Rocketman

Filmkritik: Rocketman

Der Musikfilm „Bohemian Rhapsody“ über Freddie Mercury und Queen rockte nicht nur das Publikum, sondern auch die Kinokassen. Mit mehr als 900 Millionen Dollar ist das Biopic einer der erfolgreichsten Film 2018 – von Filmpreisen gar nicht zu reden. Etwas vom Erfolg gehört auch Dexter Fletcher, der als Regisseur den Film beendete, nachdem Bryan Singer kurz vor Ende der Dreharbeiten gefeuert wurde. Und dieser Fletcher bringt nun mit „Rocketman“ das Leben von Elton John auf die Leinwand. Ist der Film auch so gut?

Damit hier niemand enttäuscht ist, sollte ein Fakt gleich vorweg geklärt werden. Rocketman ist keine Musik-Biographie, sondern ein Musical. Das heißt, hier wird andauernd gesungen, die Songs sind Teil der Handlung. Tanz und Musik gibt es also nicht nur dann, wenn Elton John ein Konzert gibt oder zuhause komponiert. Wer also einen Film erwartet wie Bohemian Rhapsody, wo Musik nur dann vorkommt, wenn es wirklich reales Geschehen ist, sollte wissen, dass er hier eher einen Film wie „Mary Poppins“ bekommt, allerdings lange nicht so jugendfrei.

Rocketman
Die Begegnung mit Bernie Taupin ist für den jungen Elton John der Schlüssel zur Weltkarriere.

Rocketman: Die Handlung

Im spektakulären Teufelskostüm stürmt Superstar Elton John (Taron Edgerton, „Kingsmen“, „Robin Hood“) in die Gesprächs-Therapiegruppe einer Suchtklinik – und möchte behandelt werden. Der Sänger und Komponist ist psychisch und physisch ein Wrack und braucht Hilfe. Wie konnte es soweit kommen? Das zeigen Rückblenden, die mit dem kleinen Reginald Kenneth Dwight beginnen, wie John mit bürgerlichem Namen hieß. Bei ihm stellen seine Mutter Sheila (Bryce Dalles Howard) und Großmutter Ivy (Gemma Jones) eine musikalische Begabung fest.

Jahre später erhält er ein Stipendium an der Royal Music-School in London und wird als junger Mann zum kleinen Star als Sänger und Pianist in Pubs. Doch zwei Begegnungen prägen sein Leben. Die erste ist das Treffen mit einem jungen Texter namens Bernie Taupin (Jamie Bell), der zum jahrzehntelangen, kongenialen Partner werden wird. Die zweite ist die mit dem Musikmanager John Reid (Richard Madden), in den sich Elton John leidenschaftlich verliebt. Und der ihm das Herz brechen und ihn in die Drogensucht treiben wird …

Rocketman: Kein Zeit für Jammerei

Obwohl sich der Film stark mit den dunklen Seiten von Johns Karriere beschäftigt, hat er mit einem Trauerspiel wenig zu tun. Offenbar hat der Künstler, der den Film mitproduzierte – ein Projekt, dass er schon fast 20 Jahre lange verfolgt – wenig Interesse daran gehabt, sich als tragische Figur zu sehen. Und so zeigt Taron Edgerton in der Rolle Nehmerqualitäten wie ein Boxer, der sich nicht über die Prügel beschwert, die er einstecken muss. Ohne deshalb als kreativer und sensibler Künstler unglaubwürdig zu werden.

Wie Elton John dieses dicke Fell entwickelt hatte, spart der Film ebenfalls nicht aus. Bryce Dallas Howard spielt die kühle Mutter Sheila wunderbar, und Steven Mackintosh ist als völlig gefühlskalter Vater ebenfalls beeindruckend gut. Sie sind die Steine um Elton Johns Hals, die ihn ein Leben lang nicht verlassen und immer wieder herunterziehen. Das Drehbuch nimmt das zwar zum Anlass für einige wenige ernste Momente im Film, aber die positive Grundstimmung von Rocketman geht dadurch nie verloren. Der Film möchte viel lieber unterhalten als traurig machen.

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Musikmanager John Reid, in den Elton sich hoffnungslos verliebt, entpuppt sich hingegen als Problem.

Rocketman: Zu oberflächlich?

Ist er deshalb zu flach für die Tragweite seiner Story? Das ist in jedem Fall Geschmackssache, denn in der Tat lassen es die vielen Hits, die im Film mit viel Charme und einer erstaunlich guten Singstimme von Taron Edgerton vorgetragen werden, nur selten echtes Drama zu. Und die bitteren Momente in Elton Johns Leben sind arg plakativ inszeniert. Überhaupt: Subtil ist hier gar nichts. Das passt allerdings ganz ausgezeichnet zur Kunstfigur Elton John, der lieber drei Nummern zu schrill war als eine Nuance zu leise.

Bohemian Rhapsody warfen viele Fans vor, mit den historischen Fakten allzu lässig umgegangen zu sein, um eine adäquate Biografie abzuliefern – tatsächlich auch nie die Intention des Films. Rocketman umgeht dieses Problem clever, indem er sich erst gar nicht um genau zeitliche Abläufe schert. Sondern die Songs von Elton John dort in der Handlung einbaut, wo sie textlich gut hinpassen – unabhängig davon, ob sie zu dieser Zeit schon komponiert waren oder noch gar nicht existierten. Und erstickt so eine Diskussion um genaue Geschichte schon im Keim.

Uneingeschränkt lobenswert ist Taron Edgerton, der sichtbar sein ganzes Herz in die Rolle legt. Und immer dicht an der Grenze zum Kitsch den großen Entertainer einerseits so schüchtern und andererseits so theatralisch spielt, dass er schon dadurch dem Zuschauer ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Dabei gelingt es ihm, den Menschen hinter dem Enfant Terrible des Rocks durchscheinen zu lassen. Was klar sein sollte: Um dieses letztlich vielleicht etwas zu leichtgewichtige Musical richtig zu genießen, hilft es sehr, wenn man die Musik von Elton John mag. Die hier hauptsächlich aus den 70er Jahren stammt.

Fazit:

Mit Rocketman liefert Regisseur Dexter Fletcher ein schrilles Musical ab, statt wie Bohemian Rhapsody auf ein Biopic mit Musik zu setzen. Das erreicht zwar deshalb nicht ganz die emotionale Tiefe des Queen-Films, liefert dafür aber derart schmissige Revue-Nummern, dass vor allem Fans der Musik von Elton John ein wohliges Gefühl im Bauch entwickeln dürften – trotz der nicht immer heiteren Story. Jungstar Taron Edgerton verdient sich als Elton John in jedem Fall seine Sporen als kommender Charakter-Darsteller, der mehr kann, als grinsende Helden zu spielen.

Rocketman startet am 30. Mai in den deutschen Kinos.

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Auch Eltons Mutter Sheila gibt ihrem Sohn nie wirklich Halt, sondern ist eine zusätzliche Belastung für ihn.