Nur Gott

Filmkritik: Nur Gott kann mich richten

Moritz Bleibtreu hat sich schon häufiger an Projekte herangetraut, die normalerweise im deutschen Kino so nicht stattfinden. Auch „Nur Gott kann mich richten“ fällt in diese Kategorie. Authentische, knallharte Gangsterdramen sind sonst nicht unbedingt das bevorzugte Genre deutscher Regisseure. Funktioniert der düstere Einblick ins kriminelle Milieu von Frankfurt?

Regisseur Özgür Yildirim, auf den Kollege Fatih Akin große Stücke hält, ist kein Unbekannter in Sachen Milieustudie. Bereits 2008 ließ er mit dem Drogendrama „Chiko“ die kleinkriminelle Unterwelt von Hamburg auf der Leinwand lebendig werden. Seitdem hat der unter anderem zwei „Tatorte“ gedreht. Nun kommt er erneut mit einem nachtschwarzen Blick auf ein kriminelles Brüderpaar in die Kinos. Für wen lohnt sich der Besuch?

Nur Gott
Nachdem Ricky aus dem Gefängnis entlassen wurde, kümmert er sich um seinen dementen Vater.

Nur Gott kann mich richten: Die Handlung

Ricky (Moritz Bleibtreu) und ein paar Freunde wollen ein Ding drehen- doch das geht gründlich schief. Fünf Jahre landet Ricky im Knast und als er entlassen wird, hat er nur noch ein Ziel: Mit einem letzten Ding das große Geld machen und auf einer Trauminsel neu anfangen. Kumpel Latif (Kida Rhamadan) hat auch schon einen Plan. Gemeinsam mit Ricky soll er im Auftrag einer Bande einen Drogendeal überfallen, hinterher das Geld und die Drogen abliefern und einen satten Anteil kassieren. Doch im letzten Moment fällt jemand aus und Ricky muss sich an seinen jüngeren Bruder Rafael (Edin Hasanovic) wenden und um Hilfe bitten.

Der will zwar eigentlich weder etwas mit Ricky noch dem demenzkranken Vater (Peter Simonischek) zu tun haben, ist aber im Job als Spielhallenaufsicht für den Schwiegervater in spe auch nicht glücklich. Und so lässt er sich auf den Deal ein. Alles läuft auch glatt, bis das kaputte Rücklicht des Fluchtwagens die Polizistin Diana (Birigt Minichmayr) und ihren Kollegen auf den Plan ruft – und Rafael die Nerven verliert …

Nur Gott kann mich richten: Glaubhafte Dialoge und Figuren

Regisseur Yildirim, der auch das Drehbuch verfasst hat, gelingt die wichtigste Zutat für so einen Film. Er entwickelt glaubhafte, reale Charaktere und lässt sie so reden, dass man keinen Zweifel an der Echtheit der Ereignisse hat. Der Frankfurter Ghetto-Slang passt zur Story und klingt aus den Mündern der Schauspieler so, als hätten sie nie anders gesprochen. Dazu verkörpern die vier Hauptfiguren unterschiedliche Aspekte des gleichen Problems so gekonnt, dass dem Zuschauer keine davon egal wird. Auch wenn es sich hier hauptsächlich um Verbrecher dreht, so baut man doch bei Zusehen Sympathien auf für die harten Jungs – und die noch härtere Frau.

Denn das Leben hat es mit den meisten von ihnen nicht gut gemeint. Diana hat eine schwerkranke Tochter – und nicht das nötige Geld für ihre Versorgung. Ricky wünscht sich endlich die Anerkennung seines Vaters, der aber nur nach Rafael fragt. Der möchte seiner zukünftigen Frau alles bieten, was sie sich wünscht – und weiß doch, dass er keine Chance hat, das jemals legal zu erreichen. Und Latif ist als Oberhaupt einer Großfamilie schon so lange kriminell, dass es bei ihm wie ein ganz normaler Beruf wirkt.

Nur Gott
Spuren verwischen, das ist für Ricky nach dem misslungenen Überfall das Wichtigste.

Nur Gott kann mich richten: Was schief gehen kann …

Özgür Yildirim gelingt dabei das Kunststück, allen Charakteren ihre Gründe für ihr Verhalten zu geben, ohne das als Entschuldigung für ihre Fehler anzuführen. Er verteidigt nichts, klagt nicht an, lässt nur geschehen, was geschieht. Und holt sich dafür Anleihen beim klassischen Drama. Denn es sind letztlich stets Kleinigkeiten und einzelne falsche Entscheidungen, die aus den Plänen aller Beteiligten eine große Katastrophe machen, statt in ein Happy-End zu münden. Özgür lässt sein Publikum früh erahnen, dass die Geschichte nicht für alle gut ausgehen wird – und gleichzeitig hoffen, es möge sich doch irgendwie zum Guten wenden – es möge nicht so schlimm kommen, wie man es befürchtet.

Damit zieht er den Zuschauer emotional tief in die Handlung hinein und dementsprechend hart sind die Niederschläge, wenn man erleben muss, wie tragisch es schief läuft. Moritz Bleibtreu ist dabei nur einer von mehreren Schauspielern, die ihre Rollen fast schmerzhaft intensiv auf die Leinwand bringen. Sein Zorn, den er nicht immer unter Kontrolle hat, ist dabei immer spürbar. Diana geht mit ihrer Wut anders um, doch auch bei ihr sind viele Handlungen davon geprägt. Und der leidenschaftliche, aber nicht eben kluge Rafael lässt sich ohnehin nur von seinen Gefühlen leiten.

So gelingt Yildirim tatsächlich ein deutscher Gangsterfilm, der nichts beschönigt, keine gestelzten Dialoge serviert und sich über seine Figuren nie erhebt. Und dadurch die Geschichte auch nah an sein Publikum bringt. Auf wessen Seite man hier auch immer steht – kalt lassen wird sie einen nicht. Dass Yildirim dazu gegen Ende auch auf Zufälle zurückgreifen muss, ist nicht perfekt. Aber so hat schon schon ein William Shakespeare Dramen geschehen lassen.

Fazit:

Harter und authentischer Gangsterfilm über Verlierer aus der Unterschicht, deren Karriere schon als Kinder vorgezeichnet waren. Ein furioser Moritz Bleibtreu ist das Eintrittsgeld schon fast allein wert. Aber längst nicht das einzig Sehenswerte. Nur Gott kann mich richten geht trotz seiner harten, dreckigen Story zu Herzen – weil der Regisseur und Autor seine Figuren versteht und sie nicht richtet. 

Nur Gott kann mich richten startet am 25. Januar 2018 in den deutschen Kinos.

Nur Gott
Die Begegnung zwischen Cop Diana und den beiden Brüdern verändert alles.