Was macht einen guten Science-Horror-Thriller aus? Zunächst natürlich das Fehlen irgendwelcher übernatürlichen Vorkommnisse wie Geister oder Vampire. Und dann eine möglichst glaubhafte, wissenschaftliche Erklärung oder zumindest Theorie für die Vorgänge, die das Publikum in Angst versetzen sollen. Michael Crichton hat das bereits 1971 mit „Andromeda – tödlicher Staub aus dem All“ und später nochmals mit „Jurassic Park“ vorgemacht. Auch andere Storys, wie die das bald als Serie veröffentlichte Videospiel „The Last of Us“ oder als Film auch „The Girl with all the Gifts“ hatten Erfolg. Nun steigt Amazon Prime mit „The Rig“ in den Ring und präsentiert eine Science-Horrorstory, die auf einer Bohrinsel spielt. Kann sie mit den Großen des Genres mithalten? Das verrät die Kritik.
Die Handlung
Die Tage der Ölplattform Kinloch Bravo vor der schottischen Küste sind gezählt. Doch das weiß nur der Leiter Magnus (Iain Glen), der das für sich behalten muss. Die wissenschaftliche Leiterin Rose (Emily Hampshire) lässt die Schließung hingegen kalt, hat sie doch ganz andere Pläne für ihre weitere Karriere. Doch beide müssen zusammenarbeiten, als plötzlich nach einem unterirdischen Beben ein Nebel aufzieht, der sämtliche Kommunikation mit dem Festland unterbindet. Und in dessen undurchdringlichen Schichten sich offenbar etwas Fremdes eingenistet hat, dass der Crew der Bohrinsel gefährlich werden kann. Die Stimmung der Crew ist deshalb bereits gefährlich aggressiv, als der junge Baz (Calvin Demba) bei einem Sturz augenscheinlich tödlich verletzt wird.
Doch wie durch ein Wunder erholt sich der junge Mann schnell, was nicht nur den grummeligen Veteranen Hutton (Owen Teale) stutzig macht. Doch bevor Magnus und Rose ihn befragen können, verschwindet Baz spurlos. Bald kommt es zu weiteren Unglücken, sogar zu Todesfällen. Die Angst der Besatzung steigt, denn noch immer ist kein Kontakt zum Festland möglich, eine Abholung daher ausgeschlossen. Wissenschaftlerin Rose kommen nach einigen Untersuchungen auch ernste Zweifel, ob überhaupt jemand von der Bohrinsel wieder in die Zivilisation zurückkehren sollte, denn sie entdeckt Lebensformen, die seit Jahrmillionen nicht mehr existierten. Die Bedrohung für die Crew ist also uralt – aber ist sie auch aufzuhalten?
Bekannte Gesichter
Mittlerweile gibt es kaum noch britische Serien, die nicht mit mindestens einem bekannten Gesicht aus „Game of Thrones“ aufwarten können. Hier sind es mit Iain Glen (Jorah Mormont) und Owen Teale (Alliser Thorne) gleich zwei. Und beide Rollen ähneln ihren bekannten Auftritten durchaus. Glen spielt den Stationsleiter Magnus als von Selbstzweifeln und Trauer zerfressenen, aber erfahrenen und besonnenen Mann, während Teale erneut als notorischer Unruhestifter und Nörgler zu sehen ist. Beide beherrschen die ersten Folgen, die allerdings spannendes Schauspiel auch bitter nötig haben. Denn das Tempo der ersten drei Episoden (die stellte Amazon Prime vorab zur Sichtung zur Verfügung) zieht spannungserprobte Zuschauer noch nicht nicht so recht in seinen Bann.
Natürlich braucht eine gute Mystery-Horror-Story auch Zeit sich zu entfalten. Aber ein wenig mehr als Nebel und Ascheregen hätte es in den beiden ersten Folgen schon sein dürfen. Dem gemächlichen Tempo stehen aber, auch durch Glen und Teale, gute Schauspieler-Leistungen gegenüber, die dem Publikum die wichtigsten Personen auf der Bohrinsel schnell näherbringen. Und die so gut geschrieben sind, dass sie vor den Augen der Zuschauer schnell zu lebendigen Charakteren werden. Hier verliert The Rig lobenswerterweise aber kaum Zeit, sondern skizziert präzise und schnell die wichtigsten Eigenschaften der Hauptfiguren: die ehrgeizige Rose, der unerfahrene Baz, der gebrochene Magnus, der stets rebellische Hutton und der undurchsichtige Fulmar (Martin Compston, „Doomsday“).
Kaum Grund zur Panik
Doch auch diesen erfahrenen Schauspielerin gelingt es nicht, dass das Drehbuch des Showrunners David Macpherson wirklich abhebt. Zwar hält die Handlung genug Twists und Spannung bereit, um den Zuschauer interessiert zu halten, doch der richtige Funke, damit das Publikum wirklich für die Story und die Figuren brennt, ist zumindest in den ersten drei Folgen noch nicht übergesprungen. Dazu passiert schlicht zu wenig, sowohl was die unheimlichen Elemente der Handlung angeht, als auch auch der zwischenmenschlichen Ebene. Immerhin liefert Rose in der dritten Episode endlich eine mögliche Erklärung für die Vorkommnisse, spannender wird die Story dadurch aber auch nicht. Serien und Filme sollten eben auch optisch fesseln, und da hat The Rig bis auf die titelgebende Ölplattform wenig zu bieten.
Denn die Maskenbildner-Abteilung hat hier ebenso wenig zu tun wie die Spezial-Effekte-Spezialisten. Die Story gefällt sich zu großen Teilen in Dialogen und nur selten passiert wirklich etwas, das die Herzen von Genre-Fans höher schlagen lässt. Das kann sich natürlich in den verbleibenden drei Episoden noch ändern. Momentan macht es aber nicht den Eindruck, als würden hier noch geheimnisvolle Lebewesen auftauchen. Immerhin kann sich The Rig zumindest atmosphärisch sehen lassen. Die Abgeschiedenheit und Enge einer Bohrinsel hat Regisseur John Strickland gut eingefangen. Leider zieht er daraus wenig Spannung im Vergleich zu Genre-Giganten wie „Das Ding aus einer anderen Welt“.
Fazit:
The Rig ist nach der Hälfte weder ein laues Lüftchen, noch ein wilder Sturm, sondern macht es sich irgendwo dazwischen gemütlich. Nicht wirklich langweilig, aber auch nicht richtig packend, erzählt die Serie ihre Story eher gemächlich, kann aber mit starken Schauspiel-Leistungen überzeugen. Vor allem die GoT-Veteranen Iain Glen und Owen Teale tragen das Geschehen, das aber ein wenig mehr Aufregung und Adrenalin gut vertragen hätte. Immerhin bleibt die Hoffnung, das die Story in den letzten drei Episoden noch anzieht und aus dem überdurchschnittlichen Mystery-Stoff noch richtig guter Sci-Fi-Horror wird. So richtig überzeugt bin ich davon aber nicht.
The Rig startet am 6. Januar 2023 bei Amazon Prime.
Gesehen: drei von sechs Folgen