Freddie Mercury war als Frontmann von „Queen“ wohl eine der schillerndsten Figuren im Rock-Business der 70er und 80er Jahre. Nun hat Regisseur Bryan Singer („X-Men“) Sänger und Band ein filmisches Denkmal gesetzt und wichtige Teile der Geschichte in „Bohemian Rhapsody“ erzählt. Für Singer ging das nicht gut aus, etwa sechs Wochen vor Ende der Dreharbeiten wurde er vom Studio gefeuert. Ist der Film trotzdem so gut geworden, wie erste Bilder und der Trailer vermuten lassen?
Ob man die Musik nun mochte oder nicht: Dass Freddie Mercury einer der besten und interessantesten Sänger seiner Zeit war, wird niemand ernsthaft bestreiten. Daher ist es auch keine so große Überraschung, dass ein Filmemacher auf die Idee kam, seine Geschichte – und die der Band – ins Kino zu bringen. Doch es dauerte fast acht Jahre von der ersten Idee bis zum fertigen Film. Hat dieser steinige Weg dem Projekt geschadet oder geholfen?
Bohemian Rhapsody: Die Handlung
Der junge Farrokh Bulsara (Rami Malek) arbeitet als einfacher Arbeiter auf dem Flughafen Heathrow in London, träumt aber von einer großen Karriere als Sänger. Eines Abends lernt er nicht nur die interessante Mary (Lucy Boynton, „Gypsy“) kennen, sondern traut sich auch, sich der aufstrebenden Band „Smile“ als Songwriter vorzustellen. Als er von Gitarrist Brian May (Gwylim Lee) und Drummer Roger Taylor (Ben Hardy) erfährt, dass die Band sich auflösen will, weil der Leadsänger und Bassist gerade ausgestiegen ist, nutzt Farrokh seine Chance.
Ein paar Jahre später ist aus Farrokh Bulsara offiziell Freddie Mercury geworden, er lebt mit Mary zusammen und die Band hat mit dem neuen Bassisten John Deacon (Joseph Mazzello) unter dem Namen „Queen“ ihren ersten Hit – „Killer Queen“. Doch Freddie hat eine neue Idee: Er will ein Album aufnehmen, dass Opern-Einflüsse aufweist. In einigen Wochen entsteht „A Night At The Opera“ mit der Nummer-Eins-Single „Bohemian Rhapsody“. Queen ist ganz oben, doch Freddie bekommt zunehmend Probleme mit seiner eigenen Identität und Sexualität …
Bohemian Rhapsody: Furiose Ein-Mann-Show
Obwohl auch die anderen Bandmitglieder ihren Platz im Film bekommen, so liegt der Fokus doch sehr eindeutig auf Freddie Mercury. Und somit trägt Rami Malek den Film fast allein auf seinen schmalen Schultern. Und das macht er derart großartig, dass die optische Ähnlichkeit, die nicht wirklich da ist, kaum eine Rolle spielt. Denn Malek, der nach eigenen Angaben monatelang mit einem Bewegungscoach die typischen Gesten und Schritte Mercurys trainierte, wird vor allem in den nachgestellten Konzertszenen derart verblüffend gut zu Freddie, dass man seinen Augen kaum traut.
Während der Gesang vom Original stammt und im Film verwendet wurde, erweckt Malek alles andere wieder zum Leben. Und zeigt Mercury als brillanten Musiker und Sänger, aber auch als zutiefst verletzlich und oft schüchternen Menschen, der viele Lebensniederlagen zu verkraften hatte. Die erzählt Bryan Singer ohne Pathos und Übertreibung mit passenden Bildern. Und Drehbuchautor Anthony McCarten („Die Dunkelste Stunde“) findet treffende, oft ganz kurze Sätze und Dialoge dafür. So wirkt Bohemian Rhapsody trotz seiner vielen Themen nie überfrachtet.
Bohemian Rhapsody: Ein Musikfilm, wie er sein soll
Denn Singer und McCarten bringen auch die dunklen Seiten Mercurys im Film unter, wenn auch nicht in expliziten Szenen. Seine Homosexualität, unter der er anfangs wegen seiner Liebe zu Mary sehr leidet, sein ausschweifendes leben mit falschen Freunden und sein Wunsch, statt mit Queen auf eigenen Pfaden zu wandeln – all das verschweigt der Film nicht. Dennoch darf man Bohemian Rhapsody nicht als dokumentarischen und historisch korrekten Film missverstehen – das ist er nicht.
Denn aus dramaturgischen Gründen erlaubt sich der Film Freiheiten, die offenbar mit Zustimmung von May und Taylor passierten, Puristen aber dennoch verärgern dürften. So verfrachtet Singer den Hit „We Will Rock You“ kurzerhand aus dem Jahr 1977 in die 80er. Oder er behauptet, dass die Band vor dem Live-Aid-Konzert Jahre nicht zusammen gespielt habe, was ebenfalls nicht stimmt. Das alles schadet dem glänzenden Gesamteindruck aber überhaupt nicht. Denn Bohemian Rhapsody nimmt den Zuschauer trotzdem auf eine wilde Reise mit.
Und die ist vor allem ein Bad in Gefühlen. Mal lustig, mal traurig, mal rührend: Singer gelingt es großartig, sein Publikum emotional zu erreichen und die Zeit, die Band und ihren einmaligen Sänger so perfekt einzufangen, dass Fans von Queen sicher die eine oder andere Träne verdrücken werden. Highlight ist dabei der legendäre Live-Aid-Auftritt, der den Film beschließt und hier in fast voller Länge nachgedreht wurde. Der Zuckerguss auf einem Meilenstein der Musiker-Biographie, der die Latte für künftige Projekte (im kommenden Jahr kommt mit „Rocketman“ eine Elton-John-Bio in die Kinos) mächtig hoch hängt.
Fazit:
Bohemian Rhapsody ist ohne Frage einer der besten Filme des fast beendeten Kinojahres 2018. Mitreißend, emotional, großartig gespielt, mit Witz und Tragik, großen und kleinen Gesten und einem bittersüßen Ende. Rami Malek ist als Freddie Mercury überragend und erweckt den Sänger auf der Leinwand tatsächlich zum Leben. Und dürfte im kommenden Oscar-Rennen eine gewichtige Rolle spielen. Wie der ganze Film. Also: Unbedingt ansehen!
Bohemian Rhapsody startet am 31. Oktober in den deutschen Kinos.