Bislang brachten die Blue Sky Studios hauptsächlich harmlosen Spaß auf die Leinwand und sahnten mit Reihen wie „Ice Age“ und „Rio“ groß ab. „Ferdinand“ schlägt nun auch ernstere Töne an und bezieht eindeutig Stellung zum Thema Stierkampf. Kann der Animationsfilm für die ganze Familie trotzdem überzeugen? Oder sollte man um Ferdinand lieber einen Bogen machen?
Der Trend ist eindeutig. Immer häufiger trauen sich die alteingesessenen Animationsstudios wie Pixar oder Disney, lieber auf einen Lacher zu verzichten und dafür bessere Geschichten zu erzählen. Und die sparen ab und zu auch dunklere Seiten einer Story nicht aus. Neuestes Beispiel ist Ferdinand, dessen Hauptfiguren mit ihrem Schicksal zwischen Stierkampfarena und Schlachthof nicht länger zufrieden sind. Funktionieren solche Stoffe in Familienfilmen?
Ferdinand: Die Handlung
Der kleine Ferdinand gießt lieber Blumen, als sich mit anderen Jungstieren im Kampf zu messen. Und erntet dafür den Spott seiner Altersgenossen. Als eines Tages sein Vater für den Kampf in der Arena abgeholt wird und nicht zurückkehrt, hat Ferdinand vom Leben im Kampf-Camp die Nase voll und flieht. Er kommt bei der kleinen Nina und ihrem Vater unter, die ihn so leben lasen, wie er es möchte – und so wird aus Ferdinand ein riesiger, aber sehr friedlicher Stier.
Aber als er sich eines Tages in die nächste Stadt schleicht, um Nina und ihren Vater auf das dortige Blumenfest zu begleiten, geschieht ein Unglück. Eine Biene sticht den Stier und sorgt dafür, dass der schmerzerfüllt den halben Festplatz auseinander nimmt. Ferdinand wird als Gefahr eingestuft und landet wenig später wieder in seinem alten Zuhause – der Stierfarm. Zur Gesellschaft geben die Züchter ihm die Beruhigungsziege Elvira an die Seite, die ihn besänftigen soll. Doch das hysterische Hornvieh erreicht das Gegenteil: Als ein berühmter Torero auftaucht und nach einem Stier für seinen letzten Kampf sucht, hat Ferdinand genug von Kampf und Gewalt und will samt Elvira und den anderen Stieren abhauen …
Ferdinand: Die Mischung passt
Dem erfahrenen Animations-Regisseur Carlos Saldanha („Ice Age 1-5“) gelingt der Spagat zwischen extrem witzigen und ernsten Momenten traumhaft sicher. Kein einziges Mal übertritt er die feinen Linien, die eine Szene zu stark in die eine oder andere Richtung hätten kippen lassen. Stattdessen inszeniert er die Slapstick- und Dialogkomik ebenso gut wie die Szenen, in denen es ernst wird. Saldanha spart dabei weder die Arena noch das Schlachthaus aus und macht auch für kleinere Zuschauer deutlich, wohin für so manchen Stier die Reise geht.
Dass ihm dennoch ein höchst unterhaltsamer Film gelingt, liegt zu einem Großteil an den feinen Nebenfiguren, die ein ganzes Team bei Blue Sky erschaffen hat. Dabei gehört Elvira sicher zu den besten Figuren, die je in einem Blue Sky-Film zu sehen waren. Bettina Zimmermann spricht die Ziege derart brillant und wundervoll überdreht, dass sie vor allem für die erwachsenen Zuschauer der eigentliche Star des Films ist. Das Schöne an Ferdinand ist aber die Fülle von Charakteren, die so gelungen sind, dass sie einfach Spaß machen. Ob das der schottische Stier Angus ist, die drei Igel, die Ferdinand zur Flucht verhelfen wollen oder die drei blasierten Schimmel auf der Nachbarweide, die in schönstem Wienerisch vor sich hinpöbeln – alles sitzt perfekt und greift wunderbar ineinander.
Ferdinand: Kein Blut, aber ein Statement
Natürlich nehmen die Macher Rücksicht auf die jüngeren Zuschauer und zeigen weder die Brutalität, noch das Ende eines normalen Stierkampfes. Aber sie sparen die Emotionen des Tieres dabei auch nicht aus. Und so wird auch für Kinder deutlich, wie barbarisch die Tiere dabei gequält werden und welche Angst sie durchleiden müssen. Kaum vorstellbar eigentlich, dass so ein Stoff in einem Film für Kinder Platz findet – aber Saldanha schafft es.
Und er kreiert nebenbei auch noch brüllend komische Momente. So ist Ferdinands Versuch, in dem winzigen Porzellanladen, in den er hinein gerät, nichts kaputtzumachen, absolut sehenswert. Ebenso wie das Tanzduell zwischen Stieren und Pferden. Und viele andere Szenen mehr. Die deutschen Synchronsprecher steuern ihren Teil dazu bei, dass das Ganze auch hier lustig ist, Neuling Daniel Aminati in der Hauptrolle ebenso wie erfahrene Comedians wie Max Giermann.
Und auch optisch ist Ferdinand durchgehend gelungen, wenn er auch gegen Pixars „Coco“ in Sachen Detailverliebtheit und Kreativität ein wenig zurückbleibt. Hier und da wirken die Hintergründe ein wenig generisch und flach, da zeigt Branchenprimus Pixar, wie es besser geht. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Ferdinand ist ein liebenswerter, witziger und zu Herzen gehender Animationsfilm, den die jüngeren Zuchauer ebenso genießen werden wie die älteren.
Fazit:
Dass Ferdinand auf einem 80 Jahre alten Kinderbuch basiert merkt man dem Film zu keinem Zeitpunkt an, so frisch und modern ist sein Anstrich. Und er macht einen Heidenspaß, obwohl er auch die dunklen Seite der Geschichte nie ausspart und durchaus ernste Momente hat, die er auch nicht sofort wieder mit Humor auflöst. Nachdem die Blue Sky Studios zuletzt mit „Peanuts“ und „Ice Age 5“ zwei schwächere Filme in die Kinos brachten, zeigen sie sich mit Ferdinand wieder in Bestform.
Ferdinand startet am 14. Dezember 2017 in den deutschen Kinos.