2012 ein moderater Hit, aber kein neues Highlight: „Wreck-It-Ralph“, hauptberuflich Schurke in einem Videospiel, aber privat ein unheimlich netter Kerl, bekommt mit „Chaos im Netz“ sieben Jahre später dennoch eine Fortsetzung. Und was für eine! Denn diesmal macht Ralph mit seiner kleinen Freundin Vanellope das Internet unsicher, um die Spielhalle zu retten, in der die beiden leben. Hat das gewohnte Disney-Qualität?
Bislang waren die Rollen der beiden Disney-Animationsstudios Disney und Pixar klar verteilt. Pixar war für die innovativen, neuen Filme wie „Coco“ da, während Disney sich ganz im traditionellen Bereich austobte und Märchen wie „Rapunzel“ entstaubte. Beides war ja auch sehr erfolgreich. Doch mit Chaos im Netz scheinen die Disney-Studios zeigen zu wollen, dass auch sie durchaus in der Moderne angekommen sind – technisch aktueller war kein Disney-Animationsfilm bisher. Aber ist er auch gut?
Chaos im Netz: Die Handlung
Ralph und Vanellope verbringen ihre Freizeit gemeinsam und sind die dicksten Freunde. Doch während Ralph mit seinem Dasein als Games-Schurke seinen Frieden gemacht hat, langweilt sich Vanellope immer mehr in ihrem Job als Fahrerin. Ralph will helfen und baut heimlich eine neue Strecke ins Spiel, die Vanellope begeistert ausprobiert. Sehr zum Unmut des Spielers, der gerade vor dem alten Arcade-Game sitzt und durch dessen Wutausbruch das Lenkrad von „Sugar Rush“ zu Bruch geht. Das Fatale: Für das alte Spiel gibt es kaum noch Ersatzteile.
Und so steht Sugar Rush kurz vor dem Ausmustern, was das Ende ihrer Freundschaft bedeuten würde. Deshalb will Ralph mit Vanellope unbedingt ins Internet, nachdem er ein Gespräch belauscht, dass man dort auf Ebay angeblich alles bekommt, was das Herz begehrt. Tatsächlich gelingt es den beiden, ins weltweite Netz zu reisen und dort wirklich ein sehr teures Lenkrad zu finden. Doch damit fangen die Probleme der beiden an, denn Geld besitzen sie nicht. Da erwacht in Ralph und Vanellope die kriminelle Ader …
Chaos im Netz: Moderne Story …
In diesem Film hat der Enkel definitiv mehr Spaß als die Oma. Denn nur, wer sich im Internet ein wenig auskennt, kann die zahllosen Anspielungen und Gags wirklich genießen, die Mit-Regisseur Phil Johnston und Autorin Pamela Ribon („Die Schlümpfe – das verlorene Dorf“) ins Drehbuch geschrieben haben. Denn von Ebay über Google und Youtube bekommen nicht nur die Firmen-Giganten ihr Fett weg. Sondern auch soziale Veränderungen wie das Liken von Beiträgen oder Clickbait-Nervereien spielen in Chaos im Netz eine angemessen wichtige Rolle.
Dazu beweist Disney auch noch Selbstironie und lässt einige der bekanntesten Prinzessinnen der Firmen-Historie bei ihrer Begegnung mit Vanellope kräftig über Frauen-Klischees ablästern und klarstellen, dass längst ein anderer Wind weht bei den kulleräugigen Schönheiten. Mit der neuesten starken Frauenfigur, der Rennspiel-Heldin Shank, im Original gesprochen von „Wonder Woman“ Gal Gadot, haben sie zusätzlich einen sehr emanzipierten Charakter in den Film gepackt. Und die Damen sind darüber hinaus allesamt cleverer als Held Ralph.
Chaos im Netz: …mit altmodischer Botschaft
Aber bei aller Moderne, im Kern ist die Botschaft die gleiche wie in jedem anderen Disney-Film. Auch hier hält der konservative und familienfreundliche Konzern die Werte wie Freundschaft, Rechtschaffenheit und Familie hoch und verzichtet dafür auch auf drastischere Bilder oder Szenen, wenn es beispielsweise ins Darknet geht. Immerhin gibt sich der Konzern aber nach Filmen wie „Vaiana“ oder „Die Schneekönigin“ auch weiterhin recht emanzipiert und setzt seinen Kurs der starken Heldinnen mit eigenem Kopf konsequent fort.
In Sachen Handwerk ist Chaos im Netz allerdings alles andere als altmodisch. Die Animationen können sich mit dem Spitzenreiter Pixar durchaus messen und erschaffen das Internet als bunte und wilde Welt. Dazu sind die Rennszenen derart dynamisch und knackig inszeniert, als säße man in einem „Fast and Furious“-Film. Und die zahllosen Details, die die Macher in Chaos im Netz platziert haben, erschließen sich in Gänze vermutlich ohnehin erst im Heimkino, es ist fast unmöglich, beim ersten Mal alles zu entdecken.
Dazu trauen sich Johnston und Rich Moore, der zweite Regisseur, ein bittersüßes Finale zu präsentieren und trotz der High-Tech-Welt emotionale Schwerpunkte zu setzen. Dennoch bleibt Chaos im Netz ein sehr lustiger, sehr unterhaltsamer und einfach sehr gut gemachter Animationsfilm, der für größere Kinder und Jugendliche perfekt geeignet ist. Denn die verstehen die Witze hier so gut wie kaum jemand sonst. Auch wenn der zweite Teil ebenfalls kein Milliarden-Erfolg wird, so sind Ralph und Vanellope doch extrem liebenswert. Und dürfen gern wiederkommen.
Fazit:
An der Oberfläche präsentiert Disney mit Chaos im Netz seinen wohl modernsten Film bisher. Youtube, Instagram und Co. bekommen hier den Platz, den sie im Leben der meisten Kinder und Jugendlichen schon lange haben. Und das Autorenteam holt daraus eine Menge gelungener Gags heraus. Den Kern des Films bildet aber erneut die traditionellen Werte, die Disney seit Jahrzehnten feiert und hoch hält. Wer damit leben kann, darf sich auf einen richtig gelungenen Animationsfilm freuen.
Chaos im Netz startet am 24. Januar in den deutschen Kinos.