I Am Mother

Filmkritik: I Am Mother

Interessante Science Fiction im Kino, die deutlich über Raumschiff-Kämpfe im All hinausgehen und wirklich philosophische Fragen stellen – das ist schon eine Weile her. Spannende Beiträge zu diesem Thema erschienen zuletzt eher bei Netflix („Auslöschung“) oder direkt für den Heimkinomarkt. Nun bringt ein Verleih mit „I Am Mother“ einen Film auf die deutschen Leinwände, dem es statt um Action tatsächlich um bedeutendere Dinge geht. Wie gut ist die düstere Zukunftsvision?

Starke Science-Fiction beschäftigt sich fast immer mit Fragen von Ethik und Moral. Was heißt es, menschlich zu sein? Wie tut man das Richtige? Was kann man tun, was davon sollte man? Immer wieder haben solche Filme, wie beispielsweise „Blade Runner“ oder „2001“ mit solchen Überlegungen gespielt und gelten heute als zeitlose Meisterwerke des Genres. So hoch wird I Am Mother sicherlich niemand hängen, aber Regisseur Grant Sputore hat mit der Inszenierung des Films in jedem Fall Mut bewiesen.

I Am Mother
Tochter möchte mit Mutters Hilfe die Menschheit wiederbeleben, die nach Mutters Angaben durch einen Virus vernichtet wurde.

I Am Mother: Die Handlung

Irgendwann in der Zukunft. In einem unterirdischen, komplett menschenleeren Laborkomplex setzt ein Roboter einen Embryo in eine mit Nährstoffen gefüllte Blase. Innerhalb weniger Stunden wächst daraus ein Baby heran, das nur den Namen Tochter erhält. Der Roboter zieht die Kleine groß, spricht mit ihr, unterrichtet sie und achtet dabei vor allem auf ihre Ausbildung im Bereich der Philosophie und der Vermittlung hoher ethischer Standards. Viele Jahre später ist Tochter (Clara Rugaard) eine junge Frau geworden.

Und die zeigt sich, wie es ihrem Alter gebührt, nicht immer so folgsam, wie Mutter, wie sie den Roboter nennt, das gerne hätte. Heimlich streift sie auch in Bereichen der Anlage umher, in denen sie eigentlich nichts zu suchen hat. Und entdeckt eines Tages in einer Luftschleuse eine verletzte Frau. Aber hatte Mutter ihr nicht gesagt, alle Menschen wären tot, von einem Virus dahingerafft? Voller Zweifel rettet sie die Frau (Hillary Swank), die ihr bald ein ganz anderes Bild von der Realität da draußen zeichnet. Ist Mutter in Wahrheit ein grausamer Killer?

I Am Mother: Wenig Optik

Ein Fest für Freunde opulenter Optik ist I Am Mother ganz bestimmt nicht. Zu 90 Prozent spielt die Story in der Laboranlage, die außer Stahlwänden und Glasfenster nicht viel zu bieten hat. Und geht es dann doch einmal nach draußen, wird schnell deutlich, wie begrenzt das Budget für den Film offenkundig war. Denn die post-apokalyptische Welt ist wenig beeindruckend. Allerdings bietet I Am Mother dafür vieles andere, was mindestens so sehenswert ist wie schöne Bilder. Gute Schauspieler zum Beispiel.

Denn Hillary Swank („Million Dollar Baby“) ist als verzweifelte Überlebende mit eigener Agenda ebenso überzeugend wie die relative Newcomerin Clara Rugaard. Die spielt die Tochter mit genau der richtigen Menge an Witz, Angst und Misstrauen, um diese Figur ins Zentrum der Geschichte zu stellen. Weil letztlich alles auf einen Kampf zwischen der bekannten und der neuen Leitfigur hinausläuft, was die Deutungshoheit über die Wahrheit angeht. Wer sagt Tochter tatsächlich das, was geschehen ist – und wer lügt sie an?

I Am Mother
Die überlebende Frau, die Tochter eines Tages entdeckt, erzählt allerdings eine ganz andere Version von der Außenwelt.

I Am Mother: Viel Spannung

Dieses Spiel um die Macht über Tochter ist es denn auch, aus dem der Film einen Großteil seiner Spannung bezieht. Denn das gut geschriebene Drehbuch lässt den Zuschauer immer wieder an beiden Geschichten zweifeln und dreht so geschickt immer wieder die Zuschauermeinung. Ist die Frau wirklich das, was sie zu sein vorgibt und Mutter lügt? Oder sagt die KI doch die Wahrheit und will Tochter lediglich vor einem schrecklichen Schicksal in der gefährlichen Welt draußen bewahren? Es gibt gute Gründe, beides zu glauben – und beidem zu misstrauen.

Da geht es dem Publikum nicht besser als Tochter, die mal auf dieser, mal auf der anderen Seite steht, bis sie schließlich eine Entscheidung trifft. Und auch danach hat der Film sein Pulver noch nicht in Gänze verschossen. Und löst so die klassische Gut gegen Böse-Erzählung klug auf. Dass Sputores Film dennoch ein paar Längen hat, liegt schlicht am Plot, der wohl einen herausragenden 60-Minüter abgegeben hätte, für seine Laufzeit von stolzen 113 Minuten aber nicht genug zu erzählen hat – und sich daher mit wenig überzeugenden dramaturgischen Kniffen behilft.

Wie so oft bei Sci-Fi-Filmen in den vergangenen Jahren wäre I Am Mother eine großartige „Black Mirror“-Folge geworden. Hier hätte die Story von der Länge perfekt gepasst. Aber auch in der etwas zu langen Fassung fürs Kino stellt der Film intelligente Fragen und gibt Antworten, die mancher so vielleicht nicht erwartet hätte. Zumindest ist gut nachvollziehbar, warum der Film in Deutschland nicht direkt zu Netflix wanderte, wo er in den USA Premiere hatte, sondern noch eine Kínoauswertung bekommt. Für Genre-Fans eine lohnenswerter Besuch.

Fazit:

Mit I Am Mother inszeniert Grant Sputore eine intelligente und meist auch spannende Auseinandersetzung mit Fragen darüber, wie eine Gesellschaft sein sollte – und was man dafür tun darf. Durch gute Schauspieler-Leistungen und ein lange ambivalent gehaltenes Script überzeugt Sputero hier zumindest echte Science-Fiction-Fans mit selten gewordenen Tugenden wie einer wirklich starken Idee. Wem das Genre nicht so liegt, der könnte sich hier hingegen langweilen, da der Regisseur den Film ein wenig zu sehr in die Länge zieht.

I Am Mother startet am 22. August 2019 in den deutschen Kinos.

I Am Mother
Ist Mutter, die künstliche Intelligenz und Herrscherin über die Station, in Wahrheit eine Killerin?