The Old Guard

Filmkritik: The Old Guard

Greg Rucka ist als Comicautor in den USA ein großer Name, weil er nicht nur sehr erfolgreiche Superhelden-Storys schrieb, sondern auch in anderen Genres wegweisende Werke schuf. So geht die sehr originelle Krimiserie „Stumptown“, die gerade bei Sky zu sehen ist, auf sein Konto. Für den neuen Netflix-Film „The Old Guard“, der auf einem seiner Comics beruht, schrieb er sogar das Drehbuch selbst. Hat er aus seinem eigenen Comic damit auch einen guten Film gemacht? Das klärt die Kritik.

Charlize Theron kann toughe Frauen spielen, das wissen Filmfans nicht erst seit gestern. War die Südafrikanerin zu Beginn ihrer Karriere meist zuckersüßes Beiwerk, so wurde sie spätestens 2015 durch „Mad Max: Fury Road“ auch zur Action-Ikone. Dieses Image scheint der 44-jährigen gut zu gefallen, denn mit „Atomic Blonde“ dessen Fortsetzung im kommenden Jahr ebenfalls bei Netflix laufen soll, spielte sie ein weiteres Mal eine Elitekämpferin. Und nun ist sie als Chefin der The Old Guard zum dritten Mal in einer solchen Rolle zu sehen. Ist sie wieder gut?

The Old Guard
Andy und ihr Team aus unsterblichen Kriegern sind in größerer Gefahr, als sie glauben.

The Old Guard: Die Handlung

Sie kennt viele Sprachen und noch mehr Kampftechniken, ist eine kühle Strategin und herausragende Anführerin. Und das ist auch kein Wunder, denn Andy (Charlize Theron) kämpft bereits seit tausenden von Jahren gegen unzählige Feinde. Die Unsterbliche hat im Lauf der Zeit ein paar weitere ihrer Art entdeckt, zuletzt im Jahr 1812 den Belgier Booker (Matthias Schoenaerts). Gemeinsam mit dem 1000 Jahre alten Liebespaar Nicky (Luca Marinelli) und Joe (Marwan Kenzari) bildet das Quartett die tödlichste, kleine Armee auf Erden – denn man kann sie nicht töten.

Als der CIA-Agent Copley (Chiwetel Ejiofor) Andy um Hilfe bei der Rettung einiger entführter Schulmädchen im Süd-Sudan bittet, klingt das noch einem Routine-Einsatz. Doch die Aktion läuft völlig anders ab als geplant. Und dann taucht in gemeinsamen Visionen auch noch die junge Nile (KiKi Layne) auf, die offenbar das neueste Mitglied des höchst elitären Clubs ist. Die Verstärkung kommt auch gerade recht, denn ein geheimnisvoller Unbekannter scheint die Jagd auf Unsterbliche eröffnet zu haben. Und Nile merkt schnell, dass auch Schuldgefühle unsterblich sein können …

The Old Guard: Gute Teile, aber kein Ganzes

Comics sind dem Film zwar als Medium am ähnlichsten, da sie ebenfalls mit vielen visuelllen Mitteln arbeiten, dennoch gibt es Unterschiede, vor allem in der Dramaturgie. Und das zeigt sich auch bei The Old Guard. Denn einzelne Szenen der Story funktionieren großartig. Wenn Andys Team gleich zu Beginn scheinbar niedergeschossen wird und sich die eigentlich toten Körper dann erheben, um ihren Gegnern den Garaus zu machen, ist das ein Moment, der im Gedächtnis bleibt. Und sogar ein wenig Emotion schafft es in das ansonsten eher actionlastige Drama um unsterbliche Kämpfer für das Gute.

Wenn Booker der Neuen im Team erklärt, warum es wichtig ist, für die eigene Familie als tot zu gelten, dann geht das tatsächlich unter die Haut, auch weil Matthias Schoenaerts diesen Moment stark spielt. Aber sind einzelne starke Szenen in einer Story, die ansonsten doch reichlich belanglos und spannungsarm daherkommt. Das liegt zum einen an der sehr überschaubaren Menge Handlung für zwei Stunden Film. Und zum anderen an der Schurkenfigur, die keinen Millimeter über einen extrem flach gezeichneten Klischee-Bösewicht herausragt.

The Old Guard
Ist CIA-Agent Copley ein Freund der Gruppe – oder ein Feind?

The Old Guard: Gut gespielt, mäßig geschrieben

Denn der hat ebenso ein Motivationsproblem wie einige der anderen Figuren. Warum manche Charaktere handeln wie sie handeln, ist in diesen Fällen nur sehr schwer nachvollziehbar und sieht daher mehr nach billiger Effekthascherei als nach wirklich wichtigem Handlungstwist aus. Und warum Darsteller Harry Melling, den der Zuschauer vor allem als fieser Cousin Dudley aus den Harry Potter-Filmen kennt, seinen Fiesling genauso kindisch spielen muss, wie seine bisherige Paraderolle, wird wohl das Geheimnis von Regisseurin Gina Prince-Bythewood bleiben.

Die war zuletzt bei Sony mehrere Jahre damit beschäftigt, den Spider-Man Spin-Off „Silver and Black“ auf den Weg zu bringen, entschied sich dann aber für den Netflix-Film. Warum Sony die Amerikanerin wollte, zeigt sich vor allem in den Actionszenen des Films, von denen es gern mehr hätte geben dürfen. Denn die inszeniert Prince Blythewood schnörkellos hart und spannend. Auch ihren Star Charlize Theron setzt sie tadellos in Szene und die dankt es ihr mit einer guten Leistung. Die uralte Andy, zerrissen zwischen dem Wunsch zu sterben und der Aufgabe, Gutes zu tun, ist denn auch der mit Abstand stärkste Charakter, den Rucka zu Papier brachte.

Der Rest des Films bliebt dagegen unentschlossen zwischen blutigem Actionkracher und emotionalem Drama um Unsterbliche, die schon so viel Leid und Schmerz gesehen und erfahren haben, dass sie mit dem Rest der Menschheit kaum noch Berührungspunkte aufweisen. Rucka zeigt, dass ein guter Comicautor nicht automatisch auch ein starker Drehbuchschreiber sein muss. Was den Film trotzdem sehenswert macht, sind seine guten Schauspieler und die Melancholie, die diesen blutigen Actionfilm umweht. Eine Fortsetzung ist auch bereits angelegt.

Fazit:

The Old Guard ist ein Action-Thriller, der hauptsächlich mit seinen guten Schauwerten punktet. Harte Action, stark gefilmt, das passt. Schwieriger wird es, wenn es um die Figuren und deren Motivation für ihre Taten geht. Hier bietet Drehbuchautor Greg Rucka, der auch die Comicvorlage schrieb, leider viel Mittelmaß. Dank Charlize Theron und ihrer Kollegen ist der Film dennoch einen Blick wert.

The Old Guard startet am 10. Juli 2020 bei Netflix.

The Old Guard
Konzernchef Merrick hat mit den Unsterblichen zwar große Pläne, aber keine guten.