the girl with all the gifts

Filmkritik: The Girl With All The Gifts

Das Zombie-Genre hat einfach keine neuen Ideen mehr? Weit gefehlt! Dieser britische Film The Girl With All The Gifts erzählt die Zombie-Apokalypse derart anders, dass er für Horrorfans schnell zu einem neuen Klassiker werden könnte. Zu verdanken ist das auch der Top-Besetzung.

Im Lauf seiner noch recht jungen Geschichte – der erste „echte“ Zombiefilm, so wie wir die Untoten kennen, stammt von 1968 – haben die meisten Filme des Genres den sicheren Weg gewählt. Schon Urvater George Romero behielt die genaue Entstehung seiner Zombies stets für sich und ließ sie als Naturgewalt über die Menschheit hereinbrechen. Dass es aber sehr viel spannender sein kann, die Ursache des Endes der Menschheit zu verraten, zeigt The Girl With All The Gifts.

Die Handlung:

England in naher Zukunft: Eine Pilzspore hat Millionen Menschen zu willenlosen zombieähnlichen Kreaturen gemacht, die nur auf Fressen und Verbreiten programmiert sind und ansonsten reglos wie Pilze in der Gegen stehen. Lediglich auf die Kinder, die bereits im Mutterleib infiziert und als „Pilzzombies“ geboren wurden, haben die Sporen ein andere Wirkung: So lange sie anderen Menschen nicht zu nahe kommen und deren Schweiß oder Blut riechen, können sie ihre Aggressionen zurückhalten und sich wie normale Menschen benehmen. Das hindert das Militär allerdings nicht daran, die Kinder wie Monster gefangen zu halten und an ihnen zu experimentieren.

Vor allem Dr. Caldwell (Glenn Close) behandelt die Kleinen wie Versuchstiere und tötet, wann immer es ihr notwendig erscheint, um ein Gegenmittel zu finden. Die junge Lehrerin Helen Justineau (Gemma Arterton) hingegen mag die Kinder, ganz besonders die aufgeweckte Melanie (Sennia Nanua). Als eine Horde von Infizierten die Basis stürmt, können nur wenige entkommen, darunter Melanie, Helen und Dr. Caldwell sowie Sgt. Parks (Paddy Considine). Für die meisten von ihnen wird der Weg zur nächsten sicheren Militärbasis zu einem Trip in die Hölle …

Alle Stärken des Genres …

Damit es nicht zu Missverständnissen kommt: The Girl With All The Gifts ist in vielerlei Hinsicht ein klassischer Zombiefilm. Die fast hoffnungslose Situation, in der die letzten Forscher nach Informationen zur Rettung suchen, das erinnert stark an Romeros „Day of the Dead“, den letzten und bittersten Film seiner ersten Zombie-Trilogie. Und die Reise an einen imaginären, sicheren Ort, den es doch noch irgendwo geben muss, die haben wir auch in „Dawn of the Dead“ und „28 Days Later“ schon gesehen. Aber diese beiden Faktoren tragen eine Menge zur außergewöhnlich hohen Qualität des Films bei.

Denn durch die neue Entstehungsart der Zombies gelten auch neue Spielregeln im Umgang mit ihnen. Ein Umstand, der zu einer der spannendsten Szenen des gesamten Films führt. Und obwohl The Girl With All The Gifts kein Splatterfilm ist: Wenn es darum geht, harte Gewalt zu zeigen, was selten der Fall ist, zuckt Regisseur Colm McCarthy nicht zurück und hält mit der Kamera aufs Geschehen. Ein harter, spannender Horrorfilm also, in bester Tradition der 28-Filme, die ja ebenfalls aus England stammen. Und doch ist das nur die halbe Wahrheit.

… ohne deren Schwächen

Denn der eigentliche Geniestreich des Films ist es, die Bedrohung der Menschheit gleichzeitig als ihren größten Sympathieträger zu zeigen, die junge Melanie ist derart klug, freundlich und aufopfernd, selbst gegen die Menschen, die sie am liebsten umbringen möchten, dass es schwierig ist, hier in klassische Gut-Böse-Schemata zu verfallen. Das Monster ist hier auch die Heldin, gerade weil sie nie leugnet zu sein, was sie ist. Autor Mike Carey, auch verantwortlich für die Comicvorlage der wunderbaren „Lucifer„-TV-Serie, hat mit seinem Roman und dem Drehbuch, dass er ebenfalls schrieb, einen sehr guten Job gemacht. Auch wenn Melanie nicht der erste sympathische „Untote“ der Filmgeschichte ist: So radikal hat lange niemand das Zombie-Genre umgekrempelt.

the girl with all the gifts
Gemma Arterton spielt die nette Lehrerin Helen Justineau.

Auch eine weitere häufige Schwäche des Zombiefilms kommt hier nicht vor: schlechte Schauspieler. McCarthy kann durch die Bank auf Könner zurückgreifen, vor allem die beiden starken Frauenrollen – die liebende Mutterfigur und die traurige Henkerin – verkörpern Gemma Arterton und Glenn Close außergewöhnlich eindringlich. Und von der jungen Sennia Nanua haben wir sicher auch nicht zum letzten Mal etwas gesehen, die perfekt gecastete Rolle vergisst man nicht so schnell.

Und so bleibt The Girl With All The Gifts erfreulich neu und anders, ohne deshalb seine Herkunft zu verraten: Dieser Film macht Angst, vielleicht sogar mehr als viele andere, weil er dichter an der Realität bleibt. Den Pilz, der hier die Menschheit vernichtet, gibt es nämlich tatsächlich, allerdings kontrolliert er zurzeit nur die Gehirne von Ameisen. Und für Zocker, die hier einen großen Ideenklau vom grandiosen „The Last Of Us“ unterstellen: Spiel und Roman kamen etwa zur gleichen Zeit auf den Markt – und sind auch in der Grundaussage komplett unterschiedlich.

Fazit:

The Girl With All The Gifts ist nicht nur ein sehr gut funktionierender Horrorfilm, der genug Härte und Atmosphäre mitbringt, um länger im Gedächtnis zu bleiben. Er erzählt auch eine Story, in der Gut und Böse von Anfang an schwer zu verorten sind und die somit vom Publikum mehr fordert als gängige Gruselstreifen. Auch wenn dieses Kleinod vermutlich nicht den großen Erfolg an deutschen Kinokassen einfahren wird, bleibt er einer der besten Beiträge zum Genre Zombiefilm seit langem, weil er dem in Langeweile erstarrten Grund-Plot endlich neue Impulse gibt.

The Girl With All The Gifts startet am 9. Februar in den deutschen Kinos.