gewann und beide Hauptdarsteller leer ausgingen, sind Bogart und Bergman bis heute eines der ikonischsten Liebespaare der Leinwand. Aber wie ist dieser Film entstanden und wer hat ihn gedreht? Damit beschäftigt sich der ungarische Film „Curtiz“, der sich Regisseur Michael Curtiz widmet. Wie ist der Film über einen Film geraten, der jetzt bei Netflix zu sehen ist?
Warum drehen ausgerechnet ein ungarisches Film-Team einen Bio-Pic über den Regisseur Michael Curtiz? Ganz einfach: Michael Curtiz hieß eigentlich Mano Kaminer und war ungarischer Jude. Und damit vielleicht der berühmteste Ungar in Hollywood. Curtiz zählte in den 30er und 40er Jahren zu den fleißigsten Kreativen in der Stadt und drehte mehr als 100 Filme. Doch er gewann nur einen Oscar als Bester Regisseur – natürlich für Casablanca. Doch in Curtiz geht es nicht nur um den Regisseur, sondern auch um den Menschen Michael Curtiz. Lohnt sich das?
Curtiz: Die Handlung
1942. Die USA sind in den Zweiten Weltkrieg eingetreten und Hollywood soll nach dem Willen der Regierung die Kino-Zuschauer mit entsprechenden Filmen von der Notwendigkeit dieser Entscheidung überzeugen. Auch Warner bekommt Besuch von einem Regierungsbeamten namens Johnson (Declan Hannigan), der die neue Produktion Casablanca auf Tauglichkeit für den Kriegswillen überprüfen soll. Das ist nicht nur Produzent Hal Wallis (Scott Alexander Young) ein Dorn im Auge, sondern auch Regisseur Michael Curtiz (Ferenc Lengyel).
Der Choleriker und notorische Frauenheld hat mit seinem Privatleben eigentlich schon genug Sorgen und nun soll er auch noch einen Film drehen, der dem Kriegsministerium zusagt. Denn am Set seines Films ist nun auch noch seine von ihm entfremdete Tochter Kitty (Evelin Dobos) aufgetaucht und versucht eine Beziehung zu ihm aufzubauen, die dem unerfahrenen Vater Angst macht. Zudem treibt ihn die Sorge um seine in Ungarn gebliebene Schwester, deren Mann von der deutschen Wehrmacht verhaftet wurde. Doch der Dreh darf nicht stoppen …
Curtiz: Mehr Legende als Wahrheit
Der junge ungarische Regisseur Tamas Yvan Topolanszky, der auch am Drehbuch mitarbeitete, leitet seinen Film mit den Worten ein, dass der Film auf wahren Begebenheiten beruht, einzelne Teile der Handlung aber der Dramaturgie wegen verändert wurden. Das mag eine leichte Untertreibung sein, denn eine Einmischung des Staates in die Dreharbeiten von Casablanca sind nirgendwo zu verifizieren und vermutlich einfach erfunden. Auch das komplexe Familien- und Liebesleben des Regisseurs gibt der Film nicht immer genau wieder.
Und so ist es nicht unbedingt die Handlung, die Topolanszkys Film sehenswert macht, sondern die Art, wie er ihn erzählt. Denn er hält sich in seinem Schwarz-Weiß-Film dicht an die Machart von Casablanca. Und überhöht so dramaturgisch auch die Dreharbeiten zu Casablanca schon als mythischen Akt, kopiert Einstellungen von damals und erzählt in seinem Vater-Tochter-Konflikt das spätere Ende des Kinohits, über dessen Finale sich die Kreativen mit Produzenten, Studio und Regierung fast die gesamte Laufzeit streiten. Erst Curtiz‘ eigener Verlust erleuchtet ihn.
Curtiz: Biographie mit Weichzeichner
Topolanszky trifft einige gute Entscheidungen, um dem Meisterwerk des Kinos die nötige Ehre zu erweisen. So sind seine Stars Humphrey Bogart und Ingrid Bergman entweder von hinten zu sehen – oder komplett unscharf. Zudem kommen sie in der Filmhandlung kaum vor, sodass Topolanszky diese Ikonen unangetastet lässt. Dafür gesteht er Conrad Veidt (Christopher Krieg) der in Casablanca den Nazi-Oberst spielt, eine größere Rolle zu. Denn der erklärte Gegner der Nazis verließ 1941 seine Heimat – nur um in Hollywood einen Nazi spielen zu müssen.
Hier lässt Topolanszky zeitgeschichtliche Augenblicke zu. Die sich allerdings auf Veidts Kampf um seine Würde und Curtiz‘ Versuch, seine Schwester samt Familie aus Ungarn herauszuholen, beschränken. Einen weitaus größeren Teil der Handlung beschäftigt sich der Regisseur mit Curtiz als Person, seinen Eigenheiten und dunklen Seiten. So hatte er seine Ex-Frau samt Tochter in die USA geholt – um sich danach nicht mehr um sie zu kümmern. Und er prägte die legende der Besetzungs-Couch entscheidend mit und nutzte Schauspielerinnen sehr aus.
Hier arbeitet Topolanszky mit Weichzeichner, deutet diese Dinge zwar an, interessiert sich aber eher am Rande für diese Aspekte seines Helden. Stattdessen nimmt er sich Zeit für die Beziehung zwischen ihm und Tochter Kitty, die seine Ignoranz ihr gegenüber satt hatte und nach Hollywood kam um ihn zu sehen. Dieses behutsame Annähern zweier höchst unterschiedlicher Geister steht im Zentrum eines Films, der zwar schon durch den tollen Look gut unterhält, aber sehr viel mehr Spaß macht, wenn man Casablanca kennt und liebt.
Fazit:
Ob man Curtiz tatsächlich als halbwegs realistische Moment-Aufnahme des Regisseurs Michael Curtiz durchgehen lassen kann oder den Film als von wahren Ereignissen inspirierte Fiktion sehen sollte, muss jeder Zuchauer für sich entscheiden. Fest steht, dass Regisseur Tamas Yvan Topolanszky den Look von Casablanca sehr gut für seinen eigenen Film nachgebildet hat und eine kleine, aber feine Geschichte erzählt, die er in die Entstehung des Hollywood-Klassikers schlechthin einbettet. Für Cineasten deshalb uneingeschränkt zu empfehlen.
Curtiz startet am 25. März 2020 bei Netflix.