Der Nussknacker

Filmkritik: Der Nussknacker und die vier Reiche

Eigentlich ist „Der Nussknacker“ eine Erzählung des deutschen Schriftstellers E.T.A. Hoffmann, doch die Welt kennt hauptsächlich das darauf basierende Ballett von Peter Tschaikowsky. Disney hat nun mit „Der Nussknacker und die vier Reiche“ versucht, daraus einen Fantasyfilm zu machen, der sich hauptsächlich an ein sehr junges Publikum richtet und eindeutig für den vorweihnachtlichen Kinobesuch gedacht ist. Ist das geglückt oder kann man sich die Kinokarte sparen?

Der russische Komponist Peter Tschaikowsky ist sicher einer der bekanntesten Komponisten klassischer Musik überhaupt. Disney war daher auch klug genug, seine weltbekannten Melodien in den Soundtrack des Films einzubauen. Dafür haben die Macher sogar den berühmten Pianisten Lang Lang ins Boot geholt. James Newton Howard, der den neuen Score komponierte, kann einem angesichts dieser musikalischen Meilensteine, mit denen er mithalten muss, fast leid tun. Aber hat der Film außer Musik noch etwas zu bieten?

Der Nussknacker
Auf der Suche nach dem Weihnachtsgeschenk von ihrem Patenonkel gelangt Clara in eine fremde Welt.

Der Nussknacker und die vier Reiche: Die Handlung

Die junge Clara (Mackenzie Foy) bekommt am Heiligabend ein Geschenk von ihrer verstorbenen Mutter. Während der Vater (Matthew Macfadyen) ihrer großen Schwester Mutters Lieblingskleid überreicht und der kleine Bruder Fritz Spielzeugsoldaten erhält, bekommt Clara ein verschlossenes Schmuck-Ei, allerdings ohne Schlüssel. Hilfe erhofft sie sich von ihrem Patenonkel Drosselmeyer (Morgan Freeman), einem steinreichen Erfinder und langjährigen Freund ihrer Mutter. Und tatsächlich scheint der den Schlüssel zu besitzen.

Doch die Suche danach führt Clara durch einen seltsamen Tunnel direkt in einer andere Welt. Dort läuft sie nicht nur dem Nussknacker Phillip (Jayden Fowora-Knight) über den Weg, sondern auch vielen märchenhaften Gestalten wie der Zuckerfee (Keira Knightley), dem Mäusekönig und der geheimnisvollen Mutter Ingwer (Helen Mirren). Sie erfährt, dass ihre Mutter hier Königin war und Ingwer nach ihrem Verschwinden die Reiche mit Krieg überzogen hat. Clara will mithilfe des Nussknackers den Schlüssel zurückerobern und für Frieden sorgen …

Der Nussknacker und die vier Reiche: Wilde Mischung

Jeder, dem die Geschichte oder das Ballett bekannt ist, wird Bruchstücke daraus wiedererkennen. Denn viele Figuren aus der Vorlage finden sich auch im Film wieder. Allerdings hat kaum eine davon die Bedeutung, die ihr eigentlich zukommt. Disney ließ Drehbuchautorin Ashleigh Powell hier schalten und walten, wie sie wollte. Die hat sich offenkundig wenig für die Grundidee interessiert und lediglich die Figuren genutzt, um eine recht beliebige Fantasy-Story für ein junges Publikum zu entwerfen.

So gerät Der Nussknacker und die vier Reiche zu einem wilden Sammelsurium aus guten und schwachen Einfällen, hat aber mit Hoffmanns Vorlage nicht viel zu tun. Und auch die Musik Tschaikowskys erklingt oft nur wenige Sekunden, bevor sie wieder verschwindet – und so ihren Zauber nur andeuten kann. Wer sich also eine Verbeugung vor dem Schaffen der geistigen Väter erhofft, wird von diesem Film sicher enttäuscht sein.

Der Nussknacker
Bald begegnet Clara dem Nussknacker Phillip, der ihr bei der Suche nach einem Schlüssel helfen will.

Der Nussknacker und die vier Reiche: Üppige Ausstattung

Dass Der Nussknacker und die vier Reiche dennoch etwas zu bieten hat, liegt zu großen Teilen an Design und Umsetzung. Denn die Bilder, die die beiden Regisseure Lasse Hallström („Gottes Werk und Teufels Beitrag“) und Joe Johnston („Captain America: The First Avenger“) mit Kameramann Linus Sandgren hier einfangen, verbreiten nicht nur ein Maximum an Weihnachtsstimmung, wenn auch zuweilen ein wenig arg in Richtung Kitsch abgleitend. Sie sprühen auch vor Einfällen, die den Film immerhin optisch zu einem Erlebnis machen.

Ob das Clowns sind, die wie Matroschkas ineinander stecken, der Riss in Mutter Ingwers Gesicht, der klar macht, dass sie aus Porzellan ist oder die Kostüme der Herrscher des Schneeflocken- und Blumenreiches. Hier ist eine Menge kreative Energie geflossen, um die vier Reiche im weihnachtlichen Märchenland zu einem Augenschmaus zu machen. Umso erstaunlicher, dass die Effekte dann gerade bei heute eigentlich einfach zu machenden CGIs wie Wasser nicht überzeugen können, wo weit schwierige Bilder wie die des Mäusekönigs absolut gelungen sind.

Bei so viel Optik haben es die Schauspieler naturgemäß schwer. Und tatsächlich können selbst künstlerische Schwergewichte wie Helen Mirren oder Keira Knightley gegen Disneys brachialen Zuckerguss kaum anspielen und erinnerungswürdige Darbietungen zeigen. Und auch in Sachen Spannung hält sich Der Nussknacker und die vier Reiche vornehm zurück. Dadurch ist er zwar auch für sehr junge Zuschauer gut zu verkraften, kann die begleitenden Eltern aber weder mit sonderlich viel Humor noch packender Handlung unterhalten.

Fazit:

Der Nussknacker und die vier Reiche ist ein optisch mitunter fulminanter, aber inhaltlich arg beliebiger und glattgebügelter Fantasyfilm für eine sehr junge Zielgruppe, dem weder die Story noch die Stars ihren Stempel aufdrücken können. Lediglich die Sets, Kostüme und Locations strotzen oft vor derart vielen Ideen und Details, dass sich das Ansehen des Films im Kino lohnt. Tschaikowskys Musik bleibt leider ebenso Beiwerk wie die ursprüngliche Story. So ist es zwar keine Katastrophe, aber doch ein Film mit verschenkten Möglichkeiten.

Der Nussknacker und die vier Reiche startet am 1. November 2018 in den deutschen Kinos.

Der Nussknacker
Was führt die geheimnisvolle Mutter Gidoen im Schilde?