John David Washington

Filmkritik: Beckett

John David Washington tritt mit großen Schritten aus dem Schatten seines Vaters Denzel heraus. Erst landete er mit Christopher Nolans „Tenet“ einen Hit, danach spielte er die männliche Hauptrolle in „Malcolm and Marie“ an der Seite von Zendaya. Und nun ist er bei Netflix in „Beckett“ zu sehen und tritt damit in die Fußstapfen eines Cary Grant oder James Stewart – größer geht es kaum. Warum das so ist, worum es in dem Film überhaupt geht und was das mit einem der größten Regisseure aller Zeiten zu tun hat, verrät die Kritik.

Beckett
Da ist die Welt noch in Ordnung: Beckett und April genießen ihren Urlaub in Griechenland.

Die Handlung

Beckett (John David Washington) und seine Freundin April (Alicia Vikander) machen Urlaub in Griechenland. Schwer verliebt schmieden sie Pläne für die Zukunft und genießen ihre gemeinsame Zeit zusammen. Doch der Tag war offenbar anstrengender, als beiden bewusst war: nach einem langen Ausflug schläft April im Auto ein und auch Beckett hat Mühe, sich in der pechschwarzen Nacht der griechischen Provinz wachzuhalten. Schließlich verfällt er einem Sekundenschlaf – mit tragischen Folgen. Der Wagen kommt von der Straße ab, überschlägt sich auf einem hang und kracht schließlich in ein Bauernhaus am Fuß der Straße. Dort sieht Beckett nicht nur April reglos am Boden liegen, nachdem sie aus dem Auto geschleudert wurde, sondern auch einen Jungen und eine blonde Frau. Dann wird er bewusstlos.

Als er im Krankenhaus wieder zu sich kommt, wartet bereits die Polizei auf ihn. Offenbar hat er Glück gehabt und außer einem gebrochenen Arm und Prellungen keine schwerwiegenden Verletzungen davongetragen. April, so erzählt man ihm, hatte weniger Glück – seine Freundin hat den Unfall nicht überlebt. Völlig aufgelöst vor Trauer und Schuldgefühlen unternimmt er eine Wanderung zur Unfallstelle, um sich dort von April zu verabschieden und zu trauern. Doch da taucht plötzlich die blonde Frau erneut auf und beginnt auf ihn zu schießen. Nur mit Mühe kann Becket entkommen. Hat April geheimnisse gehabt und der Unfall war vorbereitet, um sie zu töten? Oder haben die beiden etwas gesehen, was sie nicht hätten sehen sollen? Beckett versucht, sich zur US-Botschaft nach Athen durchzuschlagen. Doch die Killer warten schon …

In bester Hitchcock-Tradition

Ein paar seiner größten Erfolge feierte der britische „König des Suspense“ Alfred Hitchcock mit dem gleichen Plot. Ein Jedermann gerät durch einen Zufall in eine Verschwörung, kann plötzlich niemandem mehr trauen und muss um sein Leben fürchten. In „Der Mann, der zu viel wusste“ gerät James Stewart als unbescholtener Bürger und Vater in ein solches Komplott. Und in Hitchcocks vielleicht bestem Thriller „Der unsichtbare Dritte“ sieht sich Cary Grant als Werbefachmann auf einmal in der Situation, zu einem der meistgejagten Männer der USA zu werden – ohne dass er auch nur die leiseste Ahnung hat, warum das so ist. In diese Rolle schlüpft nun auch John David Washington – und schlägt sich gut.

Denn als One-Man-Show trägt Washington den ganzen Film, ihm muss der Zuschauer glauben, was er erlebt, mit ihm soll das Publikum um sein Leben zittern. Und Washington spielt seinen Beckett genau so, dass der Zuschauer schnell einen Zugang zu ihm findet. Erst völlig erschlagen von Schuldgefühlen, dann doch um sein Leben kämpfend und schließlich im Finale noch in ganz anderer Mission unterwegs, all das glaubt man ihm und steht genauso ratlos an seiner Seite. Denn der italienische Regisseur Ferdinando Cito Filomarino, der auch die Story liefert, erzählt das Geschehen konsequent aus Becketts Sicht. Das bedeutet, der Zuschauer weiß nie mehr als der Protagonist – was beide zu Komplizen macht.

Beckett
Dann geschieht ein schrecklicher Autounfall, bei dem April angeblich stirbt. Und Beckett ist bald danach auf der Flucht vor Killern.

Allein gegen alle?

Dabei baut er in seinem Langfilm-Debüt zwar verschiedene Spuren auf, legt sich dann aber doch recht zügig auf eine Richtung fest, in die sich die Handlung entwickelt und bleibt dabei. Das genügt auch völlig, um die Spannung die gesamte Laufzeit von knapp 110 Minuten hoch zu halten. Denn die Situation könnte für Beckett kaum schwieriger sein. Er ist auf der Flucht in einem Land, dessen Sprache er nicht spricht. Er kann der Polizei nicht trauen. Und er muss herausfinden, worum es hier überhaupt geht, will er eine Chance haben, das zu überleben. Mehr als genug Probleme, um seine immer wieder aufsteigende Panik und sein zunehmend paranoides Verhalten zu verstehen.

In bester Hitchcock-Manier lernt Beckett dabei auf die harte Tour, dass er wirklich niemanden trauen darf, wenn er überleben will. Diese Isolation inmitten einer Großstadt inszeniert Filomarino gekonnt und lässt seinen Protagonisten mehr und mehr über sich hinauswachsen. Das wird manchem Zuschauer vielleicht zu weit gehen, gerade im adrenalinpumpenden Finale. Aber dass die Bilder einen gebannt am Bildschirm halten, wird kaum jemand bestreiten können. Die Wirkung verstärkt Filomarino noch dadurch, dass er die Verschwörer zwar nicht gesichtslos, aber doch weitgehend motivlos lässt. Warum sie tun, was sie tun, kann Beckett nur erahnen – und umso unheimlicher und gemeiner wirken die Schurken hier.

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Beckett bittet die politische Aktivistin Lena um Hilfe. Er will die US-Botschaft in Athen erreichen.

Wenn man Beckett etwas vorwerfen will, dann die Tatsache, dass der Plot eben nichts Neues bietet, so gut wie jede Szene haben Thrillerfans so oder ähnlich schon einmal gesehen. Aber gerade jüngeres Publikum, dass die Hitchcock-Klassiker vielleicht noch nicht kennt, wird Beckett garantiert abholen. Denn auch ohne viel Blut gelingt Filomarino ein mehr als anständiger Film und eine schöne Hommage an den vielleicht größten Thriller-Regissseur aller Zeiten.

Fazit:

Beckett beweist zwei Dinge. John David Washington hat das Talent seines Vaters geerbt und ist ein verdammt guter Schauspieler. Und der beliebte Plot von Thriller-Altmeister Alfred Hitchcock funktioniert immer noch tadellos, wenn er, wie hier, ordentlich geschrieben und inszeniert ist. Regisseur Ferdinando Cito Filomarino gelingt es in seinem ersten Langspielfilm, eine spannende Story zu erzählen und dabei konsequent die Sichtweise seines Protagonisten einzunehmen. Dass der Zuschauer nie mehr weiß als er, macht Beckett so spannend. Denn die Gegner kommen so förmlich aus dem Nichts und sorgen für permanente Todesangst. Spannung, die sich auf den Zuschauer überträgt.

Beckett startet am 13. August 2021 bei Netflix.

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