Ghostland

Filmkritik: Ghostland

Mit dem furiosen „Martyrs“ meldete sich der französische Regisseur Pascal Laugier 2008 erstmals in den oberen Gefilden des Horrors, dann wurde es bis 2012 und „The Tall Man“ still. Erst sechs Jahre später kommt mit „Ghostland“ endlich ein neuer Film in die Kinos, bei dem Laugier neben der Regie auch das Drehbuch übernommen hat. Hat sich das lange Warten gelohnt?

In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends wurde Frankreich wie aus dem Nichts plötzlich zum Nabel der Horrorfilmwelt. Alexandre Aja eröffnete den Reigen mit „High Tension“ im Jahr 2003, 2007 zogen Alexandre Bustillo und Julien Maury mit dem ebenfalls extrem blutigen „Inside“ nach, bevor Xavier Gens mit „Frontiers“ und Laugier mit Martyrs den Zyklus beendeten. Außer Aja mit seinem Remake von „The Hills have Eyes“ konnte aber keiner der vier einen weiteren Hit landen. Ist Laugier das jetzt gelungen?

Ghostland
Die erste Nacht im neuen Heim – den Schwestern Vera und Beth schwant Übles.

Ghostland: Die Handlung

Als Pauline (Mylene Farmer) mit ihren beiden halbwüchsigen Töchtern Beth (Emilia Jones) und Vera (Taylor Hickson) ins von einer verstorbenen Tante geerbten Haus im Nirgendwo der USA zieht, ahnt sie nicht, was auf ihre Familie zukommt. Gleich in der ersten Nacht werden die drei von zwei wahnsinnigen Killern heimgesucht und kommen nur knapp mit dem Leben davon. Doch das hinterlässt bei allen tiefe Spuren.

16 Jahre später ist Beth (Crystal Reed) eine erfolgreiche Horror-Schriftstellerin mit Mann und Kind, hat jedoch nie vergessen, was passiert ist. Denn ihre Schwester Vera (Anastasia Philips) lebt seitdem in einem Zustand geistiger Umnachtung mit ihrer Mutter in dem Haus, in dem alles geschah. Als Beth davon träumt, dass Vera dringend ihre Hilfe braucht, fährt sie zum Ort des Schreckens zurück und tritt damit Ereignisse los, die sie längst hinter sich zu haben glaubte …

Ghostland: Harte Kost

Pascal Laugier mag lieber weibliche Protagonisten, das hat er in allen seinen Filmen bewiesen. Und das ist auch hier nicht anders, Männer kommen hier fast ausschließlich als Monster vor. Erneut schickt der Regisseur seine Heldinnen durch einen Alptraum, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Aber im Gegensatz zu den Vorgängern, wo der oder die Twists in der Story nicht immer wirklich nachvollziehbar oder glaubwürdig waren, schlägt der Franzose in Ghostland einen sehr guten Haken in der Handlung und läutet damit die zweite Hälfte des Films ein, statt den Twist erst am Ende zu setzen. Zwar muss man im Kinosessel auch diesen Einfall erst einmal verdauen, aber er löst wunderbar das Gefühl auf, dass der Beginn der Geschichte noch ein wichtiges Detail ausgelassen hat. 

Neben der Story gebührt Laugier aber auch Lob für die Ausstattung seines Sets. Fast der gesamte Film spielt in dem fast verwunschen anmutenden, geerbten Haus. Und an den zahlreichen Details dort kann man sich trotz der spannenden Handlung kaum satt sehen. Seltsame Spiegel, alte Puppen und aller möglicher anderer Krimskrams verleihen dem Haus auch ohne grauenhafte Vorgänge bereits eine unangenehme Atmosphäre. Und tauchen den ganzen Film in einen düsteren Märchen-Look.

Ghostland
Beth und Mutter Pauline haben die Nacht des Grauens gesunde überstanden.

Ghostland: Tour de Force

In Martyrs belastete Laugier sein Publikum bis an die Grenze des Belastbaren, sodass der Film selbst in Frankreich ursprünglich nur eine Freigabe ab 18 Jahren bekam, was eine Auswertung in normalen Kinos verhindert hätte. Nur durch eine durch eine Ministerin angeordnete zweite Prüfung erhielt der Film eine 16-er Freigabe. In Deutschland bekam er lediglich eine Unbedenklichtkeitserklärung der SPIO/JK, eine 18-er Freigabe durch die FSK hat er erst seit Dezember 2017. So schlimm treibt es Laugier in Ghostland definitiv nicht.

Doch der Grundtenor in den Filmen des Franzosen ist auch hier wiederzufinden – junge Frauen müssen Schreckliches durchleiden. Dabei verzichtete Laugier weitgehend auf billige Jumpscares und lässt lieber seine fiese Stimmung wirken. Zudem erschafft er mit dem Killerduo zwei Gestalten, die auch nach dem Kinobesuch noch unerfreulich im Gedächtnis haften bleiben. Und liefert Szenen, die sich so weit vom US-Horror-Mainstream entfernen, dass sie mit dem typischen Teeniegemetzel kaum Ähnlichkeit aufweisen. 

Wer sich also nur ein wenig wohlig gruseln möchte, für den ist Pascal Laugiers Film möglicherweise nicht das Richtige. Denn Ghostland geht etwas tiefer als der Durchschnittsgrusler und erzeugt in seinen besten Momenten fast greifbare Spannung. Und hat etwas von dem Terrorgefühl, für das die Franzosen im vergangenen Jahrzehnt so bekannt waren.

Fazit:

Im guten Sinn unangenehmer Horrorfilm mit feinem Twist, der ebenso glaubwürdig wie erschreckend ist. Auch wenn Pascal Laugier in Sachen Intensität nicht ganz an seinen Horror-Meilenstein Martyrs herankommt, so bringt er doch erneut ein beeindruckendes Stück Terrorkino auf die Leinwand. Für Freunde härterer Kost absolut sehenswert.

Ghostland startet am 5. April 2018 in den deutschen Kinos.

Ein interessantes Interview mit Regisseur Pascal Laugier finden Sie hier.

Ghostland
Vera hatte weniger Glück. Sie vegetiert seit 16 Jahren in einer Art Schockstarre vor sich hin.