Wo die Erde bebt

Filmkritik: Wo die Erde bebt

Ungewöhnliche Geschichten zu erzählen, das geht momentan für Filmemacher nirgendwo so gut wie bei Netflix. Auch der sehr ausgefallene Plot von „Wo die Erde bebt“ hätte im Kino vermutlich keine Chance bekommen. Der Streaming-Dienst hat ihn nun ins Programm genommen, nachdem er ursprünglich bei Amazon landen sollte. Kann der ungewöhnliche Genre-Mix aus Thriller- und Drama-Elementen überzeugen oder ist es nur ein weiterer Netflix-Film, den die Welt nicht gebraucht hätte?

Die Liste der Beteiligten an Wo die Erde bebt kann sich sehen lassen. Ridley Scott gehörte zu den Produzenten des Films, dazu stehen mit Alicia Vikander und Riley Keough zwei der momentan angesagtesten weiblichen Stars vor der Kamera. Und Jack Huston hat sich auch noch eine kleine Rolle gesichert. Warum das der Literaturverfilmung des britischen Regisseurs Wash Westmoreland nach eigenem Drehbuch dennoch nicht hilft, erklärt die Kritik.

Wo die Erde bebt
Lucy führt in Japan ein zurückgezogenes, kontrolliertes Leben.

Wo die Erde bebt: Die Handlung

1989: Die junge Schwedin Lucy (Alicia Vikander) lebt schon seit vielen Jahren in Tokio und arbeitet dort als Übersetzerin. Als der junge Fotograf Teiji (Naoki Kobayashi) sie ohne Erlaubnis auf der Straße ablichtet, kommt sie mit ihm ins Gespräch und steht ihm später in seiner Wohnung Modell. Abends trifft sie sich noch mit einem Freund (Jack Huston), der sie darum bittet, sich um die neu angekommene Amerikanerin Lily (Riley Keough) zu kümmern. Die spricht noch kein Wort Japanisch und fühlt sich in der riesigen Stadt verloren.

Lucy freundet sich langsam mit Lily an, während sie mit dem Fotografen Teiji eine Liebesbeziehung beginnt. Zunächst hält sie ihn vor ihrem Freundeskreis verborgen, doch schließlich nimmt sie sowohl ihren Freund als auch Lily zu einem Wochenendausflug zu einer japanischen Insel mit. Dort stellt sich heraus, dass sich Teiji und Lily viel interessanter finden, als Lucy bewusst war. Ein paar Tage später wird Lucy von der Polizei verhaftet, denn Lily ist spurlos verschwunden. Hat Lucy sie aus Eifersucht getötet?

Wo die Erde bebt: Wenig Spannung

Ridley Scott und Japan – da war doch was? In der Tat inszenierte Scott 1989 den düsteren Thriller „Black Rain“, der in Japans Gangsterszene spielt und mit Michael Douglas hochkarätig besetzt war. Regisseur Westmoreland verbeugt sich davor, indem er Lucy zu Beginn des Films eine Szene aus dem Film übersetzen lässt. Mehr Berührungspunkte zwischen Scotts spannendem Kulturclash-Thriller und Westmorelands verkopfter Mischung aus Krimi und Drama finden sie leider nicht, denn Wo die Erde bebt ist an Spannungsaufbau nur wenig interessiert.

Westmoreland fokussiert sich in seinem Film auf drei Erzählstränge. Zum einen beschäftigt er sich mit Lucys Geheimnissen, die sie nach Japan trieben. Dann lotet er die komplexe Dreieicksbeziehung aus, die sich zwischen den Hauptfiguren entwickelt. Und schließlich beginnt er seine Erzählung mit der Krimihandlung um das Verschwinden der jungen Amerikanerin. Keine dieser drei Säulen seines Films inszeniert er auch nur im Ansatz spannend. Und daher wirkt Wo die Erde bebt wie ein unentschlossener Hybrid zwischen Thriller und Arthouse.

Wo die Erde bebt
Bis sie dem jungen Fotografen Teiji begegnet, zu dem sie sich bald stark hingezogen fühlt.

Wo die Erde bebt: Zu kühl erzählt

Dabei ist Westmorelands Ansatz, Japan als Rätsel zu inszenieren, das Ausländer nie wirklich durchdringen können, durchaus interessant. Aber der Brite erzählt die Story derart unterkühlt und emotionslos, dass der Zuschauer schnell das Interesse an sämtlichen Figuren des Films verliert. Lediglich einmal, wenn das Trio sich auf dem Ausflug befindet, gelingt es Westmoreland, ein paar spannende Momente zu schaffen. Ansonsten bleibt seine Adaption des Romans „The Earthquake Bird“ von Susanna Jones leider sehr langatmig und ereignisarm.

Das ist umso erstaunlicher, wenn man weiß, dass der Roman zu den angesagtesten Erotik-Thrillern der vergangenen Jahre gehört. Davon ist dem Film nichts anzumerken. Denn warum hier wer wem verfällt, das lässt Westmorelands Film allerhöchstens erahnen, so richtig nachvollziehbar ist seine Geschichte daher nicht. Was auch daran liegt, dass die Schauspieler sich zwar bemühen, die Chemie zwischen ihnen aber nicht zu sehen oder zu spüren ist. Die viel zu kühle Regie lässt Emotion nur schwer aufkommen.

Und so gibt es weder eine spannende Krimihandlung, die den Zuschauer dafür interessiert, was mit Lily passiert ist, noch eine ansprechende Love-Story um erotische Obsessionen, wie sie der Roman liefert. So gut Alicia Vikander hier auch die zerrissene Figur spielt, die ihre Emotionen nur scheinbar unter Kontrolle hat, sie allein kann das mäßige Drehbuch und die deutlich zu verkopfte Regie nicht wieder ausgleichen. Was bleibt, ist ein in weiten Teilen langweiliger Film.

Fazit:

Mit Wo die Erde bebt hat sich Regisseur Wash Westmoreland nicht mit Ruhm bekleckert. Obwohl er gute Schauspieler zur Verfügung hatte, um einen preisgekrönten Erotikthriller zu adaptieren, geraten sowohl Drehbuch als auch Inszenierung so unterkühlt, dass die Story den Zuschauer schon nach wenigen Minuten nicht mehr mitnimmt. Kaum Spannung, wenig Erotik und blasse, weil viel zu verschlossene Charaktere – daraus lässt sich einfach kein packender Film machen.

Wo die Erde bebt startet am 15. November 2019 bei Netflix.

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Wo die Erde bebt
Doch als Lucy Teiji und ihre neue Freundin Lily mit auf einen Ausflug nimmt, bekommt ihre Beziehung deutliche Risse.